Kapitel 29

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,,Meinst du, wir finden hier noch jemanden, der mit uns spricht?" fragte sie.
Luna und Marc liefen nun schon stundenlang über kleine Wege und klopften immer wieder versuchsweise an runde Türen, doch niemand wollte ihnen öffnen.
Erschöpft ließ sich Luna auf eine kleine Bank sinken und vergrub das Gesicht in den Händen.
Marc hockte sich vor sie und zog ihre Finger wieder herunter.
,,Wir schaffen das. Dahinten ist noch ein Haus und ich finde, dort sollten wir es mal probieren" Er deutete einen Weg entlang.
Luna nickte resigniert und stand dann von ihrer Sitzgelegenheit auf.
Langsam gingen sie zu dem Hügel und öffneten eine sauber gestrichene Gartenpforte, die in einen kleinen Vorgarten führte, in welchem eine Bank stand.
Schließlich klopfte Luna an eine runde, grüne Tür, die einen Messingknauf besaß.
Zu ihrer Überraschung öffnete ihnen eine kleine Gestalt mit kräuseligen braun-roten Haaren.
,,Was kann ich für euch tun?" fragte es zudem höflich.
,,Ähm..." Verdutzt über diese Freundlichkeit, wusste sie nicht mehr, was sie sagen wollte.
Marc half ihr auf die Sprünge:,,Wir wollten nur wissen, wo es hier einen Bürgermeister oder sonst jemanden verantwortlichen gibt"
Das Wesen musterte sie kurz und öffnete die Tür etwas weiter.
,,Ihr werdet beim Bürgermeister keine Hilfe bekommen. Menschen wie ihr sind hier sehr selten und außerdem müsstet ihr eine Zwei-Tagesreise unternehmen. Was wollt ihr denn von ihm?" fragte es.
Hilfesuchend sah Luna zu Marc. Was sollten sie sagen? Zwei Schiffbrüchige aus einer anderen Welt, die nicht einmal wussten wo sie waren und wie sie hierher gekommen sind. Das klang selbst für ihre Verhältnisse verrückt.
,,Wir haben uns verlaufen und suchen jetzt einen Weg zurück" antwortete sie. Das war wenigstens nicht gelogen.
,,Und woher kommt ihr, wenn ich fragen darf"
Diesmal war es Marc, der antwortete:,,Unsere Heimat ist weit entfernt und wir brauchen eine Unterkunft und Verpflegung, da unser Reiseproviant verbraucht ist"
,,Und was wollt ihr jetzt von mir?" fragte es leicht misstrauisch.
Luna setzte alles auf eine Karte:,,Könnten wir bei Ihnen vielleicht..."
,,Nein! Auf gar keinen Fall!" zeterte es.
,,Aber..."
,,Ich bin ein angesehener Beutlin"
,,Bitte..."
,,Verschwindet von meiner Tür. Ich will keine Wegelagerer in meinem Haus"
Damit schlug er die Tür zu und ließ die beiden stehen.
Luna setzte sich auf die Bank, die in dem hübschen Vorgarten stand.
,,Was machen wir denn jetzt? " fragte sie verzweifelt.
Marc blickte noch einmal zu der verschlossenen Tür und sag dann wieder zu Luna.
,,Ich schätzte wir werden die Nacht hier verbringen müssen" meinte er. Luna sah, dass er aus irgendeinem Grund am ganzen Körper angspannt war. Sie sah sich um, konnte aber nichts Auffälliges entdecken.
Seufzend ließ sie sich gegen die Banklehne sinken und schloss dabei die Augen.
Sie spürte wie die Sitzfläche links neben ihr, sich absenkte, als Marc sich darauf niederließ.
Ohne die Augen zu öffnen legte sie ihren Kopf zur Seite und spürte sogleich das vertraute Gefühl seiner Schulter an ihrem Kopf.
Luna schlief sehr schnell ein. Die Wanderung durch Beutelsend hatte sie mehr erschöpft, als sie dachte.
In dieser Nacht träumte sie wieder. Doch es war ein anderer Traum. In diesem Traum kam weder ein furchteinflößendes, unsichtbaren Wesen vor, noch irgendwelche Naturgewalten, die unnatürlich echt wirkten.
Dieser Traum war ein ganz normaler Alptraum. Wenn man bei Alpträumen von normal reden konnte.
Es war Nacht und der Sturm zauste ihr an Haaren und Kleidung. Ihr gegenüber standen drei Männer und ein kleiner Junge.
Fynn wurde von einem Piraten festgehalten. Der kleine Junge trat wild um sich und wehrte sich wehement.
Sein Peiniger war ein junger, versoffener Mann. Das dunkelbraune Haar fiel ihm strähnig, schmutzig auf die Schultern.
Er hielt einen Säbel in der Hand, dessen Klinge leicht gekrümmt war.
Fynn versuchte sich immernoch zu befreien.
Luna starrte ihn weiterhin erschrocken an, während sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Sie sah die Klinge nichteinmal kommen. Die Säbelspitze ragte aus der Brust des Jungen. Hellrotes Blut glänzte an dem eisernen Ende.
Er sah sie mit großen Augen an, überrascht und anklagend.
Luna wusste nicht, was sie tun sollte. Zitternd versuchte sie sich zu bewegen, nur um irgendeine Reaktion aus ihrem Körper herauszuholen.
Ein dunkler Fleck breitete sich auf seinem hellgrauen T-Shirt aus. Fynn sah hinab, als würde er nicht fassen können, was gerade geschah. Seine Atemgeräusche wurden immer lauter und rasselten schließlich schwer.
Mit einem Ruck zog der Pirat seine Klinge aus dem Jungen und hinterließ eine Wunde, die nun umso mehr blutete.
Ein dumpfes Poltern ließ sie aufhorchen und Luna sah, dass Fynn nun auf dem Boden zusammenbrach. Er verdrehte die Augen und sah schließlich blicklos in den schwarzen Himmel der Nacht.
Immer wieder diese Szene. Und immer wieder versagte sie, ohne eine Chance, den Jungen zu retten. Nachdem sie Fynns Tod ein Dutzend Mal gesehen hatte, unterbrach eine Stimme den Fluss der Ereignisse. Sie kannte die Stimme und die Stimme kannte ihren Namen und rief sie.
Endlich öffnete sie die Augen und sah sich um. Vor ihr war Marcs Gesicht. Er sah sie ernst an.
,,Du hast geredet im Schlaf und geschrien. Ich dachte, es ist besser dich aufzuwecken. Wir haben übrigens Besuch bekommen"
Er deutete auf eine Person, die vor dem Gartentor stand.

Die Entdeckung Mittelerdes Où les histoires vivent. Découvrez maintenant