Kapitel 16 - Ermordet, und im Vorgarten vergraben

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Callisto

Fluchend raufe ich den Haufen vor meinen Füssen zusammen und werfe die Klamotten in eine andere Ecke meines Schlafzimmers. Flatternd segelt der übel riechende Textilberg hinter meinem Kleiderschrank zu Boden. Gekonnt ignoriere ich das dumpfe Geräusch, welches entsteht als die Klamotten auf dem Boden aufkommen. Irgendetwas muss sich zwischen den ganzen Stoffen versteckt haben; ich gehe schwer davon aus, dass es sich bei diesem etwas um ein Buch handelt.

Tief durchatmend setze ich mich auf die Kante der Matratze und versuche mich nicht noch mehr über mich selber zu ärgern; normalerweise macht es mir nichts aus, dass ich chaotisch bin. An normalen Tagen kann ich mich gut mit einem Chaos arrangieren, doch dies sind keine normalen Tage mehr. Alles ist verkehrt, kompliziert und ein riesig grosses Durcheinander, über das ich mir nicht mehr länger den Kopf zerbrechen will.

An normale Dinge wie mein Studium, mein ekelhafter Ex-Freund, und wie ich sein Leben am besten ruinieren kann, oder meine verrückte beste Freundin, die mir seit Tagen ununterbrochen Nachrichten schickt, habe ich schon lange nicht mehr gedacht. Und ich wünschte, ich könnte zu diesem Leben zurückkehren ohne mit der Wimper zu zucken. Allerdings scheint es, als wäre dies inzwischen ein unmögliches Unterfangen geworden und um ganz ehrlich zu sein, würde es sich vermutlich auch nicht richtig anfühlen.

Ohne meine Schwester. Ohne Blair und ohne diese Gefühle, die ich für ihn habe. Und ohne das unschuldige Wissen, vollkommen normal zu sein.

Frustriert über mein aufgewühltes Seelenleben kicke ich in meiner Rage gegen den nackten Buchrücken eines Werks, das ich für die Uni brauche. Es fliegt zu den Sachen, die bereits auf dem Klamottenhaufen liegen.

Rasch verschwinde ich im Badezimmer, putze meine Zähne und wasche mein Gesicht mit eiskaltem Wasser, bevor ich zurück in mein wundervolles Chaos gehe. Ich krame ein paar frische Sachen aus meinem Schrank; ich schlüpfe in eine ordentliche Stoffhose, einen etwas zu grossen Pullover und binde mein Haar zu einem Pferdeschwanz zurück. Dann verlasse ich mein Schlafzimmer.

Blair ist offenbar früh aufgestanden, denn in meiner Wohnung finde ich ihn nicht. Manchmal kommt er dann mit einem frischen Kaffee zurück, also kann ich es ihm nicht übel nehmen.

Schnell mache ich mich daran, das dreckige Geschirr in die Spülmaschine zu räumen und den Tisch mit einem feuchten Lappen abzuwischen. Als ich mich umsehe, wird mir jedoch klar, dass es in dieser Wohnung noch unordentlicher aussieht, als in meinem Zimmer und das will schon etwas heissen.

Seufzend kehre ich in die Küche zurück und stelle mich an die Kücheninsel, wo Blair und ich die Akte über den Fluch liegen liessen. Mein Blick saugt sich an der Mappe fest und ich klappe sie ein weiteres Mal auf, selbst wenn ich weiss, dass es sinnlos ist. Egal, wie lange ich die fremden Worte und merkwürdigen Symbole auch anstarre, sie ergeben keinen Sinn.

Ein aus dem nichts kommender Knall reisst mich aus meiner stockstarren Konzentration und ich schrecke hoch. Mein Körper, mein Herz, mein Puls reagieren schneller als mein Verstand, und doch nicht schnell genug um gegen den schwarzen Nebeldunst anzukommen, der sich mit dem explosionsartigen Öffnen der Eingangstür in meiner gesamten Wohnung verteilt. Der schwarze Nebel glitzert in der Luft, riecht nach Schwefel und auch wenn ich mir grosse Mühe gebe, nichts davon direkt einzuatmen, scheitere ich bei diesem Vorhaben kläglich.

Augenblicklich werde ich von einem übelkeiterregenden Schwindel gepackt, der meinen gesamten Schädel zu vernebeln scheint, meine Augenlieder nach unten zieht und meine Gliedmassen schwer werden lässt. Meine Hände greifen blind nach der Kante der Kücheninsel, doch ich greife ins Leere. Meine Knie geben unter meinem zunehmend untragbaren Gewicht nach und wenn mich nicht zwei kalte, kräftige Hände an den Oberarmen gepackt hätten, wäre ich sicherlich zu Boden gestürzt. Gedämpft langsam dringen Worte an mein Gehör, doch ich kann sie nicht identifizieren.

SilbermondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt