Kapitel 9 - Hiccups Erklärung

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„Hei, kommst du nicht mit in den Unterricht?“ fragte mich Ruff gegen Ende der Pause, als wir in der Mensa saßen und sie schon mit ihrer Tasche vor mir stand.

„Ne, der Lehrer für meinen Kurs ist heute Krank. Ich habe jetzt eine Freistunde.“ Sagte ich und blieb auf meinem Stuhl sitzen.

„Och du gute.“ Maulte Ruff und ging im schleppenden Tempo aus der Mensa. Ich war nun alleine. Ich packte meine Mathesachen raus und machte mich an meine Hausaufgaben zu schaffen. Es war nun die dritte Woche Schule und ich hatte jetzt schon Probleme in Mathe mitzukommen. Es war frustrierend vor einer Aufgabe zu sitzen, unwissend, wie du sie lösen konntest. Ich schlug in meinem Mathebuch, nach einem Beispiel, nach. Ich googelte Illegaler weise im Internet nach einer halbwegs verständlichen Erklärung, doch das brachte alles nichts. Schließlich nach einer Viertelstunde gab ich es auf, nahm mein Kopf in meine Hände, stützte meine Ellenbogen auf den Tisch ab und schaute Hoffnungslos auf die Aufgabe. Meine Motivation, die ich in den Ferien getankt hatte, war schon längst ausverbraucht. Ich wusste nicht, wie ich dieses Schuljahr überleben sollte. Schließlich rechnete ich so, wie ich dachte, es wäre richtig und bekam ein total bescheuertes Ergebnis raus. Frustriert knallte ich meinen Kuli auf das Heft und rieb mir mein Gesicht. Ich konnte es nicht fassen. Nicht mal solch einfache Aufgaben bekam ich hin.

„Siebendrittel.“ Sagte eine Stimme.

„Was?“ fragte ich, während ich meinen Kopf anhob, um zu schauen, wer mich da ansprach. Als ich erkannte, wer es war, zerfiel meine verzweifelte Mimik und ich starrte ihn etwas überrascht, aber hauptsächlich verdutzt, an. Mein Herz fing an härter gegen meinen Brustkorp zu hämmern und meine Gefühle verfielen in Chaos.

„Die Lösung lautet Siebendrittel.“ Wiederholte Hiccup und schaute mich freundlich an, er lächelte nicht wirklich, dennoch zeigte sein Gesicht keinerlei Spuren von Verachtung, Hass, Verständnislosigkeit, Abneigung oder gar schmerz. Ich war zu sehr mit dem Kampf, ihn nicht anzustarren, beschäftigt, dass ich ihn gar nicht gehört hatte.

„Was?“ fragte ich nochmal verdutzt und er konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. Er schob den Stuhl, der gegenüber von mir stand, zurück und setzte sich hin. Er sah mich mit seinen perfekten grünen Augen an, die mich schon damals verrückt machten, und ich hätte mich fast in ihnen verloren, wenn er nicht den Blick abgewannt hätte, um auf mein Blatt zu schauen. Ich schüttelte leicht meinen Kopf, um aus der Starre zu kommen. Was war nur mit mir los? So nervös war ich selbst vor einer wichtigen Klausur nicht.

„Ähm … Astrid?“ sagte Hiccup vorsichtig und schaute mich prüfend an.

„Was … äh … Ja?“ brachte ich aus mir heraus. Oh man, ich war so verpeilt. Und er musste wieder lachen. Haha, das war ja auch soooooo witzig. Ich versuchte mich unter Kontrolle zu bringen und schaute ihn normal an. Das war schwieriger, als es aussah, denn er schaute mir schon wieder direkt in die Augen. Ich wendete meinen Blick blinzelnd ab. Irgendwie hatte ich Angst … ich wusste nicht wovor, oder warum, ich hatte einfach nur Angst. Ich merkte, dass er mich noch immer anschaute und schließlich holte er tief Luft.

„Ich habe nachgedacht.“ Fing er an und ich schaute ihn wieder an, dieses Mal neugierig.

„Worüber?“ Fragte ich ihn.

„Über das, was du gesagt hast.“ Sagte er und ich schaute ihn ernst an. Er bemerkte meinen Blick und wurde nervöser.

„Und … Ich weiß, ich war ein Idiot, ein komplettes Arschloch. Das sehe ich ein. Ich weiß, dass ich mich hätte melden müssen, vor allem, da wir ja am Anfang einer Beziehung waren und … ich war einfach zu feige. Ich hatte einfach Angst du … du würdest … das alles nur … gespielt haben, dass du … froh sein würdest, dass ich weg war.“ Ich sah ihn erschrocken an. Das hatte er doch nicht wirklich geglaubt?

„Aber ich weiß jetzt, dass das nie stimmte.“ Fügte er noch hinzu, als er mein Gesichtsausdruck sah, „Ich glaube, ich habe mir das nur eingeredet, um den Schmerz zu entkommen, der mich, seit wir uns trennen mussten, überkam. Ich dachte, ich … ich würde dich nie wieder sehen, deshalb wollte ich dir …. Wollte ich uns keine sinnlosen Hoffnungen machen …“ er berührte sanfte meine Hand, ich zog sie aber weg, verletzt, von den Worten, die er mir erzählte. Ich schaute ihn traurig und verletzt an. Wie konnte er nur so etwas denken.

„Ich weiß, es war grauenvoll von mir, mich nicht bei dir zu melden, das sehe ich jetzt ein, … es tut mir so leid, Astrid. … bitte … verzeihst du mir?“ sagte er vorsichtig und schaute mir in die Augen. Ich sah ihn auch an. In meinem Kopf drehte sich alles und ich hatte das Gefühl ich müsste gleich losschreien. Meine Gefühle erstickten mich. Ich war traurig, wütend, verletzt, überwältigt, … aber all die Gefühle hielten mich nicht davon ab ihn zu verzeihen. Eigentlich gab es überhaupt keinen berechtigten Grund ihm zu verzeihen, aber ich tat es einfach. Ich war bereit ihm all seine Fehler, Taten und Fehlentscheidungen zu verzeihen.

„Warum?“ hauchte ich, „Warum willst du, dass ich dir verzeihe?“

„Weil …“ er stockte. Darauf hatte er keine Antwort parat. Ich wusste nicht warum, aber seine Antwort auf meine Frage ließ mich zögern, es ihm zu sagen. Es ließ mich generell zögern. Er seufzte und schaute auf meine Mathe Aufgaben.

„Die Gleichung dort musst du Multiplizieren.“ Sagte er und zeigte auf meine Chaotische aufgaben. Ich stöhnte leise und fing an alles auszubessern.

„Hei, wenn du Hilfe in Mathe brauchst, dann kann ich dir helfen.“ Sagte er ruhig und ich sah ihn an, unsicher, ob das so eine gute Idee war.

„Ich komme gerade in Mathe nicht so gut mit, aber sonst ist alles gut.“ Sagte ich schroff und radierte weiter.

„Dann sagen wir … Donnerstag um 17 Uhr bei mir.“ Sagte er und schrieb seine Adresse und Handynummer auf einen Zettel auf und legte ihn in mein Mäppchen, „bis dann.“ Er stand auf, ging und ließ mich verdutzt in der Mensa zurück.

Hiccstrid HeartbeatWhere stories live. Discover now