Teil34

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>>>Kurze Info zum Video und zu Britten/ Pears. Die beiden (Komponist/ Piano und Tenor) waren ein Leben lang ein Paar, als das in England noch strafbar war. Brittens Opern thematisieren unter anderem Außenseiter oder auch Homosexualität. 


Aus irgendeinem Grund fanden sie es albern, wenn sie nicht gemeinsam in die Stadt fahren würden. Jeremy müsste am Nachmittag in der Maske sein und Rufus würde zum Friseur gehen. Sein Haaransatz war inzwischen deutlich und wenn er schon zum Galadiner ginge, dann wollte er perfekt aussehen. Jeremy fand das lustig, denn Rufus wäre auch mit Queerstreifen perfekt, aber Rufus ließ nicht mit sich reden. „Wieso wollen die am Theater überhaupt, dass du sie dunkel färbst?", fragte er neugierig.

„Künstlerische Entscheidung. Sie wollten zwar unbedingt mich, fanden aber, ich sehe in auburn eher aus wie ein Elf im Sommernachtstraum und weniger wie ein Liebhaber."

Jeremy machte ein ungläubiges Gesicht. Die hatten offenbar keine Ahnung.

„Und was kommt als Nächstes?"

„Wenn du die nächste Rolle meinst, da habe ich noch nichts entschieden. Ich kriege von meiner Agentin erstmal Angebote aus den USA geschickt." Rufus strahlte.

„Oh, das ist ... romantisch?" Jeremy war nicht wenig überrascht und deutlich erfreut.

„Das ist hoffentlich praktisch. Ich gehe ein, wenn ich nur daran denke, dass du in New York bist und ich noch zwei Monate hier spiele."

„Jetzt tu' nicht so, das ist romantisch!" Jeremy war nicht nur erfreut, sondern auch gerührt. Rufus war einfach zu ihm gekommen und hatte ihn direkt mit nachhause genommen, ihm schon zu Beginn seine Familie vorgestellt, war bereit, sich für ihn zu verstecken und jetzt das. Was hatte er eigentlich für ihn getan? Er würde bestimmt alles tun. Da war er sich sicher. Dann verstieß er den Gedanken. Auf gar keinen Fall sollten irgendwelche Probleme auftreten, nur damit er beweisen könnte, dass er nicht weniger zu allem bereit war als Rufus. Der hielt ihm jetzt den Motorradhelm hin. „Komm, wir müssen los, sonst kommst du nicht rechtzeitig."

„Du fährst doch sowieso wie so ein Henker", bemerkte Jeremy ironisch.

„Stimmt. Und du stehst drauf. Komm."

Jeremy musste dem Bengel recht geben. Und er stand auch darauf, wenn Rufus den Imperativ benutzte...dammit.

Absolut rechtzeitig kamen sie schließlich am Royal Opera House an. Rufus hielt mit einem eleganten Schlenker und quietschenden Reifen vor der Stage Door. Jeremy nahm den Helm ab. „Kommst du nachher hierher? Du könntest noch den Rest vom 3. Akt sehen." Er wusste, dass es unvorsichtig war, aber er hatte auch keine Lust, sich mehr zu verbiegen als unbedingt nötig. „Ich weiß nicht ob das so gut ist...", wandte Rufus ein, der den gleiche Gedanken hatte. „Scheiß drauf." Jeremy klang entschlossen. „Sag ja."

„Ja. Scheiß drauf." Rufus grinste. Dann schien er hinter Jeremy etwas zu bemerken. „Da winkt einer, du sollst hineinkommen." Jeremy drehte sich um und sah im Eingangsbereich den Pförtner winken.

„Was will der?"

Der Pförtner, ein älterer Herr in rotem Jackett des Hauses, hielt jetzt eine Einkaufstüte hoch. Das machte Jeremy und Rufus neugierig, also gingen sie zu dem Mann. Der nickte ihnen zur Begrüßung zu und legte die Tüte vor sich auf den Tresen. „Verzeihung, Mr. Harrison, Sir", begann er, „aber das ist der Frack, den Mr. Sommerford", er warf einen verstohlenen Blick auf Rufus, „beim letzten Besuch in ihrer Garderobe vergessen hat."

„Oh", war das Erste, was Rufus dazu einfiel, „vielen Dank. Ich habe schon gar nicht mehr daran gedacht." Er nahm die Tüte an sich.

„Wir haben uns erlaubt, ihn zu reinigen", setzte der Pörtner fort.

„Danke." Rufus musste kurz überlegen, dann kam er darauf, dass da womöglich Spuren von Jeremys Bühnen- Make-Up dran waren.

Der Pförtner sah aus, als wolle er noch etwas sagen.

„Danke vielmals", sagte jetzt auch Jeremy und blickte den Mann an.

„Mr. Harrison, Sir", begann der nun erneut, „ich wollte Ihnen noch im Namen des Personals hier sagen, wie unangenehm uns das alles ist."

„Unangenehm?", wiederholte Jeremy gereizt, um sicher zu gehen, ob er richtig verstand. Das fehlte noch, dass man ihn und seinen Freund hier schief anmachen würde!

Rufus türmte sich zu allem bereit neben Jeremy zu voller Größe auf.

„Ja sicher", meinte jetzt der Pförtner, „das ist ein unverzeihlicher Fauxpas, dass man sich so in ihre Privatsphäre einmischt. Alle im Haus möchten sich deutlich davon distanzieren."

Jetzt verstanden Jeremy und Rufus erst, was er meinte. Beide waren erleichtert. 

„Oh danke, Mr..."Jeremy las schnell das Namensschild an dem Jackett, „Morris. Das ist nett, dass Sie uns das sagen."

„Sehr nett", fiel Rufus ein.

„Oh bitte, nein, das sollte selbstverständlich sein. Wir haben hier keine solche Intoleranz erlebt seit...Britten und Pears."

„Sie waren damals schon hier?" Jeremy war jetzt richtig neugierig.

„Oh ja. Mein Vater war hier der Pförtner und ich habe ihn manchmal zur Arbeit begleitet am Abend. Wegen der Musik."

„Das ist toll", fand Rufus.

„Das war das Beste, das können Sie mir glauben." Mr. Morris war deutlich erleichtert über den gelungenen Themawechsel.

„Da haben Sie bestimmt viel gehört und erlebt. Das müssen Sie mal erzählen." Jeremy meinte es absolut ehrlich. Gern würde er hören, was der ältere Herr schon erlebt hatte.

„Das ist schön. Da freue ich mich. Aber Sie müssen jetzt wirklich in die Garderobe, Mr. Harrison. Die warten schon."

Jeremy nickte. Es war höchste Zeit. „Gut. Dann bis später", sagte er zu Rufus und gab ihm jetzt glatt einen Abschiedskuss auf die Wange, „Und Ihnen nochmals vielen Dank, Mr. Morris und richten Sie dem Rest des Personals aus, dass ich... dass wir uns sehr gefreut haben." Dann verschwand Jeremy in Richtung Garderobe. Rufus winkte nochmal und nickte zum Abschied dem Pförtner zu. „Danke Mr. Morris."

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now