Kapitel 11

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Den Rest des Tages verbrachte Luna mit Grace und Fynn. Der kleine Junge verlor von Tag zu Tag seine Angst und vertraute ihr jetzt schon blind.
Grace dagegen, hatte zunehmend Respekt vor ihrer Unternehmung. Man hätte nicht sagen können, ob sie nun den Abend herbeisehnte oder nicht.
Luna war sich ihrer Gefühle sicher. Sie konnte den richtigen Fluchtzeitpunkt gar nicht erwarten. Das Mittagessen brodelte immernoch in ihrem Magen, vor Aufregung und Erwartung. Langsam brach die Dämmerung herein und der Himmel verdunkelte die Wolken, sodass sie aussahen, wie aus Schatten bestehende Fetzen.
,,Es ist soweit" Grace's Stimme war fest, aber Luna sah die Zweifel in ihren Augen. Hoffentlich klappte der Plan, sonst würden sie alle sterben.
Marc öffnete das Bullauge und erklärte noch einmal Wort für Wort, wie die Flucht aussah, damit es auch jeder wirklich verstand.
Luna kletterte indes auf das Fensterbrett und streckte den Kopf in die Nacht hinaus. Eine Windböe zerrte an ihren Haaren und ließ sie schaudern. Unter sich sah sie das Meer, schwarz und tödlich, als wäre schon seine reine Berührung gefährlich.
Jemand zog sie ruckartig zurück.
,,Was machst du da?" zischte Marcs Stimme dicht an ihrem Ohr.
,,Wonach siehts denn aus?" fragte sie fordernd zurück.
,,Nach Selbstmord"
Jetzt war er wirklich wütend. Seine Augen funkelten böse, doch sie konnte noch etwas anderes darin endecken. Sie wusste nicht was es war, aber wahrscheinlich machte er sich wieder Sorgen um sie.
,,Ich werde nach oben klettern und sicherstellen, dass ihr oben sicher seid"erklärte sie genervt. Sie war erwachsen. Sie konnte selbst auf sich aufpassen und brauchte niemanden, der ihr das alles verbot.
,,Das wirst du nicht tun"
,,Du kannst mir das nicht verbieten. Ich habe uns hier hereingeritten und ich werde alles Risiko eingehen uns hier wieder herauszuholen" Nun war auch sie sauer.
,,Luna tu das nicht!" Sein Blick war nun etwas weicher. ,,Bitte" fügte er schon fast flehend hinzu.
Doch Luna konnte und wollte nicht umkehren. Marc tat ihr fast schon leid. Aber auch nur fast. Die Wut, über seine Überheblichkeit und Bestimmtheit von ihm, kochte noch immer in ihr. Sie schüttelte den Kopf und mit einem energischen ,,Nein" riss sie sich von ihm los.
Sie sah ihn nicht an, doch sie wusste, dass er sie nicht weiter aufhalten würde.
Und er tat es auch nicht.
Langsam streckte sie den Kopf wieder aus dem Fenster. Die Gischt einer großen Welle spritzte ihr ins Gesicht und brannte in ihren Augen.
Entschlossen griff sie nach oben, an den ihr wohlbekannten kleinen Absatz, den die Schiffswand beschrieb.
Vorsichtig stand sie auf und spähte durch den kleinen Spalt unter der Brüstung, auf den Balkon. Alles war dunkel, auch die Fenster der Suite lagen in undurchdringlichen Schatten.
Luna kletterte an der Absperrung hoch. Es fiel ihr nicht sonderlich schwer, da die Brüstung fast wie eine Leiter zu benutzen war. Die einzelnen Streben hatten genau die richtige Größe für ihre Füße.
Mit einem leisen, hohlen Klang, kam sie auf dem hölzernen Boden des Balkons auf. Dann blieb sie still stehen und horchte auf Geräusche.
Als sich nach längerem Warten immernoch nichts rührte, schaute sie wieder nach unten.
Der Haarschopf von Marc blickte ihr entgegen. Mit einem Daumen nach oben zeigte sie ihm, dass der Weg frei war. Sie hatten vorher noch kurz abgesprochen, in welcher Reihenfolge die Menschen nach oben kommen sollten.
Luna streckte die Hand aus und eine kleinere, schwitzig, kalte Hand legte sich in ihre. Sie zog Fynn nach oben. Er war leicht und ließ alles mit sich geschehen, als würde er das jeden Tag machen. Er war so unglaublich mutig.
Luna stellte ihn auf dem Boden ab und begutachtete mit einem schnellen Blick, ob er sich etwas getan hatte. Als sie nichts entdeckte, wollte sie wieder zur Brüstung gehen, um den anderen zu helfen, doch da griff bereits eine Hand von unten an das Geländer. Marc zog sich mit einem eleganten Sprung über die Begrenzung des Balkons. Sein ganzer Körper war angespannt, als er sich zu ihr umdrehte. Sein Blick war kalt. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Er war immer freundlich und zu Scherzen aufgelegt, doch diesen Marc, der vor ihr stand,kannte sie nicht.
Stillschweigend machten sie sich an die Arbeit und halfen auch den anderen über die Brüstung.
Schlussendlich standen vierzehn, unter anderem verängstigte, Menschen auf dem Balkon der Kapitänssuite von John Nautikum. Sie alle blickten Luna fragend an.
Sie legte einen Finger an die Lippen, um ihre Gemeinschaft zum Schweigen zu bringen.
Dann machte sie sich an der Balkontür zu schaffen. Mit einem leisen Klicken öffnete sich diese. Sie spähte in den dunklen Raum, konnte aber nichts Auffälliges sehen. Mit einem Wink mit ihrer Hand, bedeutete sie den anderen, ihr zu folgen.
Das einzige Licht kam durch einen kleinen Spalt unter einer Tür, auf der rechten Seite des Raumes. Von dort kam auch das Geräusch von rauem Gelächter und Besteckgeklapper. Die Mannschaft aß Abendbrot.
Luna schaute sich um, auf der Suche nach der Tür, die ihr Fluchtweg sein sollte.
Da! Die Tür lag in Schatten, aber es war eindeutig die richtige. Luna ging darauf zu. Fynn hielt ihre Hand fest umklammert.
Die Tür war unverschlossen und ließ sich leicht öffnen.
Vorsichtig sah sie nach draußen, wo der Wind sofort an ihr riss. Niemand ließ sich auf dem Fluchtweg blicken, außer ein paar verirrte Möwen, die hier anscheinend schlafen wollten.
Luna winkte ihre Gruppe heran und gestikulierte wild in Richtung Rettungsboote. Zwei kleine, rote Boote hingen auf dieser Seite des Schiffes.
Grace ging bestimmend voran und stieg in eines ein.
Mit einem Handzeichen, zeigte sie auf Athur, Collin, Lora, Charleen, Joanne und Clarissa. Die Sechs gingen eilig zu ihr und stiegen ebenfalls ein. Nun war das Boot voll.
Luna entknotete die Seile, die das Rettungsboot am Schiff festhielten und ließ sie langsam durch die Finger gleiten. Die Wellen kamen immer näher und schlugen schließlich mit einem Plätschern an das kleine Boot.
Luna ließ das Seil gänzlich los und warf es nach unten ins Meer.
Schemenhaft konnte sie erkennen, wie die Motoren mit einem leisen Knattern, das fast von dem wogenden Meer übertönt wurde, angelassen wurden. Das Boot entfernte sich und wurde schließlich von den Fängen der Nacht verschluckt.
Währenddessen stiegen die restlichen Personen nacheinander in das Boot.
Henry, Alice, James. Gerade als Alex auf das Boot ging, ertönte hinter ihnen ein lautes Knallen. Die Tür zum Fluchtweg wurde aufgestoßen.
John Nautikum und zwei andere Männer sahen sie wütend an.
Luna zerrte Marc am Arm, in Richtung des Bootes. Hals über Kopf stürzten sie darauf zu. Die Piraten folgten ihnen nicht.
Überrascht und misstrauisch sah Luna sich um. Schnell presste sie sich eine Hand auf den Mund, um ihren Aufschrei zu unterdrücken.





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Hallo liebe Leser!
Wollt ihr dass es weitergeht? Ich schaffe heute ganz bestimmt noch einen Teil, aber natürlich nur, wenn ihr auch wollt.
Ich freue mich auf euch und bis zum nächsten Kapi.
Eure Lou

Die Entdeckung Mittelerdes Where stories live. Discover now