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"Du hast was?", zischte Joe und knallte ihre Spindtür zu.
"Psst!", fuhr ich sie an und presste meine Lippen zusammen.
Gerade hatte ich Joe alles über Adrien, mich und den gestrig gefallenen Kuss erzählt, doch ihre Reaktion verunsicherte mich etwas.
"Mach kein Geheimnis daraus", rollte Joe mit ihren hübschen Augen und nahm mir ihre Bücher wieder ab. "Ihr seid ineinander verliebt, das merkt jeder Blinder."
Ein paar mal blinzelte ich.
Ich hatte nur Augen für Adrien und habe dabei ganz die Außenwelt vergessen. Nie hatte ich mir Gedanken gemacht, was und wie die anderen Schüler über uns dachten.
"Ich denke einfach, es würde seinem Ruf schaden, weißt du?", erklärte ich und biss mir auf die Lippe. "Er ist der Mädchenschwarm der Schule."
"Aber er hat nie darum gebeten, dass alle ihn heiß finden. Alle außer mir natürlich", murmelte sie und grinste mich an, sodass ich lachen musste.
"Ich denke, er will es genauso sehr wie du", fügte sie hinzu und schaute in den Gang, bis sie auflächelte. "Siehst du, da kommt er auf dich zu."
Ich schaute nach oben und erkannte gleich Adriens hübsches Gesicht.
Sein Blick war zu einem anderen Jungen gerichtet, mit dem er sich nebenbei unterhielt.
Mir kam es vor, an würde er heute noch schöner aussehen, als sonst.
Adriens Augen huschten zu mir rüber und meine Mundwinkel hoben sich.
Keine Ahnung, warum ich mir so anders vorkam.
Ein Kribbeln setzte ein, doch es verschwand direkt wieder als Adrien sich wieder zu seinem Freund drehte und an mir vorbei ging. Ohne irgendeine Reaktion. Wie zwei Fremde.
Joe und ich schauten ihm hinterher. Ich merkte, wie meine Freundin nach den richtigen Worten suchte, um auch ja nichts falsches zu sagen.
"Wow", flüstere Joe und stieß die Luft aus.
Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht, dass er mich ignorieren würde. Ein paar Stunden später als wir uns noch geküsst hatten.
Es war so, als würden ich mir die letzten Wochen nur eingebildet haben.
"Siehst du", schluckte ich meinen Klos im Hals hinunter. "Er will seinen Ruf beibehalten."
Ich drehte mich nochmal zu Adrien um, doch er war bereits verschwunden.

~

Mein Blick war starr auf meinen Block gerichtet. Ich wartete bis diese gottverdammte Mathestunde vorbei war.
Adrien hatte mich den ganzen Tag ignoriert und ist mir definitv aus dem Weg gegangen.
Ab und zu spürte ich seinen Blick auf mir, aber das nur für ein paar Sekunden.
Natürlich fragte ich mich, was wirklich mit ihm los war, denn ich war mir sicher, dass es für ihn gestern genauso aufregend und schön war, wie für mich, doch er schien wie ausgewechselt zu sein. Er war nicht er selbst, oder er hat mir die ganze Zeit etwas falsches vorgespielt.
Was es auch war, es müsste ausschlaggebend genug sein, um mir die kalte Schulter zeigen zu können.
"Ja, Mr Black."
Meine Aufmerksamkeit galt das erste Mal in dieser Stunde dem Unterricht.
"Dürfte ich auf die Toilette?"
Seine Stimme war angenehm rau und ruhig. Und mein Körper reagierte mit Gänsehaut darauf.
"Natürlich", murmelte Mrs Green und widmete sich wieder der Tafel.
Ich hörte, wie Adrien den Stuhl zurückschob und langsam das Klassenzimmer verließ.
Ich konnte nicht anders, als ihm hinterher zu schauen. Mich ließ der Gedanke nicht los, dass er endlich alleine war und das musste ich ausnutzen.
"Mrs Green?", meldete ich mich schnell und die junge Lehrerin sah mich etwas überrascht an. Ich war nie diejenige, die sich wirklich oft bei ihr meldete.
"Kann ich kurz auf die Toilette?", fragte ich und presste meine Lippen zusammen.
Mrs Green sah ich etwas irritiert an.
"Nach Adrien kannst du gerne -"
Ich unterbrach sie, was ich noch nie bei einem Lehrer gemacht hatte. "Mir ist wirklich schlecht."
Mrs Green rümpfte die Nase, aber nickte.
Ich sprang auf und verließ den Raum.
Schnell schaute ich mich um und rannte zu den Toiletten.
Nach ungefähr der Hälfte des Weges blieb ich stehen. Am anderen Ende des Flures lief Adrien auf die Kabinen zu.
Ich biss mir auf die Lippe.
Konnte ich ihn einfach so überfallen?
Andererseits verdiente ich eine Erklärung. Also ja, ich konnte.
"Adrien", rief ich durch den Gang und er blieb perplex stehen. Überrascht sah er mich an.
"Sirina", murmelte er. Egal, wie er meinen Namen aussprach, es hörte sich verdammt gut an. Trotzdem sollte er nicht wissen, dass ich bereits bei diesem einen Wort weiche Knie hatte. "Geh wieder zurück."
Ich schluckte.
Sein Ton war dominant und selbstsicher. Normalerweise hätte ich mich jetzt umgedreht und wäre wirklich zum Klassenzimmer zurück gelaufen, doch ich konnte nicht.
"Was ist mir dir?", fragte ich ihn stattdessen und lief ein paar Schritte auf ihn zu. "Warum bist du so abwesend und ignorant?"
Auf Adriens Gesicht bildeten sich Falten, die ich ihm eigentlich mit meinen Fingern glattstreichen wollte, stattdessen formte ich eine Faust.
"Denkst du ich nicht, ich merke, wie du mir aus dem Weg gehst?"
In meiner Stimme lag Verzweiflung und Adrien reagierte darauf.
Er wandte sich von mir ab, er blieb still.
"Was ist mit uns?", fragte ich und presste meine Lippen zusammen.
Es klang schon fast wie im Wimmern, aber das war mir egal.
Adrien sah auf den Boden und atmete durch. Ich bemerkt seine Hände, die er ebenfalls zu Fäusten geballt hatte, man allerdings bereits seine weißen Knöchel durchsehen konnte.
Und jetzt verstand ich auch, dass er sich von mir fernhielt, aber nicht, weil es ihm Spaß machte, sondern, weil er etwas vor mir verbarg.
"Geh wieder zurück, Sirina."
Er drehte sich um, um wider zu den Toiletten zu gehen, aber ich hatte noch immer keine Antwort von ihm.
"Wir können doch nicht einfach so tun, als wäre gestern nichts passiert!", entgegnete ich aufgeregt und schmiss die Arme nach oben.
Adrien drehte sich wieder um und sah mich an.
Langsam verengten sich seine Augen und ein kleines und doch bedrohliches Knurren verließ seinen wundervollen Mund.
"Du willst über gestern Nacht reden? Dann reden wir über gestern Nacht", kam es über seine perfekten Lippen.
"Ich weiß, dass du denkst, das gestern wäre eine einmalige Sache", begann er zu erzählen und bei jedem Wort kam er mir einen Schritt näher, sodass ich aus Angst nach hinten wich. Nach ein paar Schritten spürte ich das kalte Metall in meinem Rücken, da ich offenbar an den Spinden angelangt bin. Seine rechte Hand stützte er neben meinem Hals und seinen linken Oberarm über meinem Kopf, sodass unsere Gesichter nur Zentimeter voneinander getrennt waren.
Der Moment erinnerte mich an gestern Abend.
"Aber das, was ich weiß, ist, dass durch jeden Blick, bei jeder Berührung, bei jedem Kuss -" Kurz stoppte er, um von meinen Augen seinen Blick zu meinen Lippen zu senken.
"- mein Verlangen größer wird."
"Verlangen?", fragte ich leise nach, während meine Aufmerksamkeit seinen Augen galt.
Diese Nähe brachte mich fast um den Verstand, denn würde ich mich nur ein paar Zentimeter nach vorne beugen, würden sich nicht nur unsere Nasenspitzen treffen.
"Das Bedürfnis -", raunte er mir nah an mein Ohr, sodass ich nochmals weiche Knie bekam.
Mein Atem ging flach, ich wollte den Moment auf keinen Fall zerstören.
"- nach dir."
Tief atmete ich ein und sah von seinem Gesicht zu seinen vollen Lippen.
Ich hatte das dringende Bedürfnis seinen Mund auf meinen zu drücken, aber mich ließ meine Frage immernoch nicht los.
"Adrien?", wisperte ich und schluckte.
Ich brauchte einen klaren Verstand, doch wie war es möglich bei so viel Nähe?
"Hm?"
Ich ließ mir Zeit bei meiner Frage.
"Wieso lässt du es nicht einfach zu?"
Adrien presste die Zähne aufeinander, sodass sich sein Unterkiefer anspannte. Schwungvoll drückte er sich von mir weg.
"Das ist nicht so einfach", murmelte er und fuhr sich durch sein schwarzes Haar.
"Was ist nicht einfach?", fragte ich nach. "Was hält dich davon ab?"
Adrien distanzierte sich mit ein paar Schritten von mir.
Ich verstand einfach nicht, was so ausschlaggebend sein konnte.
"Es ist besser, wenn du jetzt wirklich gehen würdest", sagte er emotionslos und schaute dabei auf den Boden.
Schluckend nickte ich und schlang die Arme um meinen Körper.
Kurzerhand drehte ich mich um und befolgte endlich seine ersehnte Anweisung.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt