Teil17

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„Deine Familie ist sehr nett", sagte Jeremy, sogleich als er und  Rufus vor dem Dower House die Helme abnahmen.

„Ja, das sind sie." Rufus sagte das ganz beiläufig, ein kleines Lächeln um den Mund verriet jedoch, dass es ihn freute, wenn Jeremy seine Leute nett fand. Sehr sogar. Dann ging er hinein.

Jeremy nahm den Korb und trug ihn in die Küche. „Da ist genug drin für eine halbe Woche", fand er.

„Täusch dich nicht. Morgen früh ist Hopkins wieder hier."

„Adelig sein ist echt anstrengend." Jeremy hatte Spaß an der Ironie seiner Bemerkung, die Rufus ignorierte.

„Du sagst es. Darum wohne ich lieber in Hampstead."

„Passt besser zu dir. Was ist eigentlich ein Dower House?"

„Das ist völlig langweilig." Rufus pustete sich selbst ein Paar Strähnen aus dem Gesicht und tat gespielt genervt. „Wenn wir gleich was essen, haben wir danach Zeit für uns", schlug er dann vor.

„Nette Idee", fand Jeremy und begann, den Inhalt des Korbes auf den leeren Tisch zu räumen. Irgendjemand war in der Zwischenzeit im Haus gewesen und hatte für Ordnung gesorgt. Wenn nicht Hopkins, dann ein Zimmermädchen? Rufus holte Teller, Besteck und Gläser und ließ sich auf einem Stuhl am Fenster nieder. Es gab alles Mögliche zu essen. Cornish Pastry, Roastbeef, Käse, Räucherlachs, Obst, Muffins... Inzwischen wusste Jeremy, dass Rufus die süßen Leckereien vorzog. Er fing direkt mit den Muffins an. „Du willst nichts von dem hier?", fragte Jeremy und hielt die vorletzte Pastete hoch. „Das ist alles deins. Ich ess' kein Fleisch," bemerkte er grinsend, „Hopkins wusste nicht, was du isst, also packt er eben alles doppelt oder dreifach."

„Das wusste ich nicht."

„Jetzt weißt du es. Du fragst immer wieder was über mich und erzählst kaum was von dir." Rufus schaute ihn auffordernd an. Da war etwas Wahres dran. Was wollte er wissen? Als er zögerte fuhr Rufus fort. „Okay, du bist Amerikaner, Sänger und zwar richtig gut, du verträgst nicht viel Alkohol und stehst auf Typen, Shakespeare oder auch nur die Schauspieler und du bist mit Sex etwas aus der Übung, aber sehr leidenschaftlich und...liebevoll." Er beugte sich zu Jeremy herüber, um ihm einen Kuss zu geben. „Der ist für das, was ich schon weiß", sagte er, „es gibt noch einen, wenn du was erzählst." Jetzt nahm er sich einen Muffin, lehnte sich zurück und wartete. Jeremy war am Zug.

„Okay. Die Oper morgen. Das ist für mich echt was Besonderes. Ich... ich liebe klassische Musik schon immer, aber das ist Brittens Peter Grimes."

„Ich hab' von Britten gehört, aber gesehen hab' ich noch nichts."

„Dann lass' dich morgen überraschen."

„Ist dir die Oper so wichtig, weil du schwul bist?" Rufus fragte so direkt wie immer.

„Das denkt man immer zuerst, aber ich glaube, es geht um Außenseiter und Ausgrenzung. Das ist auf jeden Fall ein spannendes Thema und immer relevant, egal ob man ausgegrenzt wird, weil man schwul ist oder farbig oder eine andere Meinung hat."

„Warst du schon mal ausgegrenzt?" Rufus traf den Nagel auf den Kopf, aber das würde Jeremy nicht zugeben. Nicht, wenn es eine Ausflucht gäbe, um eine Antwort zu vermeiden.

„Ach, wer war das nicht schon mal", spielte er das Thema jetzt herunter. Er wusste, das Rufus zu klug war und zu aufmerksam, um das nicht zu bemerken. Also hoffte er, dass sie es auf ein Andermal verschieben könnten. Rufus blinzelte fast unmerklich, dann senkte er den Blick. Er ließ ihn mit der Antwort so durch und irgendwie bereute Jeremy, dass er sich nicht traute, mehr zuzugeben. Aber warum sollte er diesem Jungen Dinge zumuten, die ihm glücklicherweise erspart bleiben konnten?

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now