Kapitel 32 - Blair wird leben

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Callisto

Zwei schwer bewaffnete Männer betreten lautstark den Raum und machen sich wortlos daran, meine Fesseln sowohl von den Füssen wie auch um meine Handgelenke zu lösen. Sie greifen unter meine Arme und heben meinen schlaffen, kraftlosen Körper hoch, stellen mich auf die Füsse und reissen mich dann mit sich.

Es dauert einen Moment bis ich begreife, dass ich offiziell aus meiner temporären Gefangenschaft befreit werde, allerdings sind die Voraussetzungen unter welchen dies geschieht nicht besonders hoffnungsvoll.

Die beiden Männer, die aussehen wie skrupellose Geheimagenten, sprechen keinen Ton mit mir, während sie mich zum bereits bekannten Fahrstuhl eskortieren. Das leise Plärren des Fahrstuhls und mein wildes, erschöpftes Keuchen ist alles an Geräuschen, die für einen unendlich langen Augenblick die eiserne Stille durchbrechen.

Danach gehen die Türen des Fahrstuhls wieder auf und wir treten auf einen sanft beleuchteten, still daliegenden Flur, der weitgehend Menschenverlassen ist. Die in einem langweiligen, beigen Farbton gestrichenen Wände des Flurs und der Schalldämpfende Teppich auf dem Boden wirken, als würden wir uns in einem Hotel befinden. Und tatsächlich unterstreichen die in regelmässig auftauchenden, verschlossenen Türen diesen Eindruck zunehmend. Wie mir bereits bei Blair's Zimmer aufgefallen ist, sind neben den Türfallen silberne Platten mit klein eingravierten Namen darauf angebracht worden, was der einzige Hinweis darauf ist, dass diese Hotelzimmer dauerhaft bewohnt sind.

Die Wachmänner des Alphas führen mich durch mehrere Flure, die allesamt gleich aussehen und keine einzige Tür verschafft mir einen Anhaltspunkt darauf, wo wir uns gerade befinden. Ich weiss nicht einmal, in welchem Stockwerk wir sind.

Wir biegen rechts ab und bleiben schliesslich vor einer unscheinbar schwarz gestrichenen Tür stehen, die nicht anders aussieht, wie alle anderen und bleiben erwartungsvoll stehen.

Einer der Männer greift nach einer goldenen Schlüsselkarte, die er bislang in einem Innenfach seines Jackets verborgen hielt, und hält sie an den elektronischen Leser, der oberhalb des Knaufs angebracht ist und uns Zutritt gewährt.

Die Männer drücken mir die Schlüsselkarte wortlos in die Hand und schieben mich schliesslich ins Innere des Zimmers. Stolpernd falle ich praktisch in den Innenraum und kann mich nur mühevoll auffangen. Wenige Augenblicke später wird meine Umgebung von einem hellen Deckenlicht erleuchtet.

Dann realisiere ich, dass es sich dabei viel mehr um eine Suite handelt, als ein Zimmer und mit stilvollen Möbelstücken und allerlei moderner Technik ausgestattet ist. Das Licht wäre vermutlich nicht nötig gewesen, denn zwischen den Schlitzen der Vorhänge dringt grelles, weiss gleissendes Sonnenlicht hindurch und lässt eine bereits fortgeschrittene Stunde vermuten.

Die Männer meines Vaters drücken sich an meinem erschöpften Körper vorbei, ziehen die Vorhänge erbarmungslos auf und kommen dann zu mir zurück, nur um mich an den Oberarmen zu greifen. Als wäre ich eine Gefangene werde ich von den beiden quer durch den Wohnbereich der Suite gezerrt und auf einen bequem gepolsterten Sessel gezwängt. Dann verlassen sie so schnell die Räumlichkeiten, dass mein Gehirn kaum hinterher kommt.

In dieser Situation kann ich nichts anderes tun, als zu warten und die vergangenen Stunden noch einmal Revue passieren zu lassen.

Der Alpha hat sich überraschend geduldig meine genau durchdachte Auflistung von Bedingungen angehört, ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen.

»Ich bin ganz Ohr. Wie sehen deine Bedingungen aus, meine Liebe?«

Einen Moment dachte ich darüber nach, ob es ein schlechtes Zeichen ist, dass der Alpha so schnell eingewilligt hat. Andererseits liegt inzwischen klar auf der Hand, dass ich seine grösste Schwäche bereits kenne: Mein verfrühter Tod. Und da in meinem Blut der Schlüssel zum Brechen dieses verdammten Fluches liegt, ist es ein leichtes etwas im Gegenzug zu verlangen.

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