Teil93

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Irgendwann mussten beide eingeschlafen sein und Rufus schlief noch immer, als Jeremy wieder aufwachte. Er versuchte gar nicht erst zu schätzen, wie lange dieser späte Mittagsschlaf gedauert hatte. Der Wecker neben dem Bett zeigte halb vier an. Schon beinahe Teezeit, woran ihn ein Magenknurren jetzt deutlich erinnerte. Seltsamerweise hörte man im Haus überhaupt gar keine Geräusche. Müsste Hopkins nicht damit beschäftigt sein, den Tee vorzubereiten? War der immer noch draußen? Jeremy beschloss nachzusehen. Vorsichtig, um Rufus nicht zu wecken, nahm er erst seinen Arm hoch, dann schob er sich unter ihm zur Seite weg, sodass der Lockenkopf jetzt auf dem Kissenberg zu liegen kam. Ru murmelte kurz irgendetwas Unverständliches, aber Jeremy flüsterte sogleich „Schlaf weiter" und das tat er auch. Vom Fenster aus war Hopkins nicht zu sehen. Aber da, wo Hopkins zuvor geharkt hatte, sah man jetzt, dass jemand über den Kies gegangen war. Jedoch sicher nicht Hopkins selbst. Also wer? Es gefiel Jeremy gar nicht, dass ihm kein Grund einfiel, warum Richard oder Gwynneth oder Sinead oder ein anderer Wachmann das tun sollte. Aber würde Oliver hier auftauchen? Würde er hier unbemerkt bis zum Dower House vordringen können? Vielleicht ja, immerhin war er ja mal sowas wie Rus Freund. Bestimmt war er damals hier zu Besuch gewesen und vielleicht kannte er sich sogar gut aus. Shit. Jeremy ging leise aus dem Schlafzimmer und die Treppe hinunter. Unten in der Küche war keine Spur von Hopkins. Was nun? Sollte er den Pager verwenden? Dann würde er sicherlich Alarm auslösen. Aber das war womöglich übertrieben. Immerhin könnte Hopkins selbst über den Hof gegangen sein. Aber wo war er dann? „Hopkins?", rief Jeremy und dann nochmal etwas lauter, „Hopkins?"

Nichts. In der Küche gab es ein weiteres Telefon für Personal. Also wählte Jeremy die Nummer von Richard. „Hopkins, was gibt es denn?"

„Richard, hier ist Jeremy. Ich glaube hier stimmt was nicht. Hopkins ist nicht im Haus und draußen sehe ich ihn auch nicht. Und da ist eine seltsame Spur im Hof."

„Verstanden. Ich schicke jemanden zu euch, der nachsieht."

„Gut. Danke."

Kaum war das Telefonat beendet, da fand sich Jeremy zu paranoid. Wahrscheinlich war Hopkins draußen irgendwo und wenn er ihn dort riefe, wäre alles gleich geklärt. Er ging also durch die Eingangshalle und hinaus in den Hof. Die Spur im Kies führte auf den Rasen neben dem Haus. Wer immer da gegangen war, war jetzt wohl im Garten, der hinunter zum See führte. Jeremy beschloss, dort nachzusehen. Er ging um das Haus herum, bis er auf der Rückseite im Garten ankam. „Hopkins? Sind Sie hier?" Wieder keine Antwort. Am Seeufer war weit und breit niemand zu sehen. Vielleicht wäre es dann wirklich besser, wenn er zurück ins Haus ginge? Es wäre leichtsinnig, Rufus dort allein zu lassen, wenn er befürchtete, dass ein Eindringling auf Sommerford war. Und bald wäre jemand vom Wachpersonal da. Jeremy entschied, zumindest die Runde um das Haus abzuschließen und dann vorn wieder hinein zu gehen. „Hopkins?" Wieder keine Antwort. Das nächste „Hopkins", konnte er nicht mehr beenden, denn plötzlich wurde er von hinten heftigst am Arm gepackt, gleichzeitig legte sich ein zweiter Arm um seinen Hals, der ihm die Kehle abdrückte und er spürte, wie jemand ein Messer an seinen Hals hielt. Shit! Im ersten Schreckmoment und vor Schmerz, weil sein Arm brutal auf den Rücken gedreht wurde, stieß Jem einen Schrei aus, der jedoch von dem Arm an der Kehle abgewürgt wurde. Das konnte nur...

„Halt dein verschissenes Maul, du Schwuchtel, sonst lass ich dich bluten, wie ein Schwein", hörte er Olivers Stimme an seinem Ohr zischen. Jeremys Alarmglocken begannen Sturm zu läuten.  Der irre Vergewaltiger war wirklich hier! Er wand sich in dem äußerst schmerzhaften Griff und versuchte, den Angreifer anzusehen. Umsonst.

„Was ist? Willst du, dass ich dir den Hals abschneide?" Oliver drehte Jeremys Arm noch weiter um und presste seinen eigenen Arm auf dessen Kehle, sodass Jem kaum zu schlucken wagte. Er atmete angestrengt durch die Nase. „Das hier ist kein Scherz!" Mit den letzten Worten drückte er jetzt das Messer so fest an Jems Hals, dass der merkte, wie es dort das Fleisch verletzte. Er hört auf, sich zu winden und wartete ab, was jetzt geschah. „Wenn du schreist, mach ich dich kalt, klar?"

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now