Positiv

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Glücklicherweise behielt Kendra recht und nach einem Tag in der Schule war es fast so, als wäre ich nie weg gewesen. 

Jeden Abend hole ich Themen nach, die ich verpasst habe und Melinda war am Freitag bei meinem Direktor, um mit ihm über meine Defizite zu sprechen. S

Sie hat vorgeschlagen, eine Nachhilfe für mich zu suchen, mit der ich an den Wochenenden lernen kann und der Direktor war begeistert. Ich glaube nicht nur von der Idee, sondern von Melinda allgemein. 

Jetzt, an einem Samstagabend, sitze ich hier mit Kendra auf ihrem Bett und wir schauen uns Youtube-Videos an. Vor uns liegen geöffnete Pizzakartons, beide eine Cola in der Hand. 

Es ist genau das, was ich gebraucht habe und zufrieden präge ich mir dieses Bild noch einmal bewusst ein. 

Im Laufe der Woche habe ich nichts mehr von Ben gehört und er stand auch nicht vor unserer Tür. Vielleicht hatte er es endlich aufgegeben. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Einerseits wollte ich genau das, andererseits hatte ich gehofft, es würde länger als eine Woche dauern, um über mich hinweg zu kommen. 

"Schau dir diese Katze an", sagt Kendra und zeigt auf die Katze, die in einer Schüssel voller Kuchenteig sitzt. 

Wir müssen lachen. 

Plötzlich verzieht Kendra das Gesicht und ich schaue sie fragend an. Sie lässt sich zurückfallen. "Ich bekomme meine Tage und es fühlt sich an, als würde mir jemand andauernd in den Bauch treten" Ich will gerade sagen, dass ich das Gefühl gut kenne, als mir auffällt, dass ich meine Tage schon lange nicht mehr bekommen habe. 

Sie sieht meinen entsetzten Gesichtsausdruck und setzt sich sofort auf.

 "Was ist los?", fragt sie mit großen Augen.

"Ich....", mehr sage ich nicht. Ich öffne meinen Kalender und suche den letzten Eintrag. Er liegt fast sieben Wochen zurück. Hitze und Panik steigen in mir auf. 

"Ich... ich bin drüber. Ich habe meine Tage nicht bekommen", sage ich apathisch. 

"Oh...mein...Gott.", ruft Kendra und hält sich die Hand vor den Mund. 

"Was...", wieder breche ich ab. 

"Ich hab einen Test hier", Kendra springt auf und durchwühlt die Schublade in ihrem Kleiderschrank. Ich brauche einen kurzen Moment, bis ich verstehe, was für einen Test sie meint. Triumphierend hält sie ihn in die Höhe. "Den habe ich mal gekauft und dann doch nicht mehr gebraucht"

 Ich halte mir die Hände vor mein Gesicht und mein Magen zieht sich zusammen. Mir wird schlecht. "Das kann doch nicht sein, oder?", frage ich unsicher. "Alles ist möglich, mein Schatz. Aber du solltest erstmal den Test machen" 

"Wie lange noch?", frage ich. "Es sind erst 10 Sekunden vergangen, seit dem du gefragt hast", sagt Kendra genervt. 

Noch nie kamen mir drei Minuten so lange vor. Als der Timer klingelt, drehe ich den Test um. Kendra hält den Beipackzettel mit den genauen Angaben daneben und wir brauchen eine Weile, bis wir verstehen, was da steht. "Er ist...", flüstert Kendra. "Positiv", beende ich ihren Satz und übergebe mich anschließend in die Toilette. 

"Ist alles in Ordnung?", fragt Kendra zehn Minuten später. Ich antworte nicht, sondern taumle in ihr Zimmer. 

"Das kann nicht wahr sein, das darf nicht wahr sein", sage ich und starre ins Leere. "Wir haben doch verhütet" 

Sie lehnt im Türrahmen. "Manchmal passiert sowas auch trotz Verhütung" 

Sie kommt zu mir und umarmt mich. Ich lege meinen Kopf an ihre Brust und fange an zu weinen. "Ich habe mich gerade dafür entschieden, mein eigenes Leben zu leben. Ich wollte frei und unabhängig sein, ich wollte ihn vergessen" 

Ich schluchze in ihren Armen, kann mich kaum beruhigen und irgendwann bin ich so erschöpft, dass ich einfach einschlafe. 

Als ich am nächsten Morgen erwache, kommt mir alles vor wie ein Traum. Es braucht nur wenige Sekunde, bis mir klar wird, dass das gestern wirklich passiert ist. Kendra schläft neben mir tief und fest und ich bleibe eine Weile so liegen. 

Verzweifelt versuche ich meine Gedanken zu greifen, die wie verrückt in meinem Kopf herumschwirren. Ich weiß nicht einmal, was ich fühlen soll. Das größte Problem ist, dass ich den enormen Drang verspüre, Ben anzurufen. Meine eigentlich engste Bezugsperson... 

 Ich werde schwach und nehme mein Handy in die Hand. Er war zuletzt um 3 Uhr nachts online. Er hat sein Profilbild gewechselt und hat nun ein Foto von sich in schwarz-weiß drin. Ich frage mich, wie er uns gerade sieht und ob wir in seinen Augen getrennt sind. 

Wie würde er überhaupt reagieren, wenn ich ihm erzähle, was los ist?

"Guten Morgen", reißt mich eine verschlafene Kendra aus meinen Gedanken. 

Beim Frühstück bekomme ich kaum etwas runter, doch ich spüre, wie schwummrig mir ist und dass ich dringend etwas essen sollte.

Kendra hat kein Wort über das, was gestern Abend passiert ist, gesagt. Wahrscheinlich war sie sich unsicher, ob ich bereit dazu war, darüber zu sprechen. Ich bin ihr dankbar dafür, denn ich brauche erstmal Zeit für mich, um das alles zu realisieren. 

Als ich zu Hause auf meinem Bett liege, ist es unerträglich ruhig. Meine Gedanken schreien mich an und ich brauche Musik, um sie zu regulieren.  

Ich recherchiere online über Schwangerschaften, Möglichkeiten, junge Mütter und und und... Als ich den vierten Link anklicke, wird mir eine Unterkunft ganz in der Nähe angezeigt. Es ist eine spezielle Unterkunft für junge, werdende Mütter, die diese bei allem unterstützt. Man hat die Möglichkeit, den Abschluss zu machen, man lernt wie man mit Babys umgeht und wie man seinen Alltag meistert. Die Unterkunft klingt ziemlich gut und ich füge den Link zu meinen Favoriten hinzu. Es folgen weitere über Ernährung, Ratgeber wie man mit seinen Verwandten darüber sprechen soll und süße Babykleidung. 

Letzte Nacht wusste ich noch nicht einmal, ob ich dieses Kind haben möchte und jetzt schaue ich mir Kleidung an. Mein Gehirn spielt wohl schon verrückt. 

Als Melinda mich am Abend zum Essen ruft, werde ich nervös. 

Ich habe so viele Geheimnisse, dass ich Angst habe, mir könne man mittlerweile etwas ansehen.

 Ich komme die Treppe runter und auf dem Tisch stehen zwei Teller mit Pizza. "Ich bin auf dem Weg nach Hause an einer Pizzeria vorbeigekommen, die neu eröffnet hat und dachte, wir probieren sie mal aus", erklärt Melinda. 

"Riecht auf jeden Fall gut", schwärme ich und atme den Duft von heißem Käse ein. 

Wir setzen uns und sie schüttet mir ein Glas Wein ein. Sofort stockt mir der Atem. "Ähm... für mich heute nicht, danke", sage ich. 

Sie schaut mich fragend an, dann lacht sie.

 "Du hast wohl gestern schon zu viel bei Kendra gehabt, mh?" Sie zwinkert mir zu und ich lache verlegen. 

"Na gut, dann lass es dir schmecken", sagt sie und nimmt das erste Stück ihrer Pizza. Wir essen schweigend. Eigentlich schmeckt die Pizza sehr gut, nur ist mir der Appetit seit gestern komplett vergangen. 

"Ist alles in Ordnung?", fragt Melinda, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Ich zucke zusammen, was nicht unbemerkt bleibt und ich frage mich, wie ich aus der Nummer wieder rauskommen soll.

"Maria...", sagt sie sanft und erst jetzt bemerke ich, dass mir Tränen über die Wangen laufen. Es ist zu groß, dieses Geheimnis ist zu groß und zu schwer. 

Und das ist der Moment, in dem ich zusammenbreche... 


Trust me, I am a Bad Boy. / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt