Kapitel 14 - Einbrüche und Geheimnisse

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Callisto

Die kalte Winterluft bläst um die Strassenecke und ich ziehe meinen Mantel enger um meinen Körper, selbst wenn ich nicht friere. Das Wolfsgen beschützt mich vor der Kälte und pumpt mit jedem starken Schlag meines Herzens pure Hitze durch meine Adern, sodass mein Körper stetig mit Wärme durchflutet wird. In manchen Situationen ist diese Wärme allerdings nichts besonders wirkungsvoll; zum Beispiel wenn Blair in meiner Nähe ist. Auch er wird von dieser Hitze angetrieben und gemeinsam fühlt es sich manchmal so an, als ob ich gleich explodieren würde.

Bewusst verbanne ich diesen Gedanken aus meinem Kopf, da ich mich lieber auf das mir bevor stehende konzentrieren würde. Das ich andauernd sein Gesicht vor mir sehe und mir vorstelle, wie es sich anfühlt, seine Milchkaffeefarbene Haut zu berühren und unter meiner zu spüren, wie er jedes Mal lächelt, wenn er mich sieht und wie er meinen Namen ausspricht, mit seiner starken, tiefen, rauen Stimme, hilft nicht gerade dabei, sich zu konzentrieren. Aber langsam habe ich das Gefühl, sowieso in der Nachlässigkeit meiner Beherrschtheit zu versinken, ganz gleich, was ich alles tue, um das zu verhindern. Irgendwie ist es unausweichlich geworden, an ihn zu denken, egal was ich gerade tue.

Als hätte er wahrgenommen, dass ich an ihn denke, kommt er in diesem Moment um die Strassenecke auf mich zu. Er trägt bloß ein schwarzes Sweatshirt, dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hat. Seine hellen Augen blitzen auf animalische Weise unter dem Stoff hervor zu mir herüber und sofort läuft mir ein Schauer über den Rücken. Mir ist durchaus bewusst, dass ich ebenso gefährlich aussehen kann, aber noch immer muss ich mich an den Gedanken gewöhnen, dass ich tatsächlich in der Lage bin, mich in einen überdimensional grossen Wolf zu verwandeln.
Seine starke Postur, die sich deutlich unter dem weichen Stoff anspannt als er mich erblickt, ist ein weiterer Grund dafür, dass ich meinen Mantel erneut fester um meinen wehrlosen Körper ziehe. Langsam grenzt es schon an Bedauern, dass ich mich in seiner Nähe so wenig zu beherrschen weiss.

»Es kann los gehen«, brummt er neben mir, und seine raue Stimme erbebt in der bitterkalten Winternacht.

Ich warte nicht darauf, dass er sich in Bewegung setzt, sondern laufe schnurstracks auf das kleine Backsteinhaus zu, das wir die letzten zwanzig Minuten beobachtet haben. Blair hat mit einer List dafür gesorgt, dass Freya freiwillig ihren Laden verlässt und wir mussten hier draußen nur abwarten, bis unser Plan aufgeht. Wir beobachten, wie Freya das Licht ausschaltet und die Haustür abschliesst, bevor sie eilig die menschenleere Strasse hinaus geht. Ich schaue ihrer schlanken Figur hinterher und verfolge sogar ihren langgezogenen Schatten, bis auch dieser unausweichlich hinter der nächsten Ecke verschwunden ist und wir nichts mehr von ihr sehen.

»Was hast du ihr gesagt?«

Blair windet sich sichtlich unter meinem Blick. Diese Frage scheint ihm unangenehm zu sein und mir geht auf, dass er vermutlich an ihre alte Beziehung appellierte, um sie aus dem Laden zu bekommen. Ich verziehe meinerseits das Gesicht bei dieser Vorstellung und versuche jegliche, imaginären Bilder der beiden aus meinem Kopf zu bekommen. Abwehrend hebe ich die Hände, als er doch noch zum Sprechen ansetzt und werfe ihm einen schnellen Blick zu.

»Vergiss es. Sag's mir lieber nicht«, meine ich schnell und senke meine Stimme noch immer auf ein Flüstern.

Blair zuckt nur mit den Schultern, sichtlich froh, dass ich meine Meinung geändert habe und setzt sich schliesslich in Bewegung. Ich folge seinen schnellen Schritten und gemeinsam überqueren wir sogleich den Parkplatz des Ladens.

Blair geht mit selbstbewussten Schritten auf den Laden zu und hält schliesslich inne. Er wirft einige Blicke über seine Schulter und scheint die Lage einzuschätzen. Alles liegt still, ruhig und verlassen hinter ihm, sodass er kurz um den Eingang des Ladens herum geht und mir dann auffordernd zuwinkt.

SilbermondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt