Kapitel 43: Gleichnisse

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„Hermine?", wiederholte Remus leise.
„Sie sitzt hier, in diesem Raum, sie sagt du sollst mehr essen...", Severus lachte leicht.
Remus fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen, als würde der Boden unter seinen Füßen verschwinden, alles drehte sich um ihn.
„Ja du hast recht", hörte er Severus sagen, sah auf, dieser stand auf, ging zum Schrank und schüttete ihm ein Glas Whiskey ein, ging zur Couch zurück und hielt ihm das Glas hin. Remus nahm es, kippte den Inhalt schnell herunter und strich sich über die Augen.
„Das werde ich ihm garantiert nicht sagen...", sagte Severus gepresst, Remus sah ihn fragend an.
„Hermine möchte, dass ich dir sage, dass sie froh ist, dass du für mich da warst... zufrieden?", er verdrehte die Augen, legte seinen Arm leicht um die Luft.
„Du kannst sie sehen... kannst du sie... anfassen und spüren?", fragte er leise.
„Ich kann alles mit ihr machen", Severus lachte, „ich rieche sie, spüre sie..."
„Das ist nicht möglich... der Stein erzeugt nur eine Abbildung, einen Geist... du kannst sie nicht anfassen...", stotterte Remus, von so einer Anomalie hatte er noch nie gehört.

Die Heiligtümer des Todes wurden seit Harrys Sieg über Voldemort studiert, der Umhang, der Elderstab und der Stein der Auferstehung.
Der Elderstab wurde zurück ins Dumbledores Grab gelegt, den Umhang hatte Harry behalten und der Stein war bis zum heutigen Tag eigentlich irgendwo tief im Wald verschwunden.
Was einst nur ein Märchen der Peverell Brüder war, war seit der Schlacht von Hogwarts Realität gewesen.
Remus kannte das Märchen, wie jeder andere Zauberer auch, er kannte auch das Schicksals des zweiten Bruders, die Abbildung seiner Verlobten machten ihn nur für einen kurzen Moment glücklich, aber die Frau spürte, dass sie nicht wirklich unter den Lebenden weilte und verging je länger sie sich in der Zwischenwelt aufhielt.

„Es ist, wie es ist. Sie ist hier und das reicht mir.", gab Severus zurück und holte Remus aus seinen Gedanken.
„Das ist verrückt... du kannst nicht mit einem Echo leben.", er benutzte bewusst ihre Worte, Severus presste die Kiefer aufeinander.
„Es ist meine Sache.", damit stand er auf, öffnete die Tür und bedeutete Remus sein Wohnzimmer zu verlassen.
Remus seufzte, er hatte keine andere Wahl, kam seiner unfreundlichen Bitte nach und verließ den Kerker.

„Er macht sich Sorgen Severus", Hermine streichelte über seine Schulter.
„Es hat ihn nicht zu interessieren, was ich mache.", zischte er zwischen den Zähnen.
„Du konntest noch nie Sorgen von anderen Leuten annehmen...", sie streichelte durch seine Haare, drehte ihn zu sich und lächelte ihn an.
„Andere Leute interessieren mich nicht.", schnurrte er, legte seine Arme um sie und trug sie ins Schlafzimmer.

In dieser Nacht lag Severus noch lange wach, Hermine schien nicht im Mindesten müde zu sein, sie lag einfach an ihn gekuschelt und streichelte über seinen Bauch.
„Schläfst du nicht?", fragte er und beobachtete ihre Handlungen.
„Ich muss nicht schlafen. Ich bin nicht müde, ich spüre keinen Hunger, keinen Schmerz...", ihre Stimme klang ein wenig hallend, als würde sie ein wenig in die Hallen des Todes und der Unendlichkeit rücken, „ich spüre nur Wärme", sie lächelte ihn an, war wieder ganz bei ihm mit sanfter Stimme.
Severus sah sie interessiert an, er spürte sie ganz deutlich an sich liegen, die warme Haut, der Blumenduft, er strich durch ihre Haare und spürte die Beschaffenheit ihrer Haare, sie waren weich, fühlten sich gesund und vital an, wickelte sie um seinen Finger und besah sie sich in der Dunkelheit, die nur durch den sanften Schein des Mondlichts, welches in sein Schlafzimmer fiel, erhellt wurde.
„Remus hat recht, oder? Es dürfte gar nicht möglich sein, dass du so präsent bei mir bist...", er dachte an die unzähligen Gespräche mit Albus, der schon ein Jahr vor seinem Tod hinter die Geheimnisse der Heiligtümer und dem Schicksal von Harry gekommen war.
Albus selbst hatte seine Familienmitglieder gesehen, wie er ihm gestand, weshalb er unachtsam war und sich schließlich den todbringenden dunklen Fluch eingefangen hatte.
„Eigentlich nicht", sie musterte ihn freundlich, „aber ich bin es.", strich durch seine Haare.

Er spiegelte ihren Blick, es war ihm fast egal, wie es möglich war, dass sie so real bei ihm war, er genoss es einfach und war froh, dass er diese Chance bekommen hatte.
„Willst du morgen nach Spinners End?", fragte er mit einem samtenen Bariton.
„Sehr gerne", sie strich mit dem Daumen über seine Lippen, legte ihren Kopf wieder auf seine Brust und streichelte ihn weiter, „mach die Augen zu und schlaf", flüsterte sie, er folgte ihrer Bitte, schloss die Augen und fand unnatürlich schnell in einen tiefen Schlaf.

„Severus, aufwachen..", er hörte ein Flüstern in seinem Ohr, spürte zwei warme Hände an seinem Gesicht, die seine Haut liebkosten, sich in seine Haare schoben und seinen Kopf anhoben.
Langsam öffnete er die Augen, blickte in zwei rehbraune Sonnen, die ihm den Halt der irdischen Welt nahmen.
Es schien als könne er in die weiten Tiefen des Universums blicken, als würden Billionen von Sternen in ihren Augen ruhen und eine unumstößliche Weisheit aus ihr quellen.
Die Weisheit und die Geheimnisse der Ewigkeit, dem Leben nach dem Tod und all dem, was Menschen und auch Zauberer gleichermaßen zu begehren schienen.
Er schluckte, „Guten Morgen", seine Stimme war rau, mit zitternden Fingern strich er über ihre Wange, steckte eine Strähne ihrer Haare hinter ihr Ohr.
„Zeit zum Aufstehen.", ihr breites Lächeln brachte ihn ebenfalls zum Lächeln, er drückte sich zu ihr, küsste ihre Lippen und stand auf, Hermine folgte ihm ins Bad, beobachtete ihn bei seinen Handlungen.

„Du solltest deine Haare ein wenig schneiden", sie lehnte gegen die Armaturen des Waschbeckens.
Severus betrachtete sich im Spiegel, „sie sind ein wenig lang geworden...", er nickte zustimmend.
„Und vielleicht kann man noch ein paar Highlights reinziehen und mehr Stufen reinschneiden", Hermine versuchte ernst zu bleiben.
Severus sah sie skeptisch an, zog dann eine Augenbraue nach oben, „oder vielleicht an paar Locken?", er wickelte eine Strähne ihrer Haare um seinen Finger.
„Oh ja, dann siehst du fast aus wie Sirius", sie sah ihn aufgeregt an, er zog die Augen zu Schlitzen und knurrte, ließ ihre Haare los und drehte sich um, zauberte sich im Gehen seine Kleidung an, lief in die Große Halle um zu Frühstücken.
„Guten Morgen Severus", begrüßte Remus ihn, der schon an seinem Platz am Lehrertisch saß und ihn besorgt musterte.
„Mh", brummte Severus, setzte sich geschmeidig auf den Stuhl und goss sich eine Tasse mit dampfendem heißen Kaffee ein.
„Gut geschlafen?", Remus musterte ihn.
„Ja", gab Severus langgezogen zurück, drehte langsam seinen Kopf in Remus Richtung, „willst du noch wissen wie meine Morgentoilette war oder kann ich in Ruhe frühstücken?", sein Sarkasmus schnitt durch die Luft.
„Severus hör auf", Hermine schüttelte den Kopf, strich über seinen Nacken, „lass deine Laune nicht an ihm aus, du siehst nicht aus wie Sirius", flüsterte sie an sein Ohr und küsste seine Wange, Severus sah zu ihr, seine verhärteten Züge weichten langsam wieder auf.
„Ich will sowas nicht nochmal hören", mahnte er mit einer hochgezogenen Augenbraue, lehnte sich dann zu ihr und küsste sie.

McGonagall, die alles mit einem skeptischen Blick verfolgt hatte sah hilfesuchend zu Remus, dieser schüttelte nur leicht den Kopf, jetzt war nicht die richtige Zeit Severus darauf anzusprechen.
Hermine nahm seine Hand, „also... wir gehen heute nach Spinners End, ja?"
„Ja... wir gehen nach Spinners End...", brummte er, trank seinen Kaffee aus, sah dann zu Remus, der ihn immer noch wie vom Donner gerührt ansah, „am besten jetzt."

Er sprang auf, verließ mit wehendem Umhang die Halle und apparierte, an der Grenze angekommen, nach Spinners End, betrat sein Haus und atmete tief ein und aus, sah sich um, aber fand Hermine nicht.
Panisch sah er umher, „Hermine?!", sie war nicht bei ihm, er suchte an seinem Hals nach der Kette, sie war dort, also musste Hermine auch bei ihm sein.
Eine Bewegung in seinem Augenwinkel zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
Hermine lief im Garten umher, drehte sich um sich selbst und begutachtete die wilden blühenden Blumen.
Er öffnete die Tür zum Garten, ging langsam nach draußen.
„Wenn du den Garten sehen könntest Severus...", sie drehte sich um sich selbst, nahm seine Energie auf und grinste zu ihm.
„Ich sehe den Garten", sagte Severus skeptisch und ging ihr entgegen.
„Wenn du ihn sehen könntest, wie ich ihn sehe... die Liebe deiner Mutter wächst in jeder Pflanze, alles leuchtet im hellen Schein, als wäre dieser Ort hier aus Licht gemacht.", auch ihre Augen leuchteten, sie drehte sich zum Baum.
Severus stellte sich neben sie, sie nahm seine Hand und drückte sie.
„Spürst du es?", wollte sie leise wissen, er musterte ihr Gesicht, sie sah zum Baum als hätte sie das größte Geheimnis der Welt erfahren.
„Was?", flüsterte er.

Offenbarung || Echos Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt