Achtundzwanzigstes Kapitel - Nah dran

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Es durchfuhr mich erneut wie ein Schlag, als ich aufwachte. Ich hatte sie wiedergesehen. Und ein weiteres Mal fragte ich mich, ob mir mein Verstand einen Streich spielte, oder ob sie womöglich mehr konnte, als die Zukunft zu sehen. Aber dann verstand ich nicht, was sie gerade in meinem Traum zu suchen hatte. Doch ganz gleich was die Gründe dafür auch sein mochten, sie war da gewesen und etwas sagte mir, dass ich auf der richtigen Spur war. Zwar war ich der Lösung keinen Schritt näher gekommen, aber immerhin wusste ich jetzt, dass ich dran bleiben musste. Es war mir egal, dass sie es nicht wollte. Jedenfalls redete ich mir das ein, denn ich konnte nicht leugnen, dass mich die Sorge und Angst in ihrer Stimme nicht beunruhigt hatte.

Trotzdem nahm ich keine Rücksicht auf ihre oder meine Besorgnis. Was zählte war sie zu finden. Zum einen war es schlichtweg mein Job, zum anderen war ich es ihr schuldig, schließlich war sie nur wegen mir überhaupt erst Entführt worden.

Suchend schaute ich mich nach dem Zettel mit ihrer Notiz um. Er hing nach wie vor bei den übrigen. Etwas wacklig auf den Beinen, da ich gerade erst aufgewacht war und dann meist etwas brauchte um mich zu fangen, stand ich auf und holte ihn. Es dauerte bestimmt eine viertel Stunde, ehe ich darauf kam. Sie hatte es geographisch betrachtet, als sie nach Amanda Clark gesucht hatte. Und genau das hatte sie auch hierbei getan. Eilig schnappte ich mir meinen Laptop und rief Google Maps auf. Stundenlang suchte ich einen Ort nach dem anderen ab. Es war frustrierend und nervenaufreibend und ich fragte mich, ob Sally wohl auch solange gebraucht hatte, als sie auf der Suche nach der Scheune gewesen war, bezweifelte dies jedoch. Sally hatte nicht nur ihre Bilder im Kopf, sie hatte auch ein untrügliches Gespür für die Menschen nach denen sie suchte, was ich mit eigenen Augen hatte beobachten können. Erst bei Amanda und später bei Natalie. Sie schien mit ihnen verbunden zu sein, auf eine Art, die sich nur schwer in Worte fassen lies.

Währens ich suchte, tauchte zwischendurch immer wieder Price auf und erkundigte sich nach dem Stand der Ermittlungen, meinem Befinden und fing irgendwann sogar damit an mir Kaffee zu bringen. Ich schickte sie jedes Mal weg und behauptete mich zu melden, wenn ich etwas fand. In Wahrheit beabsichtigte ich nichts dergleichen zu tun. Wenn ich Waters wirklich finden sollte, würde ich dem Chief Bescheid geben und dann unverzüglich aufbrechen.

Würde, falls ich endlich etwas finden sollte. Die Stunden und Tage verstrichen, die dritte Woche brach an. Meine Hoffnung schwand langsam dahin. Dennoch hörte ich nicht auf, nicht wenn ich möglicherweise nah dran war.

„Walker, gehen Sie nach Hause. Gönnen Sie sich eine Pause."

Erschrocken sah ich vom Bildschirm auf und rieb mir die tränenden Augen, bevor ich den Chief vor mir stehen sah.

„Ich kann nicht", gestand ich und heftete meinen Blick wieder auf die Bilder, welche langsam aber sicher anfingen immer mehr zu verschwimmen.

„Doch, Sie können. Es wird niemandem helfen, wenn Sie Nächte lang wach bleiben", protestierte Stryder.

„Ihr wird es helfen", murmelte ich.

Seufzend setzte der in die Jahre gekommene Mann sich neben mich an den Tisch.

„So sehr es mir widerstrebt das auch nur zu denken, wir wissen nicht ob sie überhaupt noch am Leben ist", warf mein Boss traurig ein und starrte mit leerem Blick auf die Tischplatte.

„Ich weiß es", gab ich barsch zurück und klickte das nächste Bild an.

„Wie darf ich das verstehen?", ich spürte seinen fragenden Blick auf mir, wie er mich durchbohrte und nicht damit aufhören würde, ehe er eine Antwort hatte. Der Mann war nicht umsonst mein Lehrmeister und Vorbild. Aber aktuell bekam mir sein Spürsinn nicht besonders gut. Genervt schaute ich ihn an.

My Long Way To DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt