Kapitel 11

1.6K 57 12
                                    

Wir hatten früher eine Nachbarin, alt und schon seit Jahren geschieden, die immer meinte, dass die Ehe die Liebe zerstören würde. Tja, unsere war schon von Anfang an zerstört, ohne überhaupt ein Stückchen Liebe zu besitzen. 

Ich fühlte mich in diesem Moment genau wie diese Frau, die ich damals kein bisschen verstehen konnte. Gut, jetzt konnte ich es immer noch nicht ganz, aber das war jetzt unwichtig. Ich war hier, vor dem Fenster sitzend und auf meinen beschissenen Ehemann wartend. Genauso, wie sie es früher immer machte. Auf dem ersten Blick würde ich wie eine verzweifelt verliebte Frau wirken, die sich Sorgen um ihn machte. Dass ich nicht lache.

Mit einem Grinsen nippte ich an meinem Tee und bewunderte den Vertrag, der schon seit zwei Stunden vor mir lag. Inspiriert von einem recht langweiligen Film, kam ich auf diese wundervolle Idee. Als würde die arrangierte Ehe nicht reichen, packte ich einen Vertrag dazu.

Wie klischeehaft.

»Hast du eigentlich noch vor ins Bett zu gehen?«, riss mich eine tiefe Stimme aus meinen Gedanken. Augenverdrehend drehte ich meinen Kopf und sah in das Gesicht meines mal wieder zu spät kommenden Ehemannes. Was zum Teufel machte der den ganzen Tag draußen? Wahrscheinlich unschuldigen Menschen die Kugel in den Kopf schießen.

»Ich habe auf dich gewartet«, meinte ich dann schon etwas zu enthusiastisch und zeigte auf den Sessel mir gegenüber. Er dafür zog nur die Augenbrauen hoch. Verständlich. Es dauerte aber nicht lange, bis er sich dann hinsetzte.

»Du? Auf mich?«

»Keine Sorge, ich werde nicht Partnerin spielen und dich ausfragen. Wir haben was zu klären«, vorsichtig schob ich den Stapel Blätter zu ihm. Jetzt wird es interessant. Skeptisch betrachtete er das erste Blatt, nahm dieses dann in die Hand und began laut vorzulesen.

»Erste Regel: Beide dürfen ihr altes Leben ohne Probleme fortführen.«

Er las weiter.

»Zweite Regel: Unerwünschtes Anfassen ist verboten.«

Und hörte immer noch nicht auf.

»Dritte Regel: Nach einem Jahr wird diese Ehe beendet.«

Den Rest las er nicht mehr vor.

Ich wartete. Wartete, wartete und wartete.

Doch nichts kam. Keine Frage, keine Antwort, nicht einmal ein Gesichtsausdruck. Seinen Master machte er wahrscheinlich im Pokern. Adriens Blick lag noch kurz auf dem Vertag, bevor er zu mir sah.

»Eine Regel wird noch hinzugefügt.«

Den Stift in die Hand nehmend kritzelte er etwas unter meinen Regeln hin. Mit einem Hauch von Neugier versuchte ich die Buchstaben zu entziffern, konnte aber leider nicht kopfüber lesen.

Als er dann aber fertig war, schob er mir den kleinen Stapel hin und lehnte sich dann mit überkreuzten Armen zurück. Ugh, warum konnte ich keinen unattraktiven Typen als Ehemann bekommen?

»Letzte Regel: Kein Verlieben«, las ich vor. Oh okay, ich hätte jetzt etwas Schwereres erwartet.

»Geht klar, dann passen die anderen Regeln für dich?«

Ich bekam nur ein kurzes Nicken als Antwort. Dass er kein gesprächiger Mensch war fiel mir schon ganz am Anfang auf. Nur verschlimmerte es sich von Tag zu Tag.

»Gut, dann fehlen nur noch unsere Unterschriften«, erleichtert darüber, dass wir dies ohne Probleme erledigen konnten, unterschrieb zuerst ich und dann er. Nun wussten wir endlich, wohin uns diese Ehe führen würde. Oder so stellte ich mir das eben vor.

»Ich kann mich gut an Regeln halten, mi esposa«, seine Stimme hatte etwas amüsiertes an sich und sein Kosename regte mich schon seit längerer Zeit auf. Doch darauf jetzt einzugehen... dafür war ich einfach nur zu müde.

»Hoffen wir das mal. Ein ganzes Jahr. Dann gehst du deinen und ich meinen Weg. Abgemacht?«, zu guter Letzt hielt ich halt noch meine Hand hin, so wie man es immer am Schluss machte. Ohne Worte schüttelte er diese. Das raue, aber gleichzeitig auch warme Gefühl, welches er hinterließ, verschwand auch nach einigen weiteren Sekunden nicht.

Etwas an diesem Mann war komisch. Die Art wie er sprach, sich verhielt, und vieles mehr. Es hatte was geheimnisvolles an sich. Doch ich hasste Geheimnisse wie die Pest. Wäre er eine offene Person, könnten wir uns vielleicht noch verstehen. Aber nein, natürlich musste ich einen Eisklotz in Person als Ehemann kriegen.

Gähnend drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zu meinem Schlafzimmer. Wie auch jeder andere Tag endete dieser damit, ihn zu entziffern. Heute waren wieder seine Geschichtsausdrücke dran, die mich mich ein weiteres Mal in Verwirrung brachten. Seine Mimik reichte von angeekelt zu belustigt, irgendwie konnte ich nie erkennen, was er in dem Moment fühlte. Entweder es lag an meiner schlechten Menschenkenntnis oder er war einfach nur richtig gut darin, seine Emotionen zu verstecken.

Wahrscheinlich beides.

Sofort schüttelte ich den Kopf. Mal wieder machte ich mir zu viele Gedanken über den Typen, den ich nach einem Jahr nicht mehr sehen würde.

Doch egal wie sehr ich versuchte, ihn aus meinem Kopf zu bekommen, leider Gottes wurde er ein Teil meines verdammten Lebens. Außerdem machte sein Geschwafel mal wieder keinen Sinn...

Ein verdammter Mafiosi, der sich gut an Regeln halten konnte?

Pff, dass ich nicht lache.

•    •    •    •    •   ✍︎    •    •    •    •    •

AuroraWhere stories live. Discover now