Angst

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Immer wieder spielen sich die Worte des Nachrichtensprechers in meinem Kopf ab, während ich die leeren Straßen entlang nach Hause laufe. *Zwei konkurrierende Banden sind am Samstagabend in einem Club an der West Street aufeinander losgegangen. Nachdem sich zunächst fünf Personen körperlich auseinander setzen, fingen zwei weitere an zu schießen. Es wurde dabei eine Person schwer verletzt. Sie befindet sich derzeit in ärztlicher Behandlung*

Kendra und ich sahen uns geschockt an, als wir zum ersten Mal davon hörten. "Meinst du, Ben hat dich deshalb aus dem Club geschickt?", fragte sie und ich konnte es nicht verneinen. Er muss gewusst haben, dass so etwas passieren könnte und ich war so zickig zu ihm... 

Das schlechte Gewissen frisst sich in meinen Brustkorb. Egal, ob er es wegen meiner Tante oder meinetwillen getan hat: Ich war ihm etwas schuldig. 

Am Abend sitzen Melinda und ich zusammen am Esstisch und sie fragt mich über den Mädelsabend aus. Beinahe hätte ich mich an dem Essen verschluckt und versuche die richtigen Worte zu finden, damit sie keinen Verdacht schöpft. Am liebsten würde ich ihr alles erzählen, aber das würde den guten Start, den wir bisher hatten, vollkommen zerstören. Es fühlte sich furchtbar an, sie nun doppelt und dreifach zu belügen. 

Als sie anfing über die Nachrichten und die Schießerei zu sprechen, war das Essen für mich endgültig beendet. Ich wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken, doch stattdessen entschuldigte ich mich und ging auf mein Zimmer. 

Ich schmeiße mich auf mein Bett und starre an die Decke. Ein sarkastisches Lächeln breitet sich über mein Gesicht auf, als ich daran denke, dass dies nun für immer mein erster Besuch in einem Club sein wird. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das nochmal wiederholen möchte... 

Je ruhiger es um mich herum wird, desto mehr spüre ich das Heimweh, das sich langsam den Weg zu meinem Herzen bahnt. Es dauert eine Weile, bis ich mich durchringen kann und meine Eltern anrufe. 

Als ich die Stimme meiner Mutter höre, sammeln sich Tränen in meinen Augen, doch ich blinzle sie weg. Ich erzähle ihr von der Schule und dass sie besser ist als meine alte. Dann von dem Projekt und wie interessant es mittlerweile für mich ist - allerdings erwähne ich nicht, dass ich einen Projektpartner habe. 

Besonders freut sie sich über meine Erzählungen von Kendra und wir gut wir uns verstehen. Sie atmet erleichtert auf, als sie mir sagt, dass sie froh ist dass es mir gut geht. 

"Ich vermisse dich, mein Schatz", sagt sie zu Tränen gerührt. "Ich dich auch", sage ich knapp, immer noch gewillt meine Tränen zu unterdrücken. 

Nach dem Telefonat brechen bei mir jedoch alle Dämme... 

Als ich die Schule am nächsten Tag betrete, ist Ben nicht da; genauso wie am nächsten und am übernächsten Tag. 

Nicht zu wissen, wie es ihm geht, macht mich verrückt. Ich steigere mich immer weiter in diese Gedanken hinein und irgendwann schwanken meine Emotionen von Angst in Wut über. Ich habe noch so viele Fragen an ihn und er muss einfach wiederkommen! 

Wenn ich zu Hause bin, lenke ich mit damit ab, Melinda im Café zu helfen. Einmal kam ein dunkel gekleideter Typ hinein, der sofort mit Melinda in ihrem Büro verschwand. 

Ich stand minutenlang vor der Tür und überlegte, ob ich in einfach ansprechen und nach Ben fragen sollte. Ich war mir sicher, er kannte ihn und wusste, wo er sich gerade aufhielt. Seine aufgeschürften Fingerknöchel und seine unangenehme, irgendwie dunkle Art haben mich jedoch davon abgehalten. 

Frustriert konzentrierte ich mich wieder auf die Arbeit. 


Trust me, I am a Bad Boy. / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt