Kapitel 8

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Draußen vor der Tür stand schon ein Mann bereit, um sie nach unten sie bringen.
,,Fass mich nicht an" fauchte sie wütend.
Sie sah in diesem Moment so böse aus, dass er sie allein nach unten gehen ließ. Zitternd vor Wut, Trauer und Verzweiflung versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen.
Vergeblich.
Auf der Treppe kochten ihre Gefühle hoch. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Es war zu viel. Zu viel Verantwortung, für ein so junges Mädchen.
Sie schluchzte so leise wie möglich und versuchte sich zu beruhigen, denn sie wollte auf keinen Fall, dass die anderen, vor allem Marc, sich Sorgen machten.
Nach einer gefühlten Stunde weinen, waren ihre Augen komplett ausgetrocknet und sie machte sich auf den Weg zur Tür.
Der Pirat, der Wache hielt, öffnete diese mit finsterem Blick und Luna trat ein. Sofort verstummten die Gespräche im Raum und alle Blicke waren auf sie gerichtet.
,,Es geht mir gut Leute" sagte sie mit überraschend fester Stimme.
Plötzlich stürmte jemand auf sie zu und umarmte sie so fest, als wolle er sie nie wieder loslassen.
Sie löste sich aus seien Armen:,, Mir geht es wirklich gut, du musst dir keine Sorgen machen."
,,Was ist da oben passiert" fragte Marc. Sie hörte Sorge in seiner Stimme.
,,Ich war beim Kapitän" Er sog scharf die Luft ein, wartete aber auf weitere Erklärungen.
,,Und er hat mir einen Vorschlag gemacht, den ich abgelehnt habe und deswegen müssen wir sofort von hier flüchten" sagten sie nur und hoffte, dass sie sich durch die kleine Lüge weiteres Fragen ersparte.
Ihr Hoffen wurde nicht erhört, denn Marc fragte gleich: ,, Was für ein Vorschlag?"
,,Ist nicht so wichtig, wichtig ist doch nur, dass ich heil wieder hier bin und dass wir hier weg müssen." wich sie seiner Frage aus.
Er nickte nur und ging weg, um mit den anderen zu reden. Sie wusste, dass das Thema noch nicht abgeschlossen war und dass er früher oder später auf die Frage zurückkommen würde.
Doch im Moment war das wichtigste ein ausgeklügelter Fluchtplan.
Luna erklärte Grace und Marc, wie das Schiff aufgebaut war und dass sie sich direkt unter der Kapitänssuite befanden.
Außerdem war über ihrem einen Bullauge der Balkon der Suite.
,,Wenn wir es von unserem Fenster, nach oben auf den Balkon schaffen, könnten wir von dort aus, auf den Fluchtweg zu den Rettungsbooten klettern" fasste Grace ihre Ausführungen zusammen.
,,Vorrausgesetzt, dass man vom Balkon, auf den Fluchtweg außen am Schiff kommt." fügte Marc hinzu.
,,Das können wir herausfinden" meinte Luna, ,,du musst mir nur helfen aus dem Bullauge zu klettern, dann kann ich kurz über den Balkonrand spähen und euch berichten ob es eine Trennwand dazwischen gibt."
,,Bist du sicher? Du könntest runterfallen" entgegnete Marc.
,,Wenn du mich gut festhältst, falle ich nicht." bemerkte Luna nur und wusste, dass sie diese Diskussion gewonnen hatte.
,,In Ordnung" grummelte er, ,,wann gehts los?"
,,Jetzt! Wir müssen so schnell wie möglich hier weg" sagte Luna und machte Anstalten, in Richtung Fenster zu gehen.
Ein Arm legte sich um ihre Taille und zog sie zurück.
,,Ich liebe dich Luna" flüsterte Marc da in ihr Ohr.
,,Ich liebe dich mehr" antwortete sie und zog ihn zu sich heran, um ihn zu küssen. Bei der leichten Berührung seiner Lippen zerschmolz ihr Herz förmlich. Unter ihren Fingern konnte sie das Pochen seines Herzens hören, welches seine Geschwindigkeit enorm beschleunigte. Sie liebte ihn ohne Grenzen.
,,Pass bitte auf dich auf" hauchte er und ließ sie los.
,,Pass du auf mich auf" neckte sie ihn und stieg aufs Fensterbrett. Dann öffnete sie das Bullauge und streckte ihren Kopf raus. Es war fast kein Wellengang. Das Schiff trieb anscheinend mitten auf dem Ozean, denn wohin Luna auch schaute, sie sah nur die Weiten des Meeres.
Sie legte sich auf den Rücken und guckte nach oben, um sich nach einer Möglichkeit zum Festhalten umzusehen. Direkt über ihr befand sich ein kleiner Absatz nach dem sie griff. Jetzt erkannte sie auch den Balkon über sich. Er war circa einen Meter von ihr entfernt. Sie konzentrierte sich ganz auf ihren Körper und versuchte nicht nach unten zu schauen, während sie sich nach draußen zog. Nun stand sie in dem Fenster und konnte unter der Balkonbrüstung hindurchsehen. Direkt vor ihr stand ein Paar Stiefel. Sie erschrak so sehr, dass sie fast runterfiel. Der Träger der Schuhe schien sie nicht bemerkt zu haben und ging zurück ins Innere des Schiffes. Sie atmete einmal tief durch und ging dann einen Schritt zur Seite um mehr sehen zu können. Doch sie hatte nicht beachtet, dass sie in einem runden Bullauge stand und trat ins Leere. Luna verlor das Gleichgewicht und versuchte sich an dem kleinen Absatz festzuhalten, doch ihre Finger fanden keinen Halt und sie rutschte ab.
Das Wasser kam ihr schnell näher und sie schloss mit ihrem Leben ab. Sie wusste aus dem Schulunterricht, dass man bei den kalten Wassertemperaturen, die im Ozean herrschten, nicht lange überleben konnte. Ihr war klar, dass sie keine Chance hatte, zurück ins Schiff zu gelangen. Die Wand war glatt und bot keinerlei Möglichkeiten um sich hoch zu ziehen.
In ihrem Kopf dankte sie ihrem Vater, für die vielen tollen Jahre mit ihm. Er hatte sich immer um sie gesorgt und ihr alles möglich gemacht, was sie sich gewünscht hatte.
Zum Beispiel als sie acht Jahre alt war, hatte sie zuhause immer wieder von dem neuen Jungen in ihrer Klasse geredet. Damals hatte ihr Vater sich ein Herz gefasst, in der Schule angerufen und nachgefragt, wo denn die Familie des Jungen wohne. Später war er dann mit ihr dort hingefahren und Luna hatte sich mit Leon, dem Neuen angefreundet. Er war jahrelang ihr bester Freund und irgendwann lernte sie auch seinen älteren Bruder kennen. Marc.
Als sie ihn das erste Mal sah, war sie zwölf und er vierzehn . Er hatte zuerst kein Interesse an ihr gezeigt, doch je älter sie wurde, desto öfter beobachtete er sie und Leon.
Einmal fing er sie ab, als sie von der Schule nach Hause ging und lud sie ins Kino ein.
Mit ihren 16 Jahren, dachte sie sich nichts dabei und ging mit. Sie fand schnell Gefallen an ihm und sie trafen sich immer öfter.
Eines Abends saß sie mit ihm auf einer Wiese. Die Sterne leuchteten und Luna hatte schon ein komisches Gefühl in ihrer Magengegend, als er sie von zuhause abholte. Sie hatte sich sehr darüber gewundert, denn er rief sonst immer vorher an oder fragte sie in der Schule, doch an diesem Tag stand er einfach vor ihrer Tür.
Nachdem sie eine Weile schweigend in den Himmel und die sternklare Nacht geschaut hatten, seufzte er und sah ihr in die Augen. Sie schnappte kurz nach Luft, als sie die Gefühle in seinen wunderschönen blauen Augen sah. Er fuhr sich nervös durch die Haare, eine ungewöhnliche Geste für ihn.
Und dann hatte er sie einfach geküsst. Erst war es nur eine leichte Berührung, er ließ ihr Freiraum sich zurückzuziehen,doch als sie sich dann eng an ihn schmiegte, küsste er sie richtig.
Seit diesem Abend waren sie zusammen.
Lunas Gedanken, schweiften zu ihrer Mutter. Sie wusste nicht warum sie gerade in diesem Moment an ihre, nie dagewesene, Mum dachte, doch Luna fragte sich wer sie war.
Sie wusste nicht einmal wie ihre Mutter aussah oder was sie gemacht hatte. Sah sie ihr ähnlich? Hatte sie irgendetwas an sich was Luna auch hatte? Es war als hätte sie nie existiert, doch Luna war der lebende Beweis dafür, dass es sie gab. Und sie schwor sich, wenn sie hier lebend rauskäme, würde sie auf die Suche gehen. Auf die Suche nach ihrer Herkunft, der zweiten Hälfte von ihr, ihrer Mutter.
Die plötzlich Kälte riss sie aus ihren Gedanken. Das Wasser schäumte wild um ihren Körper und drang in ihre Klamotten ein.
Sie merkte, wie sie immer schwerer wurde und sich nicht mehr lange oben halten konnte.
Angst machte sich in ihr breit und sie legte den Kopf in den Nacken, um ihren Mund über Wasser zu halten. Unbarmherzig zogen die Fluten ihren Körper nach unten und sie atmete ein letztes Mal tief ein, bis das Meer sie verschlang.

Die Entdeckung Mittelerdes Where stories live. Discover now