Shut down

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Ben POV

Wir parken gerade vor der Lagerhalle. Die Situation ist so angespannt, dass niemand etwas sagt. Ich steige aus und als wir die beiden aus dem Wagen holen, fängt der kleine an zu weinen. „Tut mir Leid.", sagt die Frau verängstigt. „Ist ok, beruhige ihn. Er sollte draußen bleiben. Einer von uns wird auf ihn aufpassen." Sie schaut mich abschätzig an und auch die anderen sind verwirrt. Ich gehe an ihnen vorbei und flüstere: „Wollt ihr einem Kleinkind wirklich antun, einen wochenlang gefolterten Mann zu sehen?" Cem fährt sich durchs Haar. "Fuck, ok. Ich passe auf den Jungen auf."

Wir gehen rein. Mirko ist wach und sieht uns sofort. Er lächelt, dieser Bastard lächelt. „Ihr seid aber schnell wieder zurück.", sagt er. Ich setze mich wie schon so oft vor ihn, die anderen bleiben hinter uns stehen. Ich höre, wie die Frau anfängt zu weinen. „Also, wen haben wir hier für dich hergebracht?", frage ich ihn ruhig. Er sieht mich eindringlich an und das gefällt mir nicht. „Nicht für mich, sondern für dich. Diese Schönheit ist mein Friedensangebot für dich. Du wolltest jeden haben, der an dem Unfall beteiligt war." Seine Stimme ist selbst nach so langer Zeit noch voller Selbstbewusstsein. Dieser Mann ist unkaputtbar, jedenfalls denkt er das. "Achja? Und inwiefern soll eine Mutter mit Kind daran beteiligt gewesen sein?" Ich lehne mich zurück, spiele mit meiner Waffe. Auf die Antwort bin ich gespannt. "Ich wusste, dass deine kleine schwanger war. Na und woher wusste ich das? Von ihr.", sagt er und deutet auf die Frau. "Sie war zur gleichen Zeit schwanger mit meinem Sohn und die beiden haben sich beim Frauenarzt getroffen. Weiber halt.", lacht er. "Meine liebe Jessi da hinten hat deine Freundin sofort erkannt. Sie war so brav, mir von ihrer Erkenntnis zu erzählen und eins kam zum anderen. Wie gesagt, es war nicht geplant, aber als ich sie sah, kam mir dieser Geistesblitz. Da du jeden Namen derer haben möchtest, die an dem Unfall beteiligt waren, fangen wir bei der Person an, mit der alles begann: Jessica Gonzales. Bitte, töte sie." Wieder lacht er. Dieser Typ ist krank und mir wird schlecht, wenn ich ihm noch weiter zuhören muss.

Ich laufe an den anderen vorbei an die frische Luft. Ich sehe aus dem Augenwinkel Jessicas verheultes Gesicht. Sie bricht fast zusammen, doch Hunter stützt sie. Als ich draußen bin, sehe ich Cem, der mit dem Jungen spielt. Das ist der Junge des Teufels und seine Mutter hat meine Freundin an den Teufel verraten. Ich gehe um die Lagerhalle herum, zünde mir eine Zigarette an und schaue in die Ferne. Meine Hände zittern vor Wut und je mehr ich darüber nachdenke, was Mirko mir gerade gesagt hat, desto schlimmer wird es. Diese Welt ist so abgefuckt. David kommt um die Ecke und setzt sich zu mir. Wir schweigen und starren in die Ferne.

"Was wirst du jetzt tun?", fragt er in die Stille hinein. Ich puste den Rauch seitlich weg und räuspere mich. "Beide töten.", sage ich. "Ben...", will er ansetzen doch ich stehe auf und werfe meine Zigarette weg. Ich kann ihr nicht verzeihen, auch wenn sie eine Frau ist. Kurz vorm Eingang holt er mich ein und zieht mich zurück. "Atme erstmal durch, man. Sieh zur Seite. Los!", brüllt er und ich folge seinem Blick. "Sie hat einen Sohn. Diese kleine Kerl ist in unsere Welt hineingeboren worden und da kann er nichts für. Nimm ihm nicht seine Mutter." Seine Stimme klingt flehend und erst jetzt wird mir bewusst, dass das Thema sowohl für mich, als auch für ihn sehr persönlich ist. Lara und sein Kind sind ebenfalls durch Mirkos Hand gestorben. Dieser Junge steht für unsere Kinder, nur hat er es tatsächlich geschafft, das Licht der Welt zu erblicken. Ich starre diesen kleinen Jungen an, der Cems Hand nimmt und lächelt, woraufhin Cem das Lächeln erwidert. Dann schüttle ich den Kopf. Nein. Dieses eine Mal, dieses eine Mal noch werde ich mich verhalten, wie ich mich verhalten muss. Ich löse mich von seinem Griff und gehe rein. Er folgt mir nicht.


Maria POV

Seit zwei Tagen war Ben weg und ich fuhr gerade mit Paul nach Hause. Er hat sich gestern noch tausend Mal entschuldigt, dass er mich Mandy genannt hat. Er ist ein guter Kerl und bemüht sich sehr, der Gang vollständig beitreten zu können. Warum auch immer er denkt, dass das das einzig richtige ist. Ständig fing er davon an, dass er ja nicht wissen konnte, dass ich DIE Maria sei. Ich würde zu gerne wissen, was über mich in den Kreisen gesagt wurde. Ich hatte früher immer das Gefühl, dass die Mitglieder, die nicht der Familie Ramirez direkt angehörten, mich nicht mochten. "Wer steht denn da vorne?", sage ich als wir in meine Straße einbiegen und einen schwarzen Van sehen. "Ich habe keine Ahnung. Du bleibst im Auto sitzen.", sagt er und es klingt nicht ansatzweise so streng wie bei Ben. Doch dann sehen wir, wie David aus dem Auto steigt, um uns zu signalisieren, dass keine Gefahr besteht. Wir halten an und ich steige aus. "David, was ist los?", frage ich. Er sieht besorgt aus und auf seiner Stirn bilden sich tiefe Falten. "Maria, du musst sofort mitkommen. Ich weiß nicht, ob es dumm von mir ist, aber es ist ein Versuch wert." Wovon redet er da?

Und dann nach zwanzig Minuten Fahrt kommen wir an der Lagerhalle an. David erzählte mir, was sie die letzten Tage gemacht haben und was eben in der Halle los war. Ich kann nicht fassen, dass Ben gerade überlegt, eine Frau zu töten. Als er den Wagen anhält, springe ich aus dem Auto. Ich sehe Cem und den Jungen, sehe Michael, wie er an der Tür lehnt. Erst will er mir den Weg versperren, aber dann macht er doch einen Schritt zur Seite. Ich erinnere mich an das letzte Mal, als ich hier war und mich überkommt ein ungutes Gefühl. Ich gehe ein paar Schritte, bis ich sie alle sehe. "Ben.", rufe ich und er dreht sich um. Vor ihm sitzt ein vollkommen entstellter Mann, der gefesselt ist. Das muss Mirko sein. Wenige Meter von ihm entfernt ist sie, Jessi. Ich erinnere mich genau an sie und wie nett sie zu mir war. Vielleicht wollte sie nur mein Vertrauen gewinnen? Sie sieht mich schuldig und mit großen Augen an. Sie zittert am ganzen Körper, Mirko hingegen ist die Ruhe in Person. Ich kann ihn gar nicht richtig ansehen, ohne dass mir schlecht wird. "Was machst du hier?", schnauft Ben. Er geht auf mich zu und packt mich am Arm, um mich hier raus zu zerren. "Das tut weh.", sage ich und er lässt sofort von mir ab. Ich bleibe stehen. "Ich werde nicht rausgehen, hörst du? Wenn du sie töten willst, dann musst du das vor meinen Augen tun." Mein Herz rast so schnell wie noch nie zuvor. "Was soll das jetzt?" Ich stemme meine Hände in die Hüfte. "Wir wollten Vergangenheit ruhen lassen, erinnerst du dich?" Sein Blick weicht meinem aus.

Ich mache einen Schritt auf ihn zu und nehme seine Hand. "Wir haben gerade erst darüber gesprochen, wie ein neues Leben aussehen könnte. Ein Leben zusammen, du und ich. Das geht aber nicht, wenn du das jetzt tust. Ich weiß, dass du sauer und verletzt bist. Ich habe diese Phasen die letzten Jahre bereits durchgestanden und du kannst das alles jetzt erst verarbeiten, aber bitte vertrau mir." Ich sehe zu der Frau, die ein paar Meter entfernt hinter mir sitzt. "Sie ist eine Mutter. So wie Mirko ist, hat sie sich das alles hier wahrscheinlich auch nicht ausgesucht. Ja, sie hat einen Fehler gemacht, aber ich glaube nicht, dass sie das gemacht hätte, wenn nicht ihr eigenes Leben auf dem Spiel gestanden hätte." Ich drehe mich zu ihr, gehe ein paar Schritte auf sie zu. "Ich verzeihe dir.", sage ich und sehe ihr in die geröteten Augen. Plötzlich lacht jemand neben mir. Es ist Mirko. "Was?", zische ich. "Du bist so ein naives Ding. Ein Wunder, dass du so lange überlebt hast in dieser Welt." Ben kommt auf ihn zu und seine Faust ist schon geballt. Da kommt Taylor dazwischen und packt ihn am Arm. Sie gehen ein Stück zurück und ich folge ihnen. Auch David tritt dazu und wir stehen in einem Kreis. "Ben, du triffst genau jetzt die Entscheidung deines Lebens: Anführer sein oder eine neues Leben.", sagt Taylor und unsere Blicke treffen sich. Ben fährt sich über den Nacken, er zittert und sein Kiefer bebt. Er sieht uns nicht an, sondern starrt auf den Boden. "Ich kläre das für dich, wenn du es willst. Ich schaffe die Frau hier weg und kümmere mich um Mirko." Ben überlegt, man kann förmlich hören, wie er alles verarbeitet. "Komm bitte mit mir mit. Ich liebe dich.", sage ich. Nun schaut er mir in die Augen, schaut hinter mich zu Mirko, zu Taylor, zu David. "Sei nicht so wie er.", sagt David nun.

Ben nimmt seine Waffe und entsichert sie...

Trust me, I am a Bad Boy. / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt