Kapitel 37

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Nun saßen Lucas und ich wieder im Auto, nach Hause fahrend. Erst morgen konnte ich Adrien wieder sehen.

»Lucas«, fing ich dann an zu sprechen. Der alte Mann hob seinen Kopf und sah mich fragend an.

»Ja, Mrs. Hernández?«

»Ich möchte alle Details, genau jetzt. Adrien muss nicht wissen, dass du mir das erzählt hast. Nur brauche ich Informationen darüber, warum mein Ehemann in einer Zelle steckt und mit Mord beschuldigt wird, obwohl er keinen Zusammenhang mit dieser Tat hat.«

Ich konnte sehen, dass es Lucas nun unangenehm wurde. Er zog kurz an seinem Kragen und räusperte sich.

»Mrs. Hernández, ich weiß natürlich auch nicht alles. Aber ich weiß nicht, ob es gut wäre, Ihnen nun alles zu verraten... Mr. Hernández würde-«

»Nichts davon erfahren, Lucas. Das bleibt zwischen uns. Ich bitte dich. Ich muss es erfahren«, unterbrach ich ihn.

Lucas seufzte. »Versprechen Sie mir, nichts anzurichten.«

Sorry Lucas.

Wie ein kleines Kind legte ich meine rechte Hand auf die Linke und überkreuzte zwei Finger unter der Hand.

»Okay. Nun erzähl es mir.«

»Es geht um Mr. Hernández' Bruder, der zweite Sohn seiner verstorbenen Mutter.«

Ich atmete laut auf. Bruder?

Lucas sprach weiter. »Wir wissen nicht, wie er heißt. Wie er aussieht. Was er beruflich macht. Nichts. Nur wissen wir, dass er sich rächen möchte. Und er hat auch all die Mittel dazu.«

»Wie... Wie meinst du das?«

»Er ist der Grund dafür, warum Ihr Ehemann nun unter Verdacht steht. Mr. Hernández hatte gar nichts damit zu tun, das kann ich Ihnen versprechen. Aber sein verdammter Bruder... Er wusste von der angespannten Situation zwischen Mr. Hernández und dem Oberkommandeur der Marine. Genau dies nutzte er aus, um alle Finger auf ihn zeigen zu lassen.«

Geschockt schaute ich den alten Mann vor mir an, der die Fäuste geballt auf dem Schoß liegen hatte. Ich brauchte einen Moment, um all die Informationen von gerade eben zu verarbeiten.

»Aber warum? Warum möchte er sich von Adrien rächen? Ich verstehe es nicht.«

»Vor einigen Jahren kam Mr. Hernández' Mutter und sein Bruder zu ihm. Die Frau wollte Geld. Viel Geld. Hat sich nicht um ihren Sohn gekümmert, der Antworten von ihr haben wollte. Mr. Hernández hat wie Sie bestimmt schon wissen ein großes Trauma von dieser Affäre zwischen seiner Mutter und Ihrem Onkel. Als Kind...«

»Ja, ich weiß. Adrien hat es mir schon erzählt.«

Lucas zog kurz die Augenbrauen zusammen, entspannte sein Gesicht aber gleich wieder. »Er vertraut Ihnen sehr, Mrs. Hernández. So sehr wie noch nie jemanden zuvor. Nicht einmal seinem Vater.«

Ich versuchte dieses überwältigende Gefühl in mir zu ignorieren, konnte mich selbst aber nicht davon abhalten, zu lächeln.

Er vertraute mir.

»Danach haben wir sehr lange nichts mehr von beiden gehört. Vor einigen Monaten erfuhren wir, dass die Mutter gestorben ist. Und das auf einer ganz bizarren Art und Weise.« Lucas holte eine Wasserflasche aus der Kühltruhe. Er nahm sich ein Schluck aus der Flasche und fuhr fort.

»Wir haben einen Brief erhalten. Auf diesem stand etwas wie "Mutter ist tot. Nun ist es Zeit, zu rächen." Wir wussten, dass dieser Brief von seinem Halbbruder verfasst wurde-«

»Warte, warte, warte. Heißt das dann, dass Adriens Halbbruder mein Cousin ist? Bin ich wirklich mit diesem Typen verwandt?«, unterbrach ich Lucas schweratmend.

Das war alles viel zu viel für mich.

»Mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit, ja. Aber wir wissen es nicht. Leider haben wir keine genaueren Informationen darüber, wann genau sie schwanger wurde.«

Mir wurde schlecht. Ich hatte Schwierigkeiten mich auf den Rest von dem Gesagten von Lucas zu konzentrieren.

Diese ganze Situation wurde immer verrückter und verrückter. Nun war es Adrien, der mit den Konsequenzen dieser verdammten Affäre zu kämpfen hatte.

»Ich verstehe es einfach nicht... Warum will er sich rächen? Adrien hier ist die unschuldigste Person in all diesem Schlamassel.«

»Ich weiß es leider auch nicht. Vermutlich wegen seiner Mutter. Wir wissen nicht, was und wie sie ihm alles erzählt hat. Doch eins ist sicher, Mr. Hernández' größter Feind ist zurzeit sein jüngerer Halbbruder.«

Ich erinnerte mich zurück an das Telefonat. Nun machte alles viel mehr Sinn.

»Und ihr habt diesen Typen noch nicht gefunden, richtig?«

»Leider nicht. Er hat eine Machtquelle, die uns unbekannt ist. Wir wissen nicht, wie er sich so gut verstecken kann und überhaupt die Ressourcen hat, um das alles hier anzurichten. Wir wissen auch nicht, wie und woher er Informationen über uns herbekommt«, antwortete er mir, die Besorgnis auf seinem ganzen Gesicht verteilt.

Ich seufzte. Nichts konnte ich machen. Ich wollte Adrien helfen, doch mir fiel einfach nicht ein, wie ich das machen sollte.

Wir wussten nicht wie er hieß, aussah, was genau seine Intentionen waren.

Einfach nichts.

Und das regte mich so sehr auf.

Bevor ich das Gespräch mit Lucas fortführen konnte, stoppte das Auto plötzlich und wir wurden leicht nach vorne geschleudert.

»Fred! Was zum Teufel!«

»Mrs. Hernández, Mr. Solis... wir haben ein Problem«, kam es panisch von Fred, der mit dem Kopf nach vorne deutete.

Vor unserem Auto standen vier schwarze Autos, alle quer auf der Straße verteilt, was den Durchgang unmöglich machte.

Auf einmal stiegen mehrere in Anzügen gekleidete Männer aus den Autos. Sie waren bewaffnet und liefen in unsere Richtung.

»Lucas...«, fing ich an, wurde dann aber von dem Schlag einer Waffe in das Fenster unterbrochen.

»Raus!« schrie der maskierte Typ und hielt die Waffe an meine Stirn.

Ich nickte, nickte, weil ich Angst um mein und das Leben der anderen beiden hier hatte.

Mir fiel auf, dass diese Typen nur mich mitnehmen wollten. »Ich komme nur mit, wenn ihr den beiden hier nichts antut.«

»Keine Sorge, wir brauchen doch jemanden, um die Nachricht zu übergeben. Die werden beide nicht sterben, also raus mit dir bevor ich mich umentscheide.«

»Mrs. Hernández«, flüsterte mir Lucas zu. »Machen Sie sich keine Sorgen, er wird kommen. Versprochen.«

Das waren auch die letzten Worte die ich hören konnte, bevor der bewaffnete Mann mit einem Tuch auf meinem Gesicht dafür sorgte, dass alles schwarz wurde.

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AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt