Teil64

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Gleich nachdem der Glaser angekommen war, machten sich die zwei mit dem Taxi auf in die Stadt. Jeremy wollte ein paar Sachen aus seinem Hotelzimmer holen, vor allem, weil ihm Rufus sein Led Zeppelin T-Shirt weggeschnappt hatte, das er normalerweise nur zum Schlafen anzog und Rufus fuhr direkt weiter zu der Werkstatt, wo er sein Motorrad abholen konnte. Im Hotelfoyer kam Jeremy der Gedanke, dass er bei June vorbeischauen sollte, wenn sie denn da war. Er rief kurz an und tatsächlich war sie in ihrem Zimmer. Sie studierte die Partitur für den Tannhäuser, sagte sie und der Sänger fragte sich, ob er seine künstlerische Arbeit vielleicht zu sehr vernachlässigte, seit er mit Rufus zusammen war. Dann verwarf er den Gedanken gleich wieder, denn erstens konnte er die Partie ganz sicher noch in- und auswendig und zweitens war Rufus die eindeutig beste Inspiration, die man sich vorstellen konnte. Oben öffnete June die Tür, noch bevor er klopfen konnte. „Hi, wie geht's dir?", begann Jeremy, nachdem sie ihn hineingelassen hatte.

„Gut, danke. Nett, dass du mal vorbeikommst. Bist du schon aufgeregt wegen morgen Abend?"

Jeremy hatte noch gar nicht wieder daran gedacht und war etwas überrascht. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es gab leider wieder Probleme."

„Was für Probleme?" June war nicht wenig überrascht. „Doch nicht wieder dieser Erpresser?"

Jeremy musste leider zugeben, dass es so war. Er wollte sie allerdings nicht mehr als unbedingt notwendig beunruhigen, darum erzählte er von den aufgestochenen Reifen, unterschlug jedoch die Tatsache, dass er und Rufus im Raum waren, als der Stein herein flog. Sie war trotzdem nicht wenig entsetzt.

„Wieso kommt die Polizei da nicht weiter?", fragte sie dann.

„Keine Ahnung. Es ist, als habe der Typ Übung darin unterzutauchen. Er benutzt keine Kredit- oder EC- Karten, er ist bei keinem seiner Wohnsitze aufgetaucht. Keine Ahnung, wie er das macht. Er muss genug Bargeld herumschleppen."

„Das klingt nicht, als ginge es dabei um Geld." Sie schaute Jeremy prüfend an.

„Das ist uns längst klar", begann er und erzählte von seiner Vermutung, dass Oliver Rufus für sich beanspruchte. So gesehen war das alles auch kein Fall von Homophobie sondern Eifersucht und Rache.

„Dann müsst ihr vorsichtiger sein", schlug sie vor.

„Da hast du sicher recht, aber das ist nicht der Punkt. Wir lieben uns und wollen uns nicht verstecken."

„Das habe ich inzwischen verstanden. Und so steht es auch in eurem Artikel."

„Hast du den gelesen?"

„Ja sicher. Hübsches Foto übrigens und gut retuschiert." Sie zeigte auf das Tape auf der Nase.

„Ach ja." Jeremy grinste. Inzwischen war das mit der Nase auch nebensächlich.

„Vielleicht lässt du das am Samstag lieber ab, wenn du auf die Bühne musst..." Das war echt süß von ihr, dass sie versuchte, ihm Mut zu machen, aber er glaubte schon nicht mehr daran, dass er da wirklich etwas gewinnen würde. „Ich versuch's", versprach er.

„Geht ihr heute nochmal zur Polizei?", fragte sie dann.

„Nein. Wir fahren auf's Land. Bei Rufus' Bruder findet uns keiner und morgen sind wir rechtzeitig zur Vorstellung zurück."

Als er es so sagte, klang es tatsächlich nach einer guten Lösung, zumindest für die nächste Nacht. Oliver käme wohl kaum auf die Idee in Sommerford aufzutauchen. So dumm konnte er nicht sein.

„Pass auf dich auf", ermahnte ihn June.

„Aber immer doch. Ich passe auf uns beide auf." Damit verabschiedete er sich von ihr und ging, um sein Zeug zu holen.

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now