Kapitel 48: Aufarbeitung der Vergangenheit

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An der Appariergrenze angekommen packte er Remus an der Schulter und apparierte mit ihm nach Spinner's End, rauschte dann wieder vor und lief geradewegs zu seinem Haus in der schäbigen grauen Straße.
„Severus, warte mal!", rief Remus, er stolperte fast ins Haus.
„Du sollst den Mund halten", polterte Severus, drehte sich auf dem Absatz um und baute sich vor ihm auf, „ich erlaube dir mein Haus zu betreten, ich werde es dir auch wieder verbieten, wenn du mich nervst!"

Remus atmete tief ein und aus, nickte dann, folgte ihm weiter ins Haus, Severus lief ohne Umschweife in seinen Garten.
Staunend blickte der Werwolf sich um, so hätte er sich Severus Garten nicht mal im Traum vorgestellt.
Der sonst so akkurate, geordnete Meister der Zaubertränke besaß einen wild-wuchernden Garten mit allerlei farbig-blühenden Blumen, wilden Büschen, Tieren aller Art und einem riesigen majestätischen Baum in der Mitte an der gegenüberliegenden Seite.
Das Gras war hoch und sattgrün, dieser Ort strahlt mehr Magie aus als üblich, er spürte die Wärme in diesem Garten, Liebe, das Helle in der Welt, Severus lief zum Baum, strich über die feste Rinde und sah zur Seite.
„Wo soll ich sie hinlegen?", hörte Remus ihn fragen, er vermutete, dass Severus mit Hermine sprach, dann sah Severus wieder zum Baum, hockte sich auf die Erde.
Remus näherte sich der Eiche, ein plötzlicher heller Schein blendete ihn leicht. Er sah wie die Rinde sich an einer Stelle öffnete und einen kleinen Hohlraum freigab, Severus hängte die Kette halb in den Stamm, so, dass sie noch leicht herausschaute, dann schloss sich die Rinde mit einem weiteren hellen Schein wieder.
„Sie wollte, dass die Kette in diesem Baum ist?", fragte Remus leise und besah ihn sich.
Severus nickte und lächelte leicht, er fühlte sich irgendwie befreit und gut.
„Danke Severus", Hermine zog ihn leicht zu sich, strich über seine Wange, „du solltest ihm die Geschichte erzählen. Nimm die Kette für diesen Abend ab", sie lächelte.
„Nein... ich kann nicht...", protestierte er.
„Nur für einen Abend. Ich bin auch ohne, dass du mich siehst bei dir...", bat sie ihn freundlich.
Severus seufzte, sah zu Remus, der sich weiter interessiert den Baum besah und seiner Beschaffenheit auf den Grund gehen wollte, „einen Abend...", stimmte Severus schweren Herzens zu.

Hermine drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und lächelte ihn an, er zog sich den Stein von seinem Hals und verstaute ihn in einer kleinen herbeigezauberten Schachtel, steckte sie in seine Hosentasche.
Es fühlte sich ruhig an, er hatte gedacht die Trauer würde sofort über ihn hereinbrechen, aber es war einfach nur ruhig und friedlich.
„Willst du die Geschichte zu diesem Baum hören?", fragte Severus leicht genervt, als Remus hinter dem Baum wieder herkam.
„Wenn du sie mir erzählen willst...", Remus lächelte leicht, er wusste, dass es Severus vermutlich sehr schwer fallen musste ihm dieses Angebot zu machen und es freute ihn daher umso mehr.
Severus setzte sich mit einigem Abstand zum Baum auf die Wiese, eine weitere Handlung, die Remus ungläubig blicken ließ, er sagte aber nichts sondern setzte sich schnell ebenfalls auf die Wiese und wartete, dass Severus anfangen würde zu erzählen.

Auch wenn sie sich schon lange kannten, Remus hatte immer noch recht wenige Informationen über ihn.
Er wusste, dass Severus als Junge und auch als Erwachsener in Lily verliebt war und er eine lange Zeit nicht über sie und ihren Tod hinweg kam, er wusste, dass seine Kindheit nicht gut gewesen sein konnte, dafür sah er früher immer viel zu traurig aus.
Remus war immer schon ein guter Beobachter gewesen, traute sich aber nicht ihn wirklich anzusprechen, er hatte zu viele Probleme mit sich selbst.
Severus fing an zu erzählen, er erzählte alles, was auch Hermine wusste. Von seiner schlechten Kindheit, den Schlägen durch seinen Vater, den ewigen Streitereien seiner Eltern, der regelmäßigen Flucht zu Mrs Crownly und ihrer Fürsorge, wie er Lily traf und was sie ihm bedeutete, wie seine Mutter den Baum pflanzte und ihn verhexte, damit Severus die Auswirkung seiner freundlichen Art sah, wie sein Vater versuchte den Baum zu fällen und Severus ihn durch einen Ausbruch seiner Magie davon abhielt, der Krankheit seiner Mutter, wie sein Vater die Familie schließlich im Stich ließ, wie er sich Malfoy anschloss, was es in ihm ausgelöst hatte, dass Lily sich in Hogwarts immer weiter von ihm entfernte, wie James und Sirius ihn Tagein-Tagaus ärgerten, wie Malfoy ihn immer weiter in die Dunkelheit zog und seinen Hass auf James und Sirius verstärkte, er schlussendlich den Todessern beigetreten war und Lily durch die unverzeihliche Beleidigung endgültig von ihm vertrieb.

„Ich habe immer James und Sirius die Schuld gegeben, dass Lily sich von mir entfernt hat... aber im Grunde war es meine eigene Schuld. Ich habe mich für die dunkle Seite entschieden, ich habe mich entschieden, der zu sein, der ich war. Ich dachte Lily würde James mir vorziehen, aber sie war immer meine Freundin... ich hab es nie gesehen... ich war blind und von Hass erfüllt..."
„Deswegen hast du Harry so gehasst?", wollte Remus leise wissen.
„Er ist James sehr ähnlich... aber er trägt genauso viel von Lily in sich... nein, das war es nicht. Es war das schlechte Gewissen... ich habe die Prophezeiung an den Dunklen Lord weitegegeben."
„Sie sind nicht deinetwegen gestorben Severus. Wenn jemand Schuld trägt, dann Peter..."
„Es fühlt sich aber so an... genau wie bei Hermine.", er sah traurig auf die Wiese, fühlte die Grashalme zwischen seinen Fingern.
„In beiden Fällen hatte Malfoy seine Finger im Spiel... er hat dir den Weg zur dunklen Seite geebnet, er hat Hermine-", er stoppte und schüttelte den Kopf, „seine Verhandlung wird in einigen Wochen beginnen."
„Er wurde geschnappt?", fragte Severus interessiert, seit Hermines Auftauchen war Lucius von der Bildfläche verschwunden, unauffindbar.
„Harry und Ron haben ihn aufgespürt.", sagte Remus fast schon stolz und lächelte.
Severus atmete tief ein und aus, es freute ihn, dass Lucius gefasst wurde und kein Unheil mehr anrichten konnte, aber er hatte auch Angst vor dem Tag, an dem er ihn vermutlich wieder sehen müsste.
„Die Anklage ist... ziemlich weitläufig... Ausbruch aus Askaban, Anstachelung zur Beihilfe zur Flucht, Morde an zwei Muggeln, Angriff auf zwei Auroren und der Mord und damit einhergehend ein Kriegsverbrechen an Hermine.", erzählte Remus leise.
„Kriegsverbrechen?", Severus horchte auf.
„Sie, Harry und Ron stehen unter besonderem Schutz... sie waren das Goldene Trio, haben den Krieg beendet und Voldemort getötet. Einige Stimmen spekulieren, dass Lucius in eine völlige Verbannung geschickt wird, in einen noch weiter entfernten Ort als Askaban, der noch besser bewacht wird... manche sagen er wird zum Tode verurteilt...", Remus zuckte mit den Schultern.
„Hermine sagte seine Seele würde keine Erlösung finden, weder im Leben noch im Tod...", Severus erinnerte sich an ihre Worte und jetzt, wo er wusste, dass Lucius bestraft werden würde machte es ihn doch auf eine merkwürdige Art und Weise froh und glücklich.
„Hat sie gesagt wo die Seelen hingehen, die keine Erlösung finden?", wollte Remus wissen, auch wenn er es niemandem sagte, aber er selbst hatte Angst vor dem Tod, er dachte, dass sein Fluch, sein Schicksal ihm den Weg in den Himmel verwehren würde und seine Seele ebenso in einer unausweichlichen Zwischenwelt gefangen sein würde, wie vermutlich die von Lucius.

„Nein... ich habe mal vor einigen Jahren etwas über ein Fegefeuer gelesen... es ist ein Ort der weder Hölle noch Himmel ist... ein Zwischenstand in dem die Seele ihre begangenen Sünden so oft erlebt und mit ihrem eigenen Vergehen so lange gequält wird, bis sie gereinigt erneut vor dem jüngsten Gericht steht und über ihr Schicksal geurteilt wird. Eine Läuterung...", sagte Severus nachdenklich.
„Aber eine Läuterung und eine Reinigung von den Sünden kann nur derjenige erfahren, der seine Sünden anerkennt... ich glaube nicht, dass Lucius seine Taten als Sünde empfindet...", Remus sah ebenso nachdenklich aus, wie Severus.
„Deswegen wird er keine Erlösung finden", Severus lächelte, „lass uns reingehen. Ich hab bestimmt noch irgendetwas zu trinken und zu essen hier... und wenn nicht... ich habe eine nette Muggelnachbarin", sagte Severus lachend, stand auf, hielt Remus die Hand hin um ihm beim Aufstehen zu helfen.

Offenbarung || Echos Where stories live. Discover now