Kapitel 7

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Die Menschen waren alle so liebevoll zu ihr. Sie fühlte sich bei ihnen wie in einer kleinen Familie.
Fynn, der kleine Junge, dessen Eltern getötet wurden, war für Luna wie ein Sohn. Sie kümmerte sich um ihn, wenn er wieder eine Phase hatte, in der er vor Trauer nichts mehr machen konnte. Auch Marc hatte das Kind ins Herz geschlossen und verbrachte viel Zeit mit ihm.
Zusammen spielten sie Fußball, indem sie eine Matratze zusammenknüllten, bis sie einigermaßen rund war und ein Seil um das Päckchen banden. Dann malten sie mit kleinen Steinchen, die als Aufschüttung in einer Ecke lagerten, ein Rechteck an die Wand.
Schließlich schossen sie abwechselnd den Ball dagegen. Oft ließ Marc Fynn gewinnen, damit der Junge Spaß hatte.
Luna unterhielt sich in der Zwischenzeit mit den anderen Leuten.
Sie interressierte sich sehr für die Lebensgeschichten, die die Menschen zu erzählen hatten.
Da war einmal Grace, die alte Frau, die Luna als erste umarmt hatte.
Sie hatte ein großes Herz und kümmerte sich um die körperlich, meist aber seelisch Erkrankten Menschen. Wenn es wieder jemanden gab, der so große Angst hatte, dass er anfing zu zittern und zu weinen, setzte sie sich oftmals einen ganzen Tag neben ihn und hörte ihm zu. Dann erzählte sie ihm Dinge die sie auf den vielen Reisen, die sie erlebt hatte, gesehen hatte.
Wenn dies geschah setzten sich auch immer die drei jungen Frauen Charleen, Joanne und Clarissa zu ihr. Sie liebten ihre Geschichten.
Die drei waren beste Freundinnen und hatten sich gemeinsam die Weltreise gegönnt, um mal aus dem Alltag rauszukommen, der jeden Tag auf ihnen lastete.
Häufig gesellte sich auch Lora zu ihnen. Sie hatte sich mit den drei Frauen angefreundet, war aber etwas jünger als diese. Während Charleen, Joanne und Clarissa alle um die vierzig waren, betrug Loras Alter sechsundzwanzig Jahre. Sie war bildhübsch und das blieb auch den Männern nicht verborgen.
Insbesondere Collin, ein braungebrannter Australier Ende zwanzig, war von ihr angetan. Und wenn Lora ihn verstohlen anblickte und merkte, dass er sie bereits anstarrte, lächelte sie und drehte dann schnell ihren Kopf wieder weg.
Eines Abends beobachtete Luna wie Lora und Collin miteinander sprachen und sich dann ihre Lippen berührten. Sie grinste, blickte dann aber in eine andere Richtung, weil sie bei so einem intimen Moment nicht stören wollte.
Plötzlich spürte sie einen warmen Atem in ihrem Nacken und noch bevor sie sich umdrehen konnte, wurde sie von Marcs warmen Lippen an den Hals geküsst.
,,Ich fang gleich an zu kotzen" kam es hinter Marc hervor und Luna stöhnte genervt auf.
Athur, ein circa fünfzig jähriger Glatzkopf,
war der einzige in der Gemeinschaft, den Luna nicht ausstehen konnte. Er hatte an allem etwas rumzumeckern, aber besonders Pärchen störten ihn.
Problematischer Weise gab es aber nicht gerade viel Platz in ihrem Raum, um sich im Geheimen zu treffen, also nervte Athur jeden Mal, wenn sich eines der drei Pärchen in seiner Nähe aufhielt, so lange, bis sie auseinander gingen.
Das dritte Pärchen waren Alice und Henry. Sie waren total süß zusammen, denn beide waren um die achtzig Jahre alt und immer noch verliebt wie am ersten Tag.
Außerdem hatte Luna den Kellner, James war sein Name, wiedererkannt, der ihr und Marc am Unglücksabend das Dinner bringen sollte. Er konnte sich nicht mit dem Rest der Mannschaft in ein Beiboot retten und war somit der einzige Nicht-Urlauber zwischen ihnen.
Und dann gab es da noch Alex, ein junger Neuseeländer, der seine Eltern in seiner Heimat besuchen wolle.
Alex hatte blonde, etwas längere Haare und war ein begnadeter Surfer, wie er sich selbst beschrieb. Er hatte seit sie in auf dem Schiff festsaßen, ein Auge auf Luna geworfen und starrte sie auch dementsprechend oft an. Marc, dem das nicht entging, quittierte seine Blicke oft mit einem missbilligendem Grummeln und zog Luna dann noch enger in seine Arme.
Ihr Essen bekamen sie morgens und abends. Meist war es Fischeintopf mit Brot. Irgendwann reichte Luna es, diese Suppe zu essen. Schon länger spielte sie mit dem Gedanken zu flüchten.
Doch wenn sie dann ihre Mitbewohner ansah und vor allem die älteren, verwarf sie diesen Gedanken schnell wieder.
Sie wollte niemanden aufgrund ihrer Ungeduld verlieren.
Die Piraten konnten sie ja nicht ewig festhalten.
Eines Abends kam ein kleiner, vernarbter Mann in ihren Raum. Zuerst dachte Luna, dass er das Abendessen vorbeibringt, doch er nahm sie wortlos am Handgelenk und zog sie zur Tür hinaus.
Noch bevor sie oder irgendjemand anderes realisierte was passiert war, schloss er die Tür zu und trennte somit Luna vom Rest der Gruppe.
Sie hörte noch wie jemand ihren Namen rief, dann war es still. Die Tür war absolut schalldicht.
Der Mann zog sie eine Treppe hoch. So langsam konnte sie sich ein Bild vom Aufbau des Schiffes machen.
In der Etage wo sie und die anderen lebten, gab es mehrere kleine Räume in denen die Mannschaft lebte.
Außerdem war unter der Treppe ein kleines Lager, wobei Luna nicht wusste was es beinhaltete. Doch sie vermutete darin Waffen.
In der darauffolgenden Ebene befand sich eine Kombüse, wie sie am Geruch bemerkte. Neben der Küche befand sich die Kapitänssuite, in die man Luna jetzt führte.
Wie bei ihrem ersten Besuch hier, stand ein Kompass in der Mitte des Raumes, dessen Nadel nicht stillhielt, sondern immer wieder die Richtung wechselte.
Hinter ihm sah sie Kapitän Nautikum, der ihr den Rücken zuwand und nach draußen auf den Balkon schaute.
Er zuckte leicht mit dem Kopf, was ihr zeigte, dass er ihre Anwesenheit bemerkt hatte.
Lunas Schätzungen zufolge, befanden sie sich direkt über dem Raum ihrer Gemeinschaft.
,,Ich muss mich entschuldigen." fing John an.
,,Für was? Für's einsperren? Für's küssen? Für's demütigen? Oder gar für's Ermorden von den Fynns Eltern?" fauchte sie mit wütendem Blick.
Erschrocken sah er sie an:,, Ich habe bisher niemanden ermordet."
Hinter ihnen räusperte sich jemand. Als sie sich umdrehten erblickten sie den Wachmann an der Tür.
,,Käpt'n ich musste zwei junge Menschen erschießen. Sie kamen mit Messern auf mich zu. Ich musste mich schützen."
,,Und wieso sagst du das erst jetzt?" fragte John mit verbissenem Gesicht.
Doch Luna ließ den Mann nicht antworten, sondern sprang ihm an die Gurgel. Sie konnte nicht fassen, dass er Fynn zu einem Waisen gemacht hatt und dann auch noch mit faulen Ausreden ankam.
Sie konnte sich vor Wut nicht mehr beherrschen und drückte ihn zu Boden, indem sie ihm sie Luftröhre zudrückte.
Sie hätte ihn sicher umgebracht, wenn John nicht dazwischen gegangen wäre und sie von ihm runtergezerrt hätte.
Er drückte ihr eine Hand gegen den Bauch, sodass sie auch keine Möglichkeit mehr hatte auf den Mörder zu zulaufen.
Währenddessen packte er den um Luft ringenden Wachtmann am Kragen und zischte ihm:,,Um dich kümmere ich mich später, verzieh dich" ins Ohr.
Der Mann taumelte, des Sauerstoffmangels wegen, den Gang hinunter und verschwand.
,,Ich habe einen Vorschlag für dich" wandte er sich wieder an Luna, die immer noch vor Wut zitterte.

,,Und der wird mir nicht gefallen oder?"

,,Kommt ganz drauf an was du wählst"

,,Was steht mir denn zur Wahl?" fragte sie mit böser Vorahnung.

,,Du hast Temperament und bist für die Frau an meiner Seite perfekt geeignet. Mir ist klar, dass du dies nicht einfach so machen wirst. Deine Treue gegenüber deinem kleinen Lover ist lästig. Also entweder heiratest du mich..." fing er an.

,,Niemals"

,,...oder ich töte jeden einzelnen von den Menschen dort unten. Angefangen bei der alten Frau bis hin zu deinem Lover, den ich dann eigenhändig töten werde. Am Ende wirst du so oder so, mir gehören." sagte er.
Sie war geschockt. Er hatte also seine Nettigkeit und die Entschuldigung nur vorgetäuscht, damit sie ihn heiratete.
,,Du bist klug und weißt sicherlich welche Entscheidung du treffen musst" meinte er nur noch.
Dann bedeutete er ihr mit einem Armschwenker, dass sie entlassen war.

Die Entdeckung Mittelerdes Where stories live. Discover now