Teil32

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Eine halbe Stunde später roch es bereits nach Pfannkuchen und Rufus hatte sich tatsächlich als gelehriger Schüler erwiesen. Er kannte sich in seiner Küche zwar ebenso wenig aus wie Jeremy, aber er war äußerst geschickt mit dem Schneebesen. „Ich koche hier höchstens mal Tee, wenn ich Besuch habe", erklärte er mit einem entschuldigenden Grinsen. Jeremy fand das irgendwie abgefahren. „Wo kommt dann das ganze Zeug her? Du hast 'ne Käsereibe, die ich gestern eingeweiht habe, Sushimesser, Zitronenpresse, einen Toastschlitten, lauter Dinge, die man sonst nur hat, wenn man auch weiß, was es ist."

„Das hat Hopkins alles hergebracht. Richard hat darauf bestanden und den Butler geschickt." Rufus rollte verlegen mit den Augen.

„Das ist sowas von posh!", bemerkte Jeremy halb amüsiert, halb ironisch, dann fiel ihm auf, was er da gesagt hatte. Rufus zwinkerte verunsichert. „Sorry", setzte Jeremy gleich hinzu.

„Sch... schon gut. Du meinst es nicht böse. Ich mag das Wort nur nicht." Rufus schaute ihm in die Augen und Jeremy nahm sich vor, in Zukunft besser darauf zu achten. Dann machten sie mit der Banane und dem Honig weiter und aßen schließlich alles auf, bis nichts mehr da war. Anschließend nahmen sie sich vor, dass Jeremy zum Arzt ginge, um sich testen zu lassen- er bestand darauf- und in der Zeit würde Rufus mit seiner Agentur telefonieren und ein paar Jobangebote checken. Danach wollten sie zum Park, bevor sie in die Stadt müssten.

Jeremys Taxi hupte vor der Tür und Rufus gab ihm schnell noch einen Kuss zum Abschied. Er ahnte, dass Jeremy der Besuch nicht leicht fiel. „Wenn du willst, komme ich mit", schlug er vor, aber der andere schüttelte den Kopf. „Lieber nicht. Ich mach' das schon. Dann bis gleich."

„Bis gleich." Noch ein Kuss.

Rufus konnte sich denken, was für Jeremy das Problem war. Wenn er seit David mit niemandem Sex gehabt hatte, dann konnte er auch nichts haben. Aber die ganze Situation musste ihn an David und dessen Krankheit erinnern. Wie musste das gewesen sein, zu erfahren, dass der Mann, den man liebt nicht mehr lange zu leben hat? Womöglich erinnerte sich Jeremy bei jedem Arztbesuch daran. Aber Ru respektierte natürlich Jeremys Entschluss, mit dieser Erinnerung jetzt lieber allein zu sein. Er wusste nur zu gut, dass man mit manchen Erinnerungen lieber allein sein wollte. Wenn man sie teilte, würden sie einem anderen auch wehtun und das war das Letzte, was geschehen durfte. Warum bloß hatte er Jeremy von seinen Eltern erzählt? Es machte einfach keinen Sinn. Vielleicht hatte er es getan, weil Jeremy ihm von David und dem Unverständnis seiner Familie erzählt hatte. Das war etwas Anderes. Jeremy hatte das Bedürfnis gehabt, ihm davon zu erzählen. Rufus hatte so ein Bedürfnis normalerweise nicht...

Er holte seinen Terminplaner und rief in der Agentur an. Seine Agentin hatte ihm bereits mehrere Rollenangebote zukommen lassen. Da waren interessante Rollen und Produktionen dabei, doch inzwischen hatte sich sein Blickwinkel verändert. Anstatt weitere drei Monate in London den Hamlet zu spielen, sollte er vielleicht lieber ein Filmangebot in den USA annehmen. Oder eine Rolle am Broadway. Er hatte mit Jeremy noch nicht darüber gesprochen, weil er erstmal hören wollte, welche Möglichkeiten sich bieten würden. „Hi Jessey, ich bin's, Rufus. Du wolltest mich wissen lassen, ob es Rollen in den US gibt, idealerweise ohne Haare färben..." Jessey lachte am anderen Ende der Leitung und versicherte ihm, dass sie da bestimmt etwas für ihn tun könnte. Sie verabredeten, dass er in der nächsten Woche ein paar Probeaufnahmen für die Amis machen sollte und er versprach, am Dienstag oder Donnerstag vorbeizukommen. Nach dem Telefonat machte er es sich in seinem Lieblingssessel bequem und begann, eines der Drehbücher zu lesen. Er war noch nicht weit gekommen, als er Jeremys Schritte vor der Haustür hörte. Das ging wohl alles schneller als erwartet. Rufus ging Jeremy entgegen. „Wie war's?", fragte er und sah sofort, dass alles gut war. Jeremy sah entspannt aus, viel entspannter, als bei seinem Aufbruch zum Arzt. „Ist alles in Ordnung. Ich brauche den Test auch nicht zu wiederholen. Am längsten hat die Aufklärung gedauert, die ich mir anhören musste, als wäre ich eine Jungschwuppe," Jeremy schaute noch immer leicht genervt. „Ist doch toll! Dann brauchen wir die Kondome nicht mehr, sobald mein zweites Ergebnis da ist." Rufus umarmte Jeremy jetzt und sie küssten sich lange liebevoll und zärtlich. „Du hast mich wohl schon vermisst?", fragte Jeremy schließlich. „Na wie verrückt, auch wenn du nur zehn Minuten weg bist", gab Rufus zurück.

„Was soll ich da bloß mit dir machen?", meinte Jeremy dann ohne Ernst.

„Ich wüsste schon etwas", flüsterte Rufus so, dass es eindeutig zweideutig klang.

„Ich nehme an, du möchtest jetzt spazieren gehen?"

„Sagen wir doch einfach, ich mache alles, was du willst."

„Das klingt höchst verlockend", fand Jeremy, „aber ich glaube, ich sollte mich dieses Mal mehr um dich kümmern."

„Na schön, dann kümmer' dich mal", reizte Rufus und begann direkt damit, Jeremy das Jackett auszuziehen.

So kämen sie bestimmt nie in den Park...

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now