Prolog

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»Ich...Was?«, fing ich dann endlich an zu sprechen, während all die anderen Gäste voller Schock meinen betrunkenen Onkel anstarrten. Drei Worte seinerseits hatten gereicht, um solch ein Phänomen auszulösen.

Du bist adoptiert.

Anhand der Reaktionen war mir bewusst, dass ich mich nicht verhört hatte. Entweder trank mein lieber Onkel mal wieder zu viel und hatte keinen blassen Schimmer, was er da eigentlich von sich gab, oder das alles stimmte und mein Leben basierte auf einer riesengroßen Lüge.

Nun ja, die Gesichtsausdrücke meiner Eltern verrieten mir schon die ganze Wahrheit. Mein Vater, der wohl doch nicht mein Vater war, sah so aus, als würde er jeden Moment meinen Onkel abstechen wollen und meiner Mutter, die ja wohl auch nicht meine Mutter war, blieb nur noch der Mund offen.

»Richard!«, schrie mein Vater wütend und raufte sich die Haare. Dass er Aggressionsprobleme hatte war jedem bekannt, doch diesmal konnte nicht mal ich vorhersagen, was genau er vor hatte.

Und das obwohl ich genau die Person war, die jede seiner Aggressionen zu spüren bekam.

»Wie lange hattet ihr noch vor das alles zu verheimlichen!«

Onkel Richard kam einige Schritte näher, blickte mir tief in die Augen und lächelte etwas bedrückt. Wieder nahm er sich einen Schluck von seinem Vodka.

»Es tut mir leid Aurora. Doch ich hielt es einfach nicht mehr aus, zuzusehen wie diese Menschen dich psychisch fertig machten«, er holte einen Brief aus seiner Hosentasche und hielt diesen in die Luft.

Dass meine Familie problematisch war, wusste eigentlich jeder hier. Doch man tat so, als würden all diese Probleme nicht existieren. Das Leben hier war mir schon immer viel zu oberflächlich.

Eine verlogene Mutter und einen therapiebedürftigen Vater zu haben machte einem das Leben nicht wirklich leicht. Zu wissen, dass die beiden doch nicht meine leiblichen Eltern waren, fühlte sich komisch an. Ich konnte dieses Gefühl in mir gar nicht richtig beschreiben.

War ich etwa glücklich darüber?

Oder war es doch nur der Schock?

Seufzend schloss ich für einige Sekunden meine Augen. Ich musste meinen Kopf klar bekommen. All das hier war viel zu viel für mich.

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Onkel Richard. Es ist nicht deine Schuld«, lächelte ich ihn schwach an. Er schmiss seine Flasche weg und gab mir den Brief, welchen er gerade noch in die Luft hielt.

»Hier steht alles was du wissen musst. Falls du dann noch Fragen hast, kannst du immer zu mir kommen, Aurora.«

»Danke dir.«

Mit leicht zitternden Händen sah ich mir den Umschlag genauer an. Weder vorne noch hinten stand irgendetwas drauf. Dann blickte ich zu meinen Eltern rüber, die mich entgeistert anstarrten.

»Wie kannst du nur diesem Alkoholiker Glauben schenken?!«, schrie meine Mutter hysterisch und zeigte mit dem Finger auf meinen Onkel. Dieser aber lachte nur.

»Ach Mary, zwar trinke ich regelmäßig viel, dennoch habe ich mir mein Gehirn noch nicht weggesauft«, lallte er und drehte sich im Halbkreis. Komisch war er schon immer, egal ob im nüchternen oder alkoholisierten Zustand.

»Mom, weißt du eigentlich wie oft ich mich schon fragte, warum du und Dad beide blonde Haare und ich braune habe?«, fragte ich sie leise und spürte schon, wie die Tränen meine Wange herunter kullerten. Sie sah erst panisch zu den Gästen, lief dann aber sofort in meine Richtung.

»Aurora, lass das woanders bespre-«

»Du streitest es nicht mal ab«, unterbrach ich sie und lachte leise auf. Ihr einziges verdammtes Problem waren die Gäste. Einen Skandal konnten sich meine perfekten Eltern nicht leisten. Meine Mutter zog nur warnend die Augenbrauen hoch, während mein Vater mit den Gästen redete und ihnen höchstwahrscheinlich erzählte, dass das alles hier nur ein kleines Missverständnis war.

Ich hielt es keine Sekunde mehr hier aus. Niemanden kümmerte es, wie es mir eigentlich ging. Meine Mutter wollte mich hier wegbekommen und mein Vater sorgte sich für andere. Ich war wie Luft für sie.

Also verließ ich diese absurde Party.

Musste wohl das Adrenalin sein.

Ohne mich zu verabschieden oder irgendjemandem noch Bescheid zu geben packte ich wichtige Sachen in meine Tasche und zog mich so schnell wie möglich um. Den Brief hielt ich noch wie zuvor fest in meiner Hand.

Ob morgen die ganzen Medien über heute berichten würden war mir ehrlich gesagt komplett egal.

Das einzige was ich jetzt tun musste war auf meine Fragen Antworten zu bekommen. Die wichtigste schwirrte mir nämlich schon die ganze Zeit im Kopf herum:

Wer zum Teufel bin ich?

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AuroraWhere stories live. Discover now