Kapitel 47: Ihr letzter Wunsch

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„Ich war vor vielen Jahren verheiratet mit einem Ministeriumsangestellten... er hat mich kennengelernt, als ich eine schwierige Zeit hatte, hat mich nie aufgegeben und mich zwei Mal gefragt ob ich ihn heiraten würde. Wir hatten ein kleines Haus in Hogsmeade...", ihre Augen strahlten, als sie von ihm erzählte, „Nach drei Jahren starb Elphinstone durch den Biss einer giftigen Tentakel. Ich... hatte das Gefühl, das Leben wäre zu viel für mich... ich konnte es nicht ertragen in diesem Haus zu leben, allein, mit diesen ganzen Erinnerungen.", ihr Blick verklärte sich, „Ich bin zurück nach Hogwarts gegangen. Albus war, wie immer, für mich da, hat mir Trost gespendet und wurde nicht müde mir zu zeigen, dass das Leben weiter geht und es nicht gut ist, sich in Trauer und Einsamkeit zu flüchten.", sie atmete tief durch, blinzelte kleine aufkommende Tränen weg und sah ihn an, „Ich weiß... Albus ist nicht mehr da, er hatte ein einzigartiges Talent die Personen, die ihm wichtig waren, aufzumuntern... aber hier sind viele Menschen, die für dich da sind Severus. Uns allen hat Hermine viel bedeutet, ihr Tod war ein grausamer Einschnitt in unsere Welt, eine Erinnerung daran, dass das Böse immer noch da draußen ist und wir nicht aufgeben dürfen.", sie schenkte ihm ein kämpferisches Lächeln, nicht ohne Grund war sie die Hauslehrerin der Gryffindors, sie war wahrlich eine Löwin mit viel Mut und Herz.
„Meine Tür steht immer offen", sie drückte seine Schulter, stand dann auf und verließ seine Räume.

Als das Schloss der Tür leise klickte nahm er die Tasse und trank den Tee, er schmeckte ein wenig anders als sonst, vermutlich hat sie ihn verfeinert, dachte er, nahm noch einen Schluck und lehnte sich wieder zurück in die Couch.
„Warum hat sie nach seinem Tod nicht wieder geheiratet?", fragte Hermine, sie saß dort, wo McGonagall gerade saß.
„Vielleicht war ihre Liebe und ihre Trauer zu groß...", er zuckte mit den Schultern.
„Man kann doch nicht sein ganzes Leben allein sein... Remus ist auch schon so lange alleine. Versprich mir, dass du das nicht machst."
„Wer würde denn mit mir zusammen sein wollen?", er schnaubte leicht und lachte, „Eine zweite so verrückte Gryffindor werde ich mit Sicherheit nicht finden."
„Wer weiß, was das Leben für dich bereit hält", sie lehnte ihren Kopf an das kalte Leder der Couch und sah ihn an wie vor sechs Jahren an dem Tag, als sie die Schule und auch ihn verlassen hatte.
Er seufzte, trank seinen Tee und musterte ihr Gesicht.

*

Nachdem er nach Hogwarts zurückgekommen war, übernahm Severus wieder seine Stunden, er war streng, konzentriert und polterte durch den Raum, genau wie früher.
Die Schüler stöhnten und ächzten, als sie seinen Klassenraum verließen, Severus war wieder der Alte, zumindest bei den Schülern.
Die Mahlzeiten nahm er fortan nur noch in seinen Räumen ein, er hatte kein Interesse mit Remus oder McGonagall weiter über seine Gefühle zu reden, er wollte weder mit Flitwick noch mit Hagrid über Hermine sprechen. Er wollte einfach seine Ruhe haben und sie ansehen.

Je mehr Zeit verstrich, desto kälter wurde es in seinen Räumen, er spürte, dass die Kälte von Hermine ausstrahlte, wie schon an dem einen Tag in seinem Schlafzimmer.
Das Lächeln, welches sie auf den Lippen trug wurde nach und nach immer matter und kleiner. Es verblasste, genauso wie sie verblasste. Der einstige Schein, der sie umgeben hatte zog sich zurück und war nichts mehr, als ein Echo.

Severus bemerkte nichts, er war in seiner Welt, war einfach froh, dass sie da war und er sie ansehen konnte, jedes Mal wenn er sie sah, fing er an zu Lächeln, ignorierte Klopfen und ging Gesprächen mit Remus und McGonagall aus dem Weg.
Für die anderen schien es, als wäre Severus ebenso ein Echo, ein Geist, der zwar unterrichtete, aber sich danach der Außenwelt und der soziale Ebene fern hielt.

Eines Tages einige Monate später kam Severus nach dem Unterricht mit einem Strauß Blumen zurück und stellte ihn vor Hermine auf den Tisch, ihr Lächeln war matt, ihre Augen flogen über die Blüten, dann wieder zu Severus.
„Gefallen sie dir?", er strahlte sie an.
„Sie sind wunderschön", ihre Stimme war emotionslos, ebenso wie ihr Blick, „es wird langsam Zeit die Kette zu holen.", schob sie hinterher und musterte ihn.
Er spannte sich an, die Hände zu Fäusten geballt starrte er sie an.
„Du weißt, dass es Zeit wird."
„Morgen", er nickte, stand auf und wollte den Raum verlassen, er wollte sich nicht damit beschäftigen, wollte ihr Grab nicht besuchen.
„Jeder Tag, der vergeht ist wie eine Qual für mich...", sie blickte mit leeren Augen auf den Strauß, Severus stoppte und drehte sich zu ihr, „eine Qual", wiederholte sie leise, berührte den Strauß hauchzart mit ihren Fingern.
An der Stelle, an der ihre Finger den Strauß berührten vergingen die Blüten, als würde der Tod persönlich nach ihnen greifen.
Sie drehte sich zu ihm und sah ihn an, „die Kette", er nickte und schluckte, „ich hole die Kette."

Sie hielt ihm ihre Hand hin, wollte ihn dabei begleiten. Gemeinsam mit ihr lief er schnell durch die Gänge der Kerker, durch die Eingangshalle, zog mit seinen energische Schritten und dem beinahe geschockten Gesichtsausdruck Remus Aufmerksamkeit auf sich, der gerade zurück ins Schloss kam.
„Severus?", Remus beobachtete ihn, der Angesprochene reagierte nicht, er dachte nur noch an die Kette, die er holen musste.
Remus lief ihm nach, hatte fast schon Schwierigkeiten Schritt zu halten. Als er sah, wohin Severus lief verlangsamte er seine Schritte.
Das Grab von Hermine, auch Remus vermied es zu ihrem Grab zu gehen. Seit sie in die Erde gelassen wurde vor Monaten war er nicht mehr hier gewesen. Er konnte es nicht, genauso wenig wie damals bei Tonks.
Zu schlimm war auch dieser Verlust, zu grausam die Misshandlung, die Hermine hatte durchleben müssen.
Es erinnerte ihn stets an den Abend im Wald, dieser Geruch, den er als Werwolf viel stärker wahrgenommen hatte, die Verstümmelungen. Er spürte die Abwesenheit ihrer Seele in ihrem Körper und das hatte ihn aus dem wilden Wahn geholt, den er immer als Werwolf verspürte.
Es war ihm egal, wer vor ihm war, ob Feind oder Freund; aber das Bild von Hermine und Severus der so unendlich traurig vor ihr saß, das würde er nie vergessen.

Severus stoppte, sah auf den Grabstein, an einer Seite war ein kleiner Löwe in den Stein gelassen, er erinnerte ihn an den Stein der Auferstehung, dieser matt-glänzend schwarze, fast schon seidige Stein mit der strahlend weißen Schrift auf ihm:

Hermine Jean Granger
19. September 1979 – 29. Februar 2004
geliebte Tochter, Freundin und die klügste junge Hexe ihrer Zeit

Er schnaubte leicht, sie war so viel mehr als eine Tochter, Freundin oder eine kluge Hexe, er hätte einen Roman über sie schreiben können und es stimmte ihn wieder traurig, dass eine so kurze nicht ansatzweise ausreichende Beschreibung auf ihrem Grabstein stand und für die Ewigkeit stehen sollte.
Er betrachtete schweigend den Stein, merkte nicht, wie Remus sich neben ihn stellte.
„Wenn du mich fragst... das ist nicht das, was auf dem Stein stehen sollte", sagte Remus leise, zog damit Severus Aufmerksamkeit auf sich, ein leichtes Schmunzeln schlich sich für einige Sekunden auf seine Lippen, dann sah er wieder traurig nach vorne.
„Ich war seit dem Tag nicht mehr hier", fuhr Remus fort, sah sich um, „es ist eigentlich ein schöner Ort..."
„Was willst du Remus?", fragte Severus, er hatte keine Lust auf Smalltalk über die Lage ihres Grabes
„Mich vergewissern, dass du ihr nicht folgst.", er suchte seinen Blick, ernsthafte Sorge lag in Remus Augen, er hatte Severus einige Wochen nicht gesehen, er war nie wirklich gesellig, aber dieser völlige Rückzug machten ihm mehr und mehr Angst.
„Keine Sorge, das würde sie nie zulassen.", Severus schnaubte wieder, sah zur Seite.
„Trägst du immer noch den Stein?", seine Stimme verriet seine Fassungslosigkeit.
„Ich werde ihn immer tragen."
„Severus nein, das kannst du nicht... du machst dich selbst nur unglücklich! Du musst den Stein ablegen, versteck ihn, wirf ihn in den See...", sprudelte aus Remus heraus.
Severus wollte gerade eine Hasstirade losschimpfen, als Hermine ihn neben sich zurückhielt, „Severus, denk an die Kette", hörte er sie sagen, sah zu ihr, sie lächelte und nickte, „du musst den Löwen berühren", fügte sie hinzu.

Er beugte sich nach unten, strich über den Stein, er war merkwürdigerweise recht warm, überhaupt nicht so wie ein Grabstein, seine Finger strichen über den Löwen, es klickte leicht, dann zog der Kopf des Löwen sich in den Stein zurück, gab eine kleine Öffnung frei, in der die silberne Kette lag mit dem Schlangenanhänger lag.
Remus sah perplex auf die Szene, „was machst du da?"
„Ich erfülle ihr ihren Wunsch.", schnarrte Severus und zog die Kette vorsichtig aus der Öffnung, kaum entfernt glitt der Löwenkopf zurück und verschloss sich endgültig mit dem Grabstein, „Sie möchte, dass die Kette nach Spinner's End kommt."
„Du solltest es ihm zeigen", mischte sich Hermine ein, „sonst wird er es nie verstehen."
Severus seufzte, er wollte Remus eigentlich nicht in seinem Haus, seinem Garten haben. Er würde vermutlich ebenfalls fragen, was es mit dem Baum auf sich hat und er müsste ihm die Geschichte erzählen.

„Du kannst mitkommen... wenn du den Mund hältst...", er gab ihm einen bösen Blick, dann rauschte er davon, Remus folgte ihm.

Offenbarung || Echos Where stories live. Discover now