Der erste Schultag

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Ich werde durch ein leichtes Klopfen an meiner Tür wach. Ein dumpfes "Mhh"  ist das einzige, was ich von mir geben kann. Ich konnte gestern Abend einfach nicht einschlafen. Es fühlte sich zu fremd an, die Geräuschkulisse war so anders als zu Hause.

Ich stehe auf, nehme mir eine Jeans und einen Pullover aus dem Schrank und gehe ins Bad. Ich stelle die Dusche an und betrachte mich im Spiegel. Ich sehe zum Glück gar nicht so müde aus, wie ich mich fühle. Unter der Dusche träume ich vor mich hin, genieße das konstant warme Wasser. Bei uns war es jeden Morgen aufs neue eine Überraschung, ob das Wasser warm oder kalt sein würde.  

Als ich frisch geduscht nach unten komme, stehen Müsli und Milch für mich bereit. Melinda ist so früh am Morgen schon ziemlich aktiv. „Ich wusste nicht, ob du morgens etwas isst. Hier ist ein bisschen Geld für die Pause.", sagt sie und reicht mir ein paar Dollar. „Danke, das ist nett von dir.", sage ich und stecke sie ein. „Wie wäre es, wenn wir heute Abend zusammen essen und uns ein bisschen besser kennenlernen?", fragt sie unsicher. Auch wenn ich keine Lust darauf habe, nicke ich, denn Melinda meint es nur gut.  Lustlos kaue ich auf meinem Müsli herum, während sie etwas für das Café vorbereitet. Ich verstehe noch nicht ganz, wie so etwas hier gut laufen kann. Die Häuser drum herum sahen alle nicht so schick aus und die Gegend ist nicht gerade für ihre wirtschaftliche Stabilität bekannt.

Als ich fertig bin, mache ich mich auf den Weg zu meiner neuen Schule. Ich bin sehr nervös und mir wird immer übler zumute. Vielleicht sollte ich einfach nicht hingehen und den Tag im Einkaufszentrum verbringen? Melinda würde es sicher nicht merken. 

Ich muss mich zusammenreißen, es darf auf der neuen Schule nicht so beginnen, wie es auf der alten geendet hat. Nach 15 Minuten Fußweg bin ich da. Sie ist ziemlich groß und gar nicht so runtergekommen, wie erwartet. An der Eingangstür stehen Detektoren und ich gebe meine Tasche einem Mann von der Security. Das fühlt sich schon eher nach zu Hause an. Als ich meine Tasche wiederbekomme und weitergehe, merke ich, dass ich keine Ahnung habe, wo ich hingehen soll. Ich sehe ein Schild mit der Aufschrift „Sekretariat" und folge dem Pfeil. Die Leute starren mich auf dem Weg dahin an und ich versuche ihre Blicke zu ignorieren.

Dort angekommen sitzt eine alte Frau hinter einem Bildschirm und sieht mich ausdruckslos an. „Ich... ich bin Maria Iwan. Ich bin neu hier.", stammle ich vor mich hin. Sie nickt, tippt aggressiv auf ihrer Tastatur und der Drucker beginnt zu piepsen. Sie gibt mir ein Blatt, auf dem mein Stundenplan steht und einen Raumplan. Ich gehe raus und versuche mich zu orientieren. Mein erstes Fach lautet Kunst & Kultur  Wo bitte bin ich hier nur gelandet?! Ich gehe in den ersten Stock und biege den Flur rechts ab. Ganz am Ende kommt soll ein großer Raum sein, in dem dieses Fach unterrichtet wird. Ich bin ein bisschen spät dran, die Stunde hat schon begonnen. Super, gleich werden mich sicher alle anstarren.

Ich klopfe an der Tür und höre keine Reaktion. Ich öffne sie trotzdem und mich schauen ungefähr 20 Schüler und ein jüngerer Lehrer mit Hipster-Brille an. Er lächelt und sagt: „Sie müssen Maria sein." Ich nicke. „Kommen Sie herein. Leute, das ist eure neue Mitschülerin Maria." Ich trete ein Stück in den Raum hinein und bemerke, dass sie alle in Paaren zusammensitzen. „Maria, wir haben letzte Woche mit einem Projekt begonnen. Ihr sollt euch eine Statue oder etwas ähnliches suchen, die Geschichte dahinter ergründen und sie nachstellen." Aha. „Was für ein Glück, wir haben noch ein unvollständiges Paar übrig. Bitte setz dich doch zu Ben in die vierte Reihe." Ich drehe mich um, um zu sehen, wer Ben ist. Er sitzt gelangweilt auf seinem Stuhl, die Kapuze seines Pullovers ins Gesicht gezogen und spielt mit den Bändern herum. Auch wenn er sitzt, sehe ich, dass er  groß und muskulös ist. Unter der Kapuze schauen dunkle Haare hervor und als er seinen Namen hört, blickt er auf und mich starren zwei leuchtend grüne Augen an.  Doch auch wenn diese Augen ziemlich schön sind, sind sie ebenso Angst einflößend. Er mustert mich ausdruckslos und ich ärgere mich, nicht doch einfach zum Einkaufszentrum gefahren zu sein. 

"Na ganz klasse.", flüstere ich mir selbst zu, als ich auf Reihe vier zulaufe.  

Sobald ich sitze, setzen alle ihre Arbeit fort.

Trust me, I am a Bad Boy. / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt