Kapitel 45: Ein Geschenk

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Am nächsten Morgen wachte Severus mit einem Frösteln auf, es war plötzlich so kalt im Zimmer, dass er von Schneeflocken träumte.
Die Decke über sich ziehend öffnete er langsam seine Augen, sein Atem kondensierte sogar in dieser unnatürlich kalten Luft, hätte er es nicht besser gewusst, hätte er gesagt, dass ganz in der Nähe eine Vielzahl von Dementoren lungerten, aber das war eher unwahrscheinlich, schon gar nicht in seinem Haus.
Er sah sich um, alles war wie immer, das Schlafzimmer war genau wie sonst auch, die Seite neben ihm im Bett war leer.
Leer?
Wo war Hermine?
Etwas panischer als noch gerade eben sah er sich um, tastete nach der Kette um seinen Hals, der Stein war noch da, aber wo war Hermine?
Severus schlug die Decke zurück und lief fröstelnd durch das Schlafzimmer, sah aus dem Fenster, vielleicht wäre sie im Garten, doch nichts.
„Suchst du wen?", kam es hallend hinter ihm, er drehte sich schnell um, sie saß auf der Bettkante, auf seiner Seite.
„Ich...", er wechselte von Erleichterung zu Unglaube und Skepsis, „ich dachte du wärst gegangen."
„Ich bin hier", ein mattes Lächeln zog sich über ihre Lippen, sie fixierte einen Punkt in der Luft, er ging zu ihr, setzte sich ihr gegenüber auf die Bettkante und musterte sie.

„Hermine?", er suchte ihre Aufmerksamkeit, versuchte in ihre Augen zu dringen, aber es schien wie eine Wand, die sich um sie herumgezogen hatte.
Sie sah auf, sah Severus offen an, langsam schob sich die liebevolle Wärme wieder in sie, er nahm eine ihrer Hände, sie war eiskalt, er schluckte.
„Kommt diese Kälte von dir?", wollte er vorsichtig wissen.
Sie sah ihn an, als würde sie nachdenken, „ich spüre keine Kälte", entzog ihm ihre Hand und streichelte über seine Wange, mit einem Mal waren ihre Finger wieder wohlig warm, das Lächeln wurde breiter, ihre Augen öffneten sich wieder, zogen Severus in ihre Welt und nahmen ihm die Sorgen.
„Kann ich dich um etwas bitten?", fragte sie mit weichem Blick.
„Um alles.", er nickte.
„Kannst du die Kette, die du mir geschenkt hast hier hin bringen?"
„Die Kette... ist bei mir... in deinem..."
„An meinem Grab, ich weiß. Aber ich möchte, dass sie bei dir ist, an einem Ort, der dir viel bedeutet."
Severus schluckte, sie wollte, dass ihre Kette bei ihm war?
Du musst zu ihrem Grab, du warst wochenlang nicht mehr da... du wolltest ihr Grab nicht mehr besuchen!, erinnerte ihn seine Stimme, sie drückte seine Hand, „Bitte."
„In Ordnung."
„Ich geh für eine Weile in den Garten, ja?", Hermine lehnte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Lippen, wollte aufstehen, als Severus sie festhielt.
„Ist alles gut?", sein Blick war besorgt, er fühlte, dass sie irgendetwas belastete.
Sie lächelte, rutschte zu ihm, legte ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn.
Er atmete tief durch, schloss die Augen und drückte sie umso mehr an sich, dann ließ er sie los, damit sie in den Garten konnte.

Severus ging nachdenklich ins Bad, machte sich frisch, zog sich an und ging nach unten. Er beobachtete Hermine im Garten, sie saß nah vor dem Baum, strich über seine Rinde, sah nach oben in die Krone.
Kleine Glühwürmchen sammelten sich um Hermine, als könnten sie ihre Präsenz spüren. Es klingelte, was Severus Aufmerksamkeit auf sich zog, er ging zur Tür, öffnete sie genervt und stand seiner Nachbarin gegenüber, sie hatte einen noch dampfenden Kuchen in der Hand und lächelte ihn an.
„Mrs Crownly... was machen Sie hier?", fragte er perplex.
„Ich wollte dir ein bisschen Gesellschaft leisten mein Junge.", sie schob sich selbstverständlich an ihm vorbei in sein Haus, ging schnurstracks in die Küche und stellte den Kuchen auf die Ablage.
„Du solltest mehr essen...", meinte sie, als sie sich umdrehte und ihn musterte.
Er schnaubte und sah wieder in den Garten, Hermine schien von allem nichts mitzubekommen, sie war Eins mit der Natur.
„Glauben Sie an das Böse?", fragte er leise und gedankenverloren.

„Der Teufel ist ein blonder Mann mit einem verführerischen Lächeln...", sagte sie rau, Severus drehte sich um, sah ihr ins Gesicht, „das habe ich mal gehört... eins dieser merkwürdigen Sprichwörter von... nicht-Zauberern...", sie sah ihn wissend an.
Er zog die Augenbrauen zusammen, wie lange wusste sie wohl, dass er nicht so war wie sie?
„Aber man sagt auch der Teufel ist ein Eichhörnchen...", sie zuckte mit den Schultern und lachte.
„Sie wissen, dass ich..."
„Zaubern kann... seitdem du ein kleiner Junge warst. Du hast aber auch ohne Magie alle um dich herum verzaubert", ihre Augen funkelten, als sie daran dachte, wie er früher war, „du und diese kleine Rothaarige, Lily, oder? Es war immer ein Erlebnis euch beim Spielen zuzusehen...", sie lachte herzlich auf.
„Sie können sich noch an ihren Namen erinnern?", er sah sie fassungslos an, das war so viele Jahre her und sie erinnerte sich.
„Ich hab nichts von dem vergessen, was mal war.", sie tätschelte seine Wange, „Ich glaube lieber an das Gute... aber wenn es Gott gibt, muss es auch den Teufel geben. Jeder kann der Teufel sein, jeder, der sich von dem Guten abwendet."
Severus fiel auf, was für eine weise Frau sie eigentlich war und sah sie fasziniert an, „An was glauben Zauberer?", sie musterte sein Gesicht, drückte seine Hand.
„Ich weiß nicht mehr, an was ich glauben soll...", Severus seufzte, strich sich über das Gesicht, sah wieder in den Garten und lächelte leicht.
„Wenn du an nichts glaubst, dann kann alles deine Welt erschüttern."
„Meine Welt...", er schnaubte leicht auf, seine Welt saß draußen vor der großen Eiche, als Echo, als etwas, was nicht mehr existierte, sondern nur noch der manifestierte Schmerz war, den ihr Tod über ihn brachte.
„Glaub an dich selbst, du bist stark...", sie lächelte ihn an, war überzeugt von dem, was sie sagte.
„Sie sind wirklich außergewöhnlich Mrs Crownly... das habe ich Ihnen früher nie gesagt. Danke.", er beugte sich zu der alten Frau und nahm sie herzlich in den Arm.
„Jetzt nicht übertreiben meine Junge", sie lachte leicht, wischte sich eine kleine Träne aus dem Auge und verabschiedete sich wieder von ihm, sie bot ihm noch an der Tür an, dass er jederzeit zu ihr kommen könnte, sie würde gerne mehr über die Welt der Zauberei hören.

„Du solltest den Kuchen essen solange er noch warm ist... es ist Apfelkuchen", Hermine stand plötzlich neben ihm, lächelte ihn freundlich an, beugte sich dann zum Kuchen und roch an ihm, „köstlich."
Severus lachte leicht, nahm sich ein Messer und schnitt den Kuchen an, nahm sich dann ein Stück und probierte ihn.
Er war wirklich köstlich, er hatte schon lange keinen altbackenen selbstgemachten Kuchen mehr gegessen, es erinnerte ihn unweigerlich an seine Kindheit.
Mrs Crownly und Severus hatten immer zusammen Kuchen gebacken, wenn er bei ihr war, es war eine gute Ablenkung zu den fürchterlichen Streitereien zwischen seinen Eltern.
„Sie ist ein guter Mensch", Hermine sah ihm dabei zu, wie er den Kuchen aß und in seinen Erinnerung abdriftete.
„Ja, das stimmt.", er nickte zustimmend, putzte sich dann den Mund ab, ging zu Hermine und nahm sie in den Arm, streichelte ihren Rücken.
„Wie lange bleiben wir hier?", fragte sie, während sie ihre Wange an seine schmiegte.
„Ein paar Tage, wenn dir das recht ist.", schnurrte Severus.
„Und was ist mit McGonagall?"
„Sie wird schon merken, wenn ich nicht da bin.", scherzte er, löste sich leicht und sah sie an, „du bist so unfassbar schön", sie lachte leise und streichelte seine Wange, zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn.
„Kommst du mit in den Garten?", sie strahlte ihn an, er lachte und nickte.
Hermine ging vor, setzte sich in das hohe Gras, zog Severus zu sich herunter und sah ihn an.

„Was ist?", fragte er skeptisch, versuchte die Antwort in ihren Augen zu finden.
„Es regnet gleich", sagte sie leise, ließ sich in das Gras sinken, Severus folgte ihr.
„Die Sonne scheint doch", meinte er skeptisch, kaum ausgesprochen fiel ein großer Tropfen auf seine Stirn.
Nach dem ersten folgten viele weitere, mit einem Mal war der Himmel verhangen, dicke schwere dunkelblaue Wolken ergossen sich über den beiden und tränkten Severus Robe. Er wollte schon aufspringen und ins Haus laufen, als Hermine ihn festhielt.
„Bleib hier", sie zog ihn zurück, „es ist ein Geschenk", sie strahlte wieder.
Im Gegensatz zu Severus war sie komplett trocken, der Regen tropfte zwar auf sie, perlte aber an ihr ab, Severus hingegen war klitschnass, seine Robe sowie seine Haare. Er musste zeitweise die Augen zusammenkneifen, der Regen prasselte heftig auf die Erde.
„Spürst du ihn? Das Gewicht der Tropfen... was sie mitbringen?", sie musterte ihn.
„Was sie mitbringen?", er sah sie verwirrt an.

Offenbarung || Echos Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz