Siebenundvierzigstes Kapitel - Eine neue Spur

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Als ich träge meine Augen öffnete, was ich für einen Moment verwirrt. Was zum Teufel machte ich im Gästezimmer? Das Gewicht in meinen Armen brachte die Erinnerung dann zurück. Sally. Tief schlafend murmelte sie leise vor sich hin, jedoch so undeutlich, dass ich kein Wort davon verstand. Schmunzelnd strich ich ihr einige Haare aus dem Gesicht. Es war schön sie verhältnismäßig friedlich vorzufinden. Die letzten Wochen war sie kein allzu angenehmer Anblick gewesen. Nicht wegen ihren äußerlichen Verletzungen, sondern wegen denen in ihrem Inneren. Ihr gebrochener Wille war breit über ihr Gesicht geschrieben und erinnerte mich jeden Tag daran, was sie hatte durchmachen müssen.

Amanda Clark sah ganz ähnlich aus. Und so ungerne ich es zugab, Sally hatte definitiv Recht: Solange sie weiterhin unter Druck gesetzt wurde, würde sich daran nichts ändern. Niemand konnte heilen, wenn einen alle Welt anschaute als wäre man ein unbekanntes Monster, das aus den Tiefen der Hölle empor geklettert war. Blieb nur die Hoffnung, dass Waters etwas bei Clarkes Bruder erreichte. So wie ich sie kannte, war das allerdings sehr wahrscheinlich. Ich hatte schließlich am eigenen Leib erfahren, wie überzeugend sie sein konnte.

Brummend machte mein Handy auf sich aufmerksam. Fluchend zog ich meinen Arm unter Sally hervor, bemüht sie nicht zu wecken und stand schleunigst auf, um aus dem Zimmer zu verschwinden. Sobald ich die Tür hinter mir zugezogen hatte und im Wohnzimmer stand, hob ich ab.

„Walker", meldete ich mich knapp.

„Irgendwelche Fortschritte?", fragte der Chief ohne ein Wort des Grußes.

„Mit Sally oder dem Fall?"

„Ich weiß selbst dass der Fall in einer Sackgasse steckt und Ihr Bericht hat das nur noch einmal bestätigt. Also wie geht es Miss Waters?", brummte mein Boss.

Schnaubend antwortete ich:

„Ich kann nicht behaupten, dass es Sally anders geht. Sie steckt immer noch in diesem Keller und kommt nicht raus. Zwar kämpft sie hart darum, aber ... es ist eben nicht so einfach wie man es gerne hätte."

Es blieb eine Weile still in der Leitung, dann sagte Stryder:

„Wenn sich nicht bald etwas Neues ergibt, können wir einpacken. Die obere Etage sitzt mir schon im Nacken deswegen."

„Das werden Sie doch nicht zulassen oder? Wir können den Fall unter gar keinen Umständen ruhen lassen! Bei so vielen Opfern müssen selbst die das einsehen!", regte ich mich auf und merkte zu spät, dass ich mit meinem Gebrüll vermutlich meinen Gast aufwecken würde.

„Oh sie werden den Fall nicht begraben. Sie wollen ihn an das FBI abtreten. Wir können von Glück sagen, dass Agent Price noch bei uns ist, sonst wäre das bereits passiert. So geben sie uns noch eine Galgenfrist."

„Ich kann nicht behaupten, dass mich das beruhigt. Wenn diese Lackaffen wirklich denken, dass wir einen so großen, lokalen Fang einfach an sie abtreten, haben sie sich verrechnet", ätzte ich weiter.

„Jetzt kriegen sie sich mal wieder ein Walker! Wir stehen auf der gleichen Seite. Ich will diese Dreckskerle genauso gerne erwischen wie Sie", parierte der Chief meinen ungebührlichen Ausbruch.

„Ich weiß, ich weiß. Sorry. Kommt nicht wieder vor", ruderte ich zerknirscht zurück. Wenn ich nicht aufpasste, warf er mich doch noch raus. So tolerant er bislang auch gewesen sein mochte, irgendwann war auch bei ihm eine Grenze erreicht.

„Ich wünschte ich könnte Ihnen glauben Walker. Aber wissen Sie was, Sie können es wieder gut machen: Bewegen Sie ihren Arsch hierher und arbeiten Sie an diesem Fall."

„Ich mach mich gleich auf den Weg."

Damit war das Gespräch beendet und ich blieb genervt mit einer toten Leitung zurück. Mir war auch klar, dass mein Boss nicht widerstandslos vor den Anderen kuschte. Er war ein Kämpfer und außerdem hatte er persönliches Interesse an dem Fall. Zumindest seit er Sally kennengelernt hatte.

My Long Way To DeathWhere stories live. Discover now