Kapitel 23

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Nach einer Weile tat es ihm dann gleich und stand auch auf. Noch immer hatte ich die Sachen von gestern an.

Also ging ich zuerst in mein Zimmer und suchte mir frische Sachen aus. Kurz darauf fand ich mich in der Dusche wieder. Das warme Wasser prasselte auf meinen kompletten Körper und entspannte mich wie auf Knopfdruck.

Die ganze Zeit über spielte sich das Gespräch zwischen Adrien und mir im Kopf ab. Ich wusste nicht warum, doch meine Gedanken füllten sich in diesem Moment mit allem, was in irgendeiner Weise mit Adrien zutun hatten.

Sein Lächeln, seine Augen, sein leichter spanischer Akzent, einfach alles an ihm.

»Ich verliere doch komplett den Verstand«, flüsterte ich genervt, während ich mir die Haare shampoonierte. Warum zum Teufel verhielt ich mich wie ein pubertierender Teenager?

Ich musste meine Gedanken auf andere Sachen bringen. Auf etwas, was nicht mit meinem Ehemann zu tun hatte.

Doch egal wie krampfhaft ich versuchte, an was anderes zu denken, Adrien schaffte es jedes einzelne Mal meine Gedanken in seine Kontrolle zu nehmen.

Was passierte nur mit mir? Wurde ich etwa wirklich verrückt?

Aus der Dusche ausgestiegen starrte ich mich im beschlagenen Spiegel an. Meine nassen, dunklen Haare fielen mir über die Schultern, während müde Augen einfach nur ins Leere starrten.

Wie auch an anderen Tagen hinterfragte ich mal wieder alles.

Weniger als ein ganzes Jahr mit Adrien. Und dann? Was passiere danach?

Würde ich wieder bei meiner leiblichen Familie leben?

Nichtmal einen ganzen Monat war ich mit ihnen, als sie mir die Wahrheit erzählten und ich mit Adrien heiraten musste.

Natürlich hielt ich noch den Kontakt, telefonierte auch ab und zu auch mit meiner Mutter aber das war's schon. Mit der eigenen Familie sollte man sich doch näher stehen, nicht wahr? In guten und auch in schlechten Zeiten hatte man doch nur die Familie an der Seite, richtig?

Warum fühlte ich mich trotz allem so alleine?

Ich atmete laut aus. »Da geht es schon wieder los mit dem Selbstmitleid, Aurora. Hör endlich auf damit.«

In meinem Zimmer zog ich mich um und kämmte mir durch die noch immer feuchten Haare. Tat ich dies nicht, würden sie sich auf in katastrophalen Weise verknoten und die einzige Lösung wäre dann die Schere.

Einer meiner größten Albträume. Ich liebte die Länge meiner Haare. Ungefähr mittellang und mit einem schön aussehenden Schnitt passten sie zu meiner Gesichtsform.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus den Gedanken. »Ja?«

»Mrs. Hernández, Sie werden unten beim Frühstück erwartet.« Die Stimme gehörte Lucas.

»Okay, ich bin gleich unten«, antwortete ich ihm und zog mir noch eine Strickjacke über das recht dünne Oberteil.

Unten angekommen kam ich Adrien entgegen, der schon am Tisch saß und mit jemandem telefonierte.

Wie es wohl aussah hatte er sich genauso wie ich auch frisch gemacht. Seine Haare waren noch leicht feucht und gar nicht mehr so zerzaust wie heute Morgen. Er trug ein schwarzes Hemd, eingesteckt in einer Hose mit derselben Farbe.

Mit einem etwas komischen Gefühl setzte ich mich ihm gegenüber und fing an, mir ein Sandwich zu machen.

Der größte Albtraum meiner Adoptivmutter, meine größte Liebe wenn es ums Essen ging. Nichts übertraf ein selbstgemachtes Sandwich mit ganz vielen verschiedenen Beilagen, die man sich alle selbst aussuchen konnte.

Kurz sah ich zu Adrien hoch, der sein Telefongespräch nun beendet hatte und mit leicht zusammengezogenen Augen mein Sandwich betrachtete.

Ich schmunzelte. »Möchtest du probieren? Ich kann dir die eine Hälfte geben, wenn du willst.«

Sein Blick traf nun meinen und Adriens Augen wurden auf einmal viel weicher. Ein auffallender Kontrast zu seinem restlichen angespannten Körper.

Ich mochte das. Normalerweise erinnerten mich seine Augen immer an an Kälte und Eis. Doch in Momenten wie diesen hier hatten sie eher die Farbe des Meeres. Beruhigend.

Und dann verschwand es wieder. Härte übernahm die Kontrolle in seinen Augen und passte sich dem Rest des Körpers an.

»Nein, danke. Ich muss jetzt los.«

Kurz darauf verschwand er, während ich noch auf dem Sandwich rumkaute und ihm hoffnungslos hinterher sah.

Mit einem lauten Seufzen lehnte ich mich zurück. Adrien verwirrte mich. Sein Verhalten, seine Emotionen, einfach alles.

Es wirkte schon fast so, als würde er mit sich selber kämpfen. Jedes Mal, wenn er mich sah, fing dieser Kampf an. Und er hörte erst dann auf, wenn er nicht mehr mit mir im gleichen Raum war. Mir nicht in die Augen sehen musste. Nicht mit mir sprechen musste.

Doch so funktionierte es leider nicht. Auch wenn es keine echte Ehe war, wir waren immer noch verheiratet. Er musste mich noch für eine recht lange Zeit ertragen.

Diese sich immer wieder in ihm aufflammende Rachelust zerstörte aber alles.

Ich war nicht nur Aurora für ihn. Ich war nämlich auch noch die Nichte des Mannes, den er hasste.

Und genau das war das Problem.

Nach einigen weiteren Minuten, die ich verzweifelt und gelangweilt am Esstisch verbrachte, sah ich Lucas die Treppen hochlaufen und auf mich zukommen. »Mrs. Hernández, Sie haben Gäste.«

»Gäste? Ich habe aber niemanden eingeladen«, antwortete ich verwirrt.

»Sie meinen, sie wären Ihre Eltern. Doch ich kenne Ihre Familie, Mrs. Hernández«, meinte er dann. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Meine Eltern?

Noch vorgestern hatte ich mit meiner Mutter telefoniert. Sie waren wohl in Manhattan und hatten vor die nächsten Tage dort zu bleiben.

»Okay, danke dir Lucas. Ich schau' schnell nach.«

Mit diesen Worten lief ich Richtung Tür. Ein mulmiges Gefühl bereitete sich in meinem Körper aus. Und keine Sekunde später blickte ich in altbekannte Gesichter, die Erinnerungen hervorriefen. Erinnerungen, die ich eigentlich vergessen wollte.

»Kommt rein.«

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AuroraWhere stories live. Discover now