Kapitel 31 - Irgendwie Glatteis

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Entsetzt starrte ich ihn an. Um genau zu sein starrte ich ihn einfach nur an. Ich wusste nicht was ich gerade fühlen sollte. Soll ich Angst haben? Soll ich an meinem Verstand zweifeln? Das erste Mal in meinem Leben bin ich so richtig verloren.

"Ähm, Lexia?"

Severin wedelte mit einer Hand vor meinem Blickfeld herum. Ich schaute ihn an und hatte so ein Kribbeln in der Magengegend. Jetzt machte das meiste auch noch Sinn.

"Ich habe dich gewarnt."

"Und ich glaube ich sollte gehen.", sagte ich und stand auf. Eine noch indirektere Warnung konnte er anscheinend nicht machen.

"Leider musst du hierbleiben. Du kennst ja nicht einmal die ganze Geschichte."

Ohne ein weiteres Wort meinerseits setzte ich mich wieder hin. Wenn mein Leben jetzt schon mit dieser kleinen aber ausstreichenden Information zerstört ist, warum sollte ich nicht noch den Rest hören und meine Existenz komplett in Frage stellen?

"Bist du auch einer?"

"Ich lebe seit 1885 auf dieser Erde. Ich glaube schon das ich einer von ihnen bin."

Selbst in dieser Situation brachte er mich noch zum Lachen. Soll ich lachen, soll ich es lieber lassen? Ich habe keine Ahnung. Ich sollte mein Leben so lange Leben wie ich kann. Damit meine ich nicht die Ewigkeit als Vampir.

Er lächelte mich an kehrte dann aber wieder zu seinem ernsten Blick zurück. "Bist du wirklich bereit dafür? Also ich meine für die ganze Wahrheit. Ab jetzt kannst du wenigstens nur ein halb zerstörtes Leben führen."

Ich finde es wirklich ehrlich von ihm, dass er mir jetzt in dieser wirklich Aussichtslosen Lage noch eine letzte Chance gibt. Etwas in mir sagt, dass es sehr vernünftig klingt jetzt einfach zu gehen. Doch vertraue lieber auf mein anderes Gefühl was die Wahrheit ganz hören wollte. Ich fühle mich gerade wie in Twilight und ich hasse es verdammt! Also schüttelte ich den Kopf um ihm eine Antwort zu geben. Ohne ein Wort zu sagen füllte er mein Glas wieder auf und lehnte sich zurück.

„Dann frag mal. Ich sehe es dir schon an wie du fast zerspringst."

Nervös mit zitternden und schwitzigen Händen griff ich nach meinem Glas und nahm einen Schluck. Es beruhigte mich. Wenigstens etwas. „War Damian der Mörder?"

„Nein."

„Warum? Mit diesem Verhalten hätte er jeden töten können. Dann auch noch diese Wand mit den ganzen Opfern drauf und..."

„Ganz ruhig, Lexia. Du musst noch zwischen durch Atmen. Also, ich fange mal mit dem Gesicht von vorne an okay?"

Zustimmend nickte ich. Dann muss ich wenigstens nicht reden und mir keine Gedanken über meine Atmung machen. Mir ist es gerade wirklich nicht aufgefallen, dass ich keine Luft mehr hatte.

„Wie bereits erwähnt hat Damian Linney 1888 dein Rest seiner noch Vorhandenen Familie verloren. Schwester und Vater. Er selbst war auch halb am Sterben aber ich konnte ihm noch helfen. Ich habe ihm zu dem gemacht was er jetzt ist. Aber auch nur, weil ich es seinen Eltern versprochen habe. Ich hätte ihm sonst gerne diesen ewige Leid erspart. Die genauen Details erfährst du sicherlich noch von ihm. Irgendwann mal. Er hat die Verwandlung gut überstanden und ich habe ihm so gut geholfen wie es nur geht. Das was du leider heute miterleben musstest war damals viel ausgeprägter und wesentlich schlimmer. Es ist wie ein Hunger Gefühl, nur eben etwas offensichtlicher als nur ein Magenknurren. Irgendetwas muss ihn dazu gebracht haben so zu werden, darum werde ich mich aber erst morgen kümmern. Vampire haben diese Anfälle fast Täglich. Aber das kann man sich abtrainieren. Ich habe es geschafft. Ich habe diese Anfälle nicht und ernähre mich von Tierblut. Oder Konserven. Nichts Dramatisches."

„Und warum die Bilder? Warum die ganzen Zeitungsartikel und warum war ich auch da drauf?"

Severin nahm einen Schluck aus seinem Glas. Auch er hatte einen schwierigen Tag hinter wich und diese Sache mit Damian hat ihm den Rest gegeben. Genau wie mir. Und der Abend hätte noch so schön werden können. Das weiß ich!

„Wir wissen nicht, wie viele es noch von uns gibt. Wir haben uns perfekt gier in New York eingelebt und haben nie jemanden Umgebracht. Nicht einmal ein Haar gekrümmt. Es ist noch einer hier und Damian und ich haben eben eigene Ermittlungen angestellt. Eigentlich solltest du davon auch nichts wissen."

Ich seufzte und sehe auf meine Füße. Nervös tippte ich mit den Zehen auf den Boden und betrachtete den Teppich darunter. „Ich werde es für mich behalten."

Severin lachte nervös. „Und der Killer ist immer noch da draußen."

„Nicht mehr lange. Ich werde morgen mit kommen zu Damian und zusammen werden wir eine Taktik erarbeiten. Logan las sich da komplett raus. Es ist besser, wenn er nichts davon weiß."

„Weise Entscheidung, Detektive Havering."

Seufzend ließ ich mich wieder in das Sofa sinken. „Ich hatte mir das heute alles viel schöner vorgestellt. Einen schönen Abend, mit gutem Essen und gutem Wein. Dazu noch nette Gespräche die einem zum Nachdenken bringen und neuen Erfahrungen über den jeweils anderen. Und was jetzt? Jetzt sitze ich hier und versuche mit mich Bourbon zu betrinken. Es ist einfach alles wie eine Seifenblase vor meinen Augen geplatzt. All die guten Vorsätze und die gute Stimmung. Einfach weg."

Neben mir senkte sich das Sofa. Eine Luft hauch umhüllte mich und ich habe das verlangen direkt nach der Flasche zu greifen und daraus zu trinken. „Alles wieder besser, vertrau mir."

„Ich vertraue einen Vampir. Ist das nicht irgendwie Glatteis?"

„Kommt ganz auf den Vampir an. Dracula würde ich an deiner Stelle auch nicht vertrauen. Genau wie diesen glitzernden Vampiren im Fernsehen. Wer denkt sich bitte so etwas aus? Hab ich je geglitzert? Ich glaube nicht."

Lachend nehme ich den letzten Schluck aus meinen Glas. Ich merkte schon fast wie der Alkohol in mein Blut nach und nach tropfte. Immer ein kleiner Tropfen mehr der mich kurz zum einnicken brachte. Ich bin so müde und viel zu erschöpft und mich zu bewegen und überhaupt noch klar zu denken. In diesem Zustand hätte ich die Wette geben Damian zu hundert Prozent verloren. Aber ich hätte auch so einiges mehr verloren als das.

Mein Leben vielleicht.

Blood Dead [1] #Ortusaward2020Where stories live. Discover now