Teil45

723 75 12
                                    

Nachdem June und Peter gegangen waren, atmete Rufus als Erster erleichtert auf. Er schaute sogleich zu Jeremy, dem es wohl auch so ging und lächelte ein bisschen, einfach nur um ihm zu zeigen, dass er zu ihm hielt.

„Es tut mir leid, das ist alles meine Schuld", sagte Jeremy dann.

Rufus blinzelte überrascht und meinte halb ironisch, „Welcher Teil? Das ist doch wohl mein  arschiger Ex- Freund, der hier alle in Aufruhr versetzt."

„Das ist es nicht und trotzdem alles, irgendwie. Du warst nur meinetwegen überhaupt bei der Gala und wir müssten diese ganze Spießrutenlauferei nicht machen, wenn ich mich outen könnte." Jeremy sagte das nicht nur so, er klang auch zutiefst reuevoll. „Und abgesehen davon macht es mich ganz krank, wenn du diesen Typen Ex-Freund nennst." Rufus nickte nur und wusste selbst nicht, was ihn trauriger machte: Die Tatsache, dass es Jeremy so leid tat oder der Umstand, dass er ihm nicht helfen konnte. Jedenfalls nicht, solange sie sich erneut auf ein Stillschweigen in Bezug auf ihre Liebe eingelassen hatten. Ebenso wenig wusste er, was Olivers Auftreten nun eigentlich mit ihm selbst tat. Es fühlte sich an, als würden alte Wunden aufgerissen, als würde er an einem Abgrund stehen und könnte den Boden tief unten nicht sehen. Ex-Freund? Ex-? „Mach dir nicht so viel daraus", versuchte er dann zu trösten, „du konntest nicht wissen, dass das solche Komplikationen gibt. Und ich habe keine Ahnung, wie ich Oliver sonst nennen soll. Ich will ihn einfach nur vergessen."

Jeremy lächelte jetzt auch ein bisschen. „Habe ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?", fragte er dann und schaute Rufus voll aufrichtiger Zärtlichkeit an.

Rufus schaute ebenso zurück. „Du hast zugegeben, dass du meine Pancakes gegessen hast, obwohl die scheußlich waren", sagte er dann im Scherz, „das nehme ich als Liebeserklärung."

„Oh, das ist gut. Dann bist du dran", reizte Jeremy zurück.

Rufus lächelte wieder und trat an Jeremy heran, um ihn zu küssen. Er legte eine Hand um seine Hüfte, die andere legt er ihm in den Nacken. Jeremy schloss erwartungsvoll die Augen und öffnete die Lippen. Rufus küsste ihm erst die Oberlippe, dann die Unterlippe und schließlich gab er ihm einen zärtlichen und liebevollen Kuss, der gar nicht enden wollte. Rufus küsste ihn wie keinen anderen zuvor, das war Jeremy absolut klar. Und es war ihm auch egal, wie viele Frösche Rufus geküsst hatte, bis er seinen Prinzen gefunden hatte. Er gab sich dem Zungenspiel und dem Hauch von Himbeer völlig hin und nahm jetzt Rus Gesicht in seine Hände, um ihn besser zurückküssen zu können. „Ich nehme das auch als Liebeserklärung", hauchte er, als sie kurz voneinander abließen. Rufus strahlte. Jeremy ebenso. „Es ist unglaublich, wie schön du bist", sagte er dann. Rufus war nicht wenig überrascht und schaute leicht irritiert. „So hat mich noch keiner genannt."

„Aber wie kann das sein? Waren die so blind und dumm?" Jeremy konnte es wirklich nicht glauben.

„Ich... ich weiß nicht. Warum sagst du das?"

„Na, weil es wahr ist. Ich weiß auch, dass Männer in der Regel attraktiv oder gut aussehend genannt werden, aber das ist zu wenig für dich. Du siehst nicht nur umwerfend aus, du bist auch etwas ganz Besonderes und damit meine ich dein ganzes Wesen, wie du bist, was du tust, wie du es tust. Du bist unglaublich schön." Jeremy war jetzt über seine eigenen Worte erstaunt. Es war nicht so, als hätte er sich darüber lange Gedanken gemacht, oder sich die Worte in irgendeiner Weise zurechtgelegt. Sie kamen jetzt einfach so und sie beschrieben Rufus tatsächlich. Und wenn das vorher noch niemand zu ihm gesagt hatte, dann mussten alle seine bisherigen Liebhaber viel zu oberflächlich hingeschaut haben. Nicht blind für sein Äußeres, aber blind für sein Innerstes. Rufus hörte ihm zu und war wie vom Donner gerührt. Ihm war längst klar, dass Jeremy ihm sehr viel mehr bedeutete, als je ein anderer zuvor. Ihm war auch klar, dass er gar nicht geglaubt hatte, dass es überhaupt möglich war, sich so schnell und doch so wahrhaftig in einen anderen Menschen zu verlieben. Was er so nicht für möglich gehalten hatte war, dass jemand diese Art von Gefühlen für ihn erwidern würde. Für ihn. Ausgerechnet. Ihm wurde regelrecht schwindelig, wenn er an all die Irrwege und Sackgassen dachte, die er bis vor kurzem gegangen war. Und jetzt schien plötzlich alles so klar und einfach. Jeremy war für ihn und er war für Jeremy. Aber wie sollte er das sagen? Er wusste es nicht anders und zog Jeremy abermals zu sich, um ihn zu küssen. Dieses Mal legte er seine Hände in Jeremys Haar und strich ihm erst mit der einen Hand zärtlich über die Wange, bevor er sein Kinn etwas für den Kuss anhob. Jeremys Lippen waren noch warm vom ersten Kuss und Rufus ließ seine Zunge erst über sie streichen, bevor er um Einlass bat. Er schloss die Augen als Jeremy begann, den Kuss zu erwidern und sich ihre Zungen sanft und ohne Eile trafen. Das Gefühl, wenn sie so küssten, war überwältigend. Es ging dabei nicht um Lust oder Hingabe, sondern um den Austausch von Zärtlichkeit als Ausdruck ihrer Verbundenheit.

„Ich will nur eins, dich glücklich machen", flüsterte Rufus.

„Du machst mich glücklich", antwortete Jeremy.

Sie küssten wieder und wieder, bis man irgendwann eine Tür auf dem Gang hörte. Das musste June sein, die ihr Zimmer verließ, um hinüber zur Oper zu gehen. Es wurde Zeit für die Vorbereitung auf die nächste Aufführung. Jeremy lächelte etwas reuevoll. „Es wird Zeit", sagte er dann.

„Ja, du hast recht." Rufus gab ihm noch einen Kuss auf die Wange. „Dann hole ich dich nachher wieder ab?"

„Ich kann es kaum erwarten. Viel Erfolg für heute Abend."

„Dir auch."

Dann verabschiedeten sie sich. Jeremy ging vor, Rufus folgte nach ein paar Minuten. Sie wollten nicht riskieren, dass man sah, wie sie gemeinsam aus einem Hotelzimmer kamen. 

No lies, keine LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt