Teil92

574 73 11
                                    

Jeremys Zeitgefühl war noch immer nicht das Beste und er bekam wieder Kopfschmerzen, aber es war ihm egal. Verglichen mit Rufus hatte er kaum einen Kratzer und würde deshalb ganz bestimmt keinen Aufriss machen. Er nahm eine Tablette, dann ging er zum Fenster. Draußen harkte Hopkins noch immer den Kies im Hof, oder vielmehr, nachdem der Wagen mit Miss Perkins fort war, harkte er dort nochmal. Jeremy kam der Gedanke, ob es helfen würde, wenn er sich auch eine Beschäftigung suchte. Vielleicht nicht gerade harken. Er konnte ja nicht nur herumlungern und warten. Also beschloss er, sich um das Telefonat mit Peter zu kümmern. Ein neues Handy würden er und Ru auch brauchen, fiel ihm ein, als er den Hörer vom Hausapparat abnahm und Peters Nummer wählte.

„Hallo, Peter, ich bin's."

„Jeremy! Gut, dass du dich wieder meldest, wie geht's euch? Gibt's was Neues?"

Jeremy stand nicht der Sinn nach langen Erklärungen oder Mitleid. Also fasste er sich kurz. Dann kam er zum springenden Punkt, nämlich der neuen Taktik, um Oliver endlich zu fassen und der damit verbundenen Pressemitteilung. Peter schien bemerkt zu haben, dass Jeremy sich ausweichend verhielt, denn er wirkte kurz irritiert, dann jedoch entschied er sich zu professionellem Verhalten und versprach, einen Entwurf dieser Mitteilung in spätestens einer Stunde zur Ansicht zu schicken. Jeremy bedankte sich. „Du bist echt der Beste, Peter", fügte er hinzu, denn indem der sich jetzt auf das Wesentliche beschränkte, verhielt sich Peter im Grunde gerade wie ein echter Freund. „Keine Ursache", kam es zurück und „gute Besserung."

„Werde ich ausrichten."

„Auch für dich."

„Danke. Bye."

„Bye."

Jetzt, wo das erledigt war, hieß es wohl wieder warten. Rufus kam aus dem Bad, lächelte tapfer, aber Jem sah ihm an, dass er geweint hatte. „Wegen mir musst du nicht tapfer sein", sagte er leise.

„Ich halt's besser aus, wenn ich tapfer bin."

Jeremy nickte. Ja, so kannte er seinen Liebsten. „Komm, lass uns zusammen tapfer sein", schlug er dann vor und so legten sie sich gemeinsam auf dem Bett hin. Jeremy lehnte sich am Kopfende an einem Berg von Kissen an, Rufus hielt er im Arm, so dass der seinen Kopf auf Jeremys Brust legen konnte. „Schlaf ein wenig, ich passe auf", raunte Jem, strich Rufus beruhigend mit einer Hand über die Locken und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Rufus hielt sich an seinem Hemd fest.

„Ich hab' das vorhin ernst gemeint", sagte er dann leise und ein bisschen trotzig, „ich bin kein Greis und auch kein Kind."

„Das weiß ich doch. Aber du bist... verletzt."

Rufus seufzte. „Du kapierst nicht, oder?"

„Was kapier ich nicht?"

„Was ist, wenn wir keinen Sex mehr haben können?"

Oh, dammit. „Ist das dein Ernst? Das ist doch jetzt erstmal überhaupt nicht wichtig."

„Aber irgendwann ist es das wieder. Was ist dann?"

Jeremy überlegte. „Na, dann lernen wir das eben neu. Es wird keine sechs Jahre dauern. Solange hab' ich schon mal ausgehalten, wenn du dich erinnerst."

„Du bist ein Spinner." Rufus musste tatsächlich ein wenig lachen bei der Erwähnung von Jems vergangenem Zölibat. „Was wird aus mir?", fragte er jetzt gespielt entrüstet.

„Oh, du bist in sechs Jahren noch jung genug für mich..." Jeremy grinste. Tapfer sein hieß offenbar den Humor nicht zu verlieren. Dann kam ihm die Idee. „Wir gehen das langsam an und du kriegst ein safe word."

Rufus runzelte halb kritisch, halb ungläubig die Nase. „Das haben wir doch noch nie gebraucht."

„Nein, aber ich halte das für eine gute Idee, nur um sicher zu sein, dass wi-... dass ich nicht zu weit gehe."

Jeremy pustete Rufus sanft ins Haar, ein bisschen mehr als das, sollten sie schon irgendwann wieder tun. Rufus rückte ein wenig an ihm hoch und schaute ihm in die Augen. „Du hältst das echt für 'ne gute Idee?"

„Ja, sicher. Wenn dir irgendwas nicht gefällt, wenn es noch zu früh ist, dann benutzt du das Wort und ich hör auf oder tu einfach gar nichts, bis du sagst, dass es wieder okay ist."

„Ein safe word, safe word...", Ru schien die Aussprache und die Idee auszuprobieren. „Also schön", sagt er schließlich, „dann such' eins aus."

„Es muss deins sein. Irgendwas, was du sonst beim Sex nicht sagen würdest, außer eben, wenn..."

„Schon klar. Wie wär's mit... Pfefferminz. Ich hasse Pfefferminz."

„Das klingt gut. Die kann ich auch nicht ausstehen."

„Dann nimmst du das auch- Nein, du brauchst natürlich ein eigenes Wort. Nimm 'was anderes Doofes."

Jeremy kam leicht ins Grübeln. „Etwas anderes als Pfefferminz... Hmmm, ich nehme Schwanensee."

„Schwanensee?", fragte Ru überrascht, „Ich wusste nicht, dass du das nicht magst."

„Na, eigentlich schon, aber ich hatte mal einen ganz furchtbaren Abend in einer ganz scheußlichen Inszenierung. Immer, wenn ich mich daran erinnere, krieg' ich zu viel. Ich nehme Schwanensee."

Schwanensee. So soll es sein. Wie wär's wenn wir jetzt zumindest 'n bisschen knutschen."

„Aber nur ein winziges Bisschen..."

„Na, dann komm auch."

„Nichts lieber als das..."

Jeremy beugte sich sachte zu Rufus hinunter, sodass sie sich küssen konnten. Rufus legte ihm eine Hand an den Hinterkopf, ganz vorsichtig und zog ihn sanft zu sich. Seine Lippen fühlten sich natürlich warm und weich an und wie seine, Rufus', Lippen und es war schön. Jeremy schloss die Augen...

No lies, keine LügenOnde histórias criam vida. Descubra agora