Kapitel 1 - Jeder Morgen, wie der andere

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Mit müden Augen und noch halb im Schlaf schaute ich mein ziemlich chaotisch aussehendes Gesicht im Spiegel an. Meine Haare standen zu allen Seiten ab und man konnte meinen, sie wären nicht mehr zu retten, doch so sah ich jeden Morgen aus. Während mein Wecker noch fröhlich vor sich her trällerte, griff ich nach meiner Haarbürste und versuchte meine Haare in Ordnung zu bringen. Heute war mein erster Schultag in der 11. Klasse und ich hatte über die Ferien genug Motivation getankt, sodass ich dieses Schuljahr überleben werde … hoffte ich. Ich war nun in der Qualifikationsphase für das Abitur, was heißt, dass meine ganzen Noten, die ich in diesem Jahr schrieb, ins Abi eingebracht werden. Was für mich hieß: Lernen, lernen und noch mehr lernen. Die Begeisterung war mir wortwörtlich ins Gesicht geschrieben … Ich legte meine Bürste beiseite und zog mich an. Meine Kleider waren von mir gut ausgewählt, denn immerhin hatte ich einen Ruf zu verlieren. Ich war die beste Schülerin in meinem Jahrgang und hatte immer stets modische Klamotten an. Aber ich würde jetzt nicht so weit gehen und sagen, ich war die Beliebteste Person auf der Schule, denn das stimmte nicht wirklich. Es gab durchaus einige Schüler und Schülerinnen, die noch Modischer gekleidet waren als ich und die einen noch viel größeren Schwarm hatten als ich, doch ich konnte mich nicht beschweren. Ich hatte meine kleine Gruppe und in dieser war ich zufrieden.

„Astrid? Kommst du dann bald? Ruff steht schon vor der Tür.“ Rief meine Mom von unten, ich nahm meine Tasche und lief die Treppe runter.

„Dein Brot liegt auf dem Tisch.“ Sagte sie, als ich unten ankam.

„Danke Mom.“ Sagte ich, nahm das Brot und ging zur Tür raus. Ruff wartete schon ungeduldig am Gartentor auf mich.

„Hei.“ Begrüßte ich sie, als ich bei ihr ankam.

„Euer Haus sieht immer noch ganz schön protzig aus.“ Antwortete sie mir darauf und schaute das Haus an. Dann wandte sie den Blick ab, schaute mich an und umarmte mich zur Begrüßung. Zusammen gingen wir dann den gewohnten Weg zur Schule.

„Woho, Begeisterung Pur.“ Sagte sie mit wenig Begeisterung in ihrer Stimme und ich musste lachen. Ruff war eigentlich immer in der Stimmung gerade dann einen Spruch raus zulassen, wenn der richtige Moment da war. Noch lustiger war es mit ihrem Zwillingsbruder Tuff, denn beide konnten nicht nebeneinander Stehen, ohne sich die Köpfe einzuschlagen. Ruff und Tuff waren im gleichen Jahrgang wie ich und wir hatten auch die einen oder anderen Kurse zusammen. Ich freute mich schon riesig auf den Chemieunterricht mit Ruff. Bestimmt lässt sie wieder was in die Luft gehen oder brennt was an, was man eigentlich nichts anbrennen sollte, so wie im vergangenen Schuljahr.

„Hei, hast du von den Neuen Schülern gehört, die jetzt auf unsere Schule gehen?“ fragte sie mich aufgeregt.

„Ich habe nur gehört, dass neue Schüler kommen.“ Sagte ich, während ich meinen Kopf schüttelte. Ich wollte nicht sonderlich viel über die Neuen in Erfahrung bringen, ich wusste auch nicht so ganz warum. Ich hatte einfach ein ungutes Gefühl dabei.

„Es sollen glaube ich zwei Jungs und vier Mädchen sein. Sie sind erst am Anfang der Sommerferien hierher gezogen.“ Gab mir Ruff die Informationen. Ich zuckte nur mit den Schultern und lief nicht so ganz begeistert wie Ruff weiter.

„Ob die beiden Jungs heiß aussehen?“ sagte sie spaßeshalber, stupste mich mit ihren Ellenbogen an und grinste mich an. Ich schaute sie mit Hochgezogenen Augenbrauen an.

„Bestimmt ist da jemand für dich dabei.“ Sagte sie, als sie meinen Blick bemerkte und ich schüttelten lachend meinen Kopf.

„Du bist unmöglich.“

„Was? Könnte ja sein, und außerdem hast du dann endlich Ruhe von Snotloud.“ Sagte sie und wir lachten beide darauf los. Ja, Ruhe von Snotloud könnte ich eigentlich ganz gut gebrauchen. Er versuchte es tatsächlich noch nach nun mehr als drei Jahren mich rumzukriegen. Ich machte es ihm nicht besonders leicht, vor allem, da ich überhaupt kein Interesse an ihn hatte. Ob es einen besonderen Jungen gab? Nun, diese Frage beantwortete ich nur ungern, aber ja, es gab einen. Doch dieser ist vor ungefähr fünf Jahren weggezogen und ich hatte seitdem nichts mehr von ihm gehört.

Ich nahm es so, wie es gekommen war und zerbrach mir nicht weiter den Kopf darüber. Es wäre einfach zu … schmerzhaft gewesen. Also beschloss ich ihn zu vergessen und nach vorne zu sehen, was bisher auch super funktionierte.

Langsam kam das große Schulgebäude in Sicht. Noch ein letzter kurzer Blick auf meine Kleidung und auf meine Haare, dann setzt ich meine ‚vergiss-es-Jungchen-du-hast-keine-Chance-Mimik’ auf und ging mit Ruff auf das Schulgeländer. Ich musste zugeben, ich hatte nichts von alldem vermisst. Wir gingen den gewohnten Weg zu der Infotafel, auf der alles Mögliche ausgepinnt war. Der Vertretungsplan, die AGs und noch mehr, aber vor allem war dort unser Stundenplan ausgehängt. Vor der Infotafel trafen wir dann auf Fishlegs, Snotloud und Tuff. Wir stellten uns mit in den Kreis, den sie bildeten.

„Hei.“ Sagte ich in die Runde.

„Nein, Snotloud, jetzt hör mir doch zu. Du kannst Latein nicht mehr abwählen, wenn du schon Biologie und Chemie abgewählt hast.“ Versuchte Fishlegs Snotloud zu erklären und bemerkte mich nicht.

„Was für eine Scheiße ist das den. Ich habe aber auf diesen Zettel keinen Lateinkurs gewählt und dann werde ich einfach so in einen gesteckt? Was ist das denn für eine Logik?“ regte sich Snotloud auf. Der erste Schultag war immer am stressigsten, da es die einen oder anderen Kurswechsel gab und die einen oder anderen Fächer gab, die man noch los werden wollte. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit meinen Fächern und auch mit den Lehrern. Ich wurde schon viele Male gefragt, seit der Plan aushängt, ob ich einen Kopftausch, also einen Kurstausch, machen wollte, doch ich verneinte immer wieder.

„Das liegt daran, dass du auch nicht bei Biologie und Chemie was angekreuzt hast. Man kann nur zwei Fächer abwählen.“ Antwortete Fishlegs auf Snotlouds fragen. Ich seufzte und schaute mich um. Ob die neuen Schüler schon da waren? Doch ich sah noch nicht, was nach Neulingen aussah. Mein Blick wanderte weiter im Gebäude rum, bis ich bei einem Jungen, der mit dem Rücken zu mir stand, inne hielt. Er stand weit weg von mir und war umringt von Leuten, die, wie es schien, zu ihm gehörten. Mein Blick blieb an seinen Kastanienbraunen, etwas langen Haaren haften.

Hiccstrid HeartbeatWhere stories live. Discover now