Teil70

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Rufus war gut im Text lernen. Normalerweise jedenfalls, aber seit er mit Jeremy zusammen war, war so manches nicht mehr wie vorher. In Jeremys Garderobe war jedenfalls nicht ernsthaft an neuen Text zu denken, solange Jeremy sich umzog und zu Peter Grimes wurde. Jeremy tat überhaupt nichts, außer eben sich umziehen, aber Rufus musste den Blick immer wieder auf ihn richten, seine Schultern, seinen Rücken und ja, seinen Po. Wie er sich bewegte, wenn er sich unbeobachtet fühlte, was ein klarer Trugschluss war, dachte Rufus mit einem Grinsen, war einfach männlich. Man konnte sehen, welche Kraft er hatte, auch wenn er nicht gewohnt war sie einzusetzen. Und er vergaß, den angeblich vorhandenen Bauch einzuziehen. Rufus kamen die Erinnerungen an ihr erstes Mal genau hier, als er noch gar keine Ahnung hatte, auf wen er sich da einlassen würde und er einfach auf volles Risiko gegangen war. Jeremy merkte nichts und stieg im Profi-Modus in sein Fischerkostüm, aber Rufus tat nur so, als würde er lesen. Oh Zeus! Zudem überlegte er, oder versuchte es, wie er wohl seiner Agentin erklären sollte, dass er den Job am Donmar frühzeitig hinschmeißen musste. Die Veränderung seiner persönlichen Lebensumstände, wie man so schön sagte, war sicherlich ein guter Grund. Von Oliver müsste er gar nichts erwähnen. Er war jetzt mit einem Amerikaner zusammen und wollte bei ihm sein, wenn er zurück in die USA ging. Jeremy sieht auch in Gummistiefeln total heiß aus...ich sollte ihm welche kaufen. Bestimmt regnet es mal in New York oder in Sommerford sowieso... Er versuchte sich zu konzentrieren, was erst gelang, nachdem Jeremy mit einem Abschiedskuss in die Maske gegangen war. Ru telefonierte mit seiner Agentin. Die war zwar als Agentin wegen des Jobs nicht begeistert, gratulierte ihm aber zu den tollen Neuigkeiten. Rufus versicherte, dass er und Jem nach New York nach London zurückkehren würden, also hatte er natürlich vor, sich weiterhin von ihr vertreten zu lassen und sie solle ihm entsprechende Angebote schicken. Dann wiederum war es Zeit, dass er sich in Richtung Theater aufmachte. Er ging gern dorthin und es würde ihm alles andere als leicht fallen, den Job dort dranzugeben, aber was Jeremy gesagt hatte, war nur allzu wahr. Wochen ohne Jeremy wären unerträglich und solange Oliver frei herumlief, wäre keiner sicher. Am besten würde er direkt mit seinem Understudy und dem Regisseur reden...

Nach der Vorstellung ging er direkt zum Royal Opera House. Er war achtete darauf, dass er weder beobachtet wurde, noch folgte ihm jemand. Das würde er bemerken. Im Haus kannte er sich inzwischen problemlos aus und man ließ ihn auch völlig selbstverständlich überall durch. Rufus grüßte jeden, den er kannte und wechselte auch ein paar Worte mit June, die hinter der Bühne auf ihren Auftritt wartete. Er wünschte ihr Glück für den morgigen Abend, dann musste sie raus für die vorletzte Szene. Jeremy sang und spielte als wäre es zum ersten Mal und Rufus fragte sich, ob es überhaupt möglich wäre, dass ein anderer ebenso gut oder gar besser wäre. Jeremy musste diesen Preis einfach bekommen oder es ginge nicht mit rechten Dingen zu. Und dann diese Gummistiefel...

Als der Schlussapplaus endlich verebbte und Jeremy zu ihm kam, hatte er doch irgendwas bemerkt. Er umarmte ihn wie gewohnt, schaute ihm aber fragend in die Augen. „Was ist heute los? Du schaust mich dauernd an?" Rufus grinste, weil er sich ertappt fühlte. „Du hast mich erwischt", gab er zu, „ich find' dich eben sexy."

„In Latzhose und Gummistiefeln?"

„Wenn du wüsstest!"

Jeremy lachte. Rufus lachte mit.

„Was ist, sehen wir zu, dass wir hier wegkommen?", schlug Rufus dann vor.

„Na, so schnell es geht", fand Jem und ging vorweg zur Garderobe. Rufus kam hinterher und starrte in der Garderobe konzentriert an die Decke, während er Jeremy erzählte, was er mit seiner Agentin und mit dem Theater verabredet hatte. „Das heißt dann, dass wir etwas zu feiern haben!", stellte Jeremy fest, „Du kommst mit nach New York und ich kann da endlich mit dir angeben!"

„Woran hattest du da gedacht?", fragte Rufus mit eindeutig zweideutigem Ton.

Jeremy war schon fast umgezogen, wie Rufus mit einem kurzen Blick feststellte.

„Oh, ich wüsste da was, was du dir gestern Abend gewünscht hast..." Jeremy zog noch einen Hoodie über, dann kam er zu Rufus und küsste ihn. Rufus küsste zurück und wünschte sich, dass sie schon in Hampstead wären. 

„Mmmm. Was ist das?", bemerkte Jeremy gleich nach dem Kuss. 

„Saurer Apfel. Himbeer war alle."

„Gefällt mir."

„Mir auch."

„Komm jetzt."

„Alles, was du sagst."

Rufus schnappte sich die Motorradjacken, warf Jeremy seine zu, zog sich seine über und dann ging es endlich raus und weg und nachhause. Rufus fuhr zügig, wie immer und legte den üblichen Zwischenstopp in Camden ein. Jeremy wartete auf dem Motorrad und bemerkte dann, dass Rufus mehr als sonst eingekauft hatte. „Warum so viel?", wollte er kurz wissen.

„Die Wachmänner haben vielleicht auch Hunger."

Jeremy schaute, als habe er die vergessen. „Ach ja." Mit etwas Glück wären die Wachmänner völlig unattraktiv und er würde nicht an den Witz von vorhin denken müssen, wenn er sie traf.

Dann ging die Fahrt weiter. 

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now