Kapitel 4

1.8K 62 0
                                    

»Wer zum Teufel bist du und was hast du hier zu suchen?!«, maulte er mich dann an, als wie keine Schüsse mehr hören konnten. Seine dunklen Augen machten mir es nicht wirklich einfach eine Antwort zu geben. Dieser Typ hier war gefährlich. Und ich Idiotin lag immer noch in seinen Armen.

Mit dieser Realisierung versuchte ich so gut es ging mich von ihm zu entfernen. Für eine kurze Zeit entstand diese unangenehme Stille, die sich einfach nur so komisch anfühlte. Irgendwie wusste ich nicht was genau man in solch einer Situation sagte.

Zwar hörten die Schüsse auf, doch waren wir nicht die einzigen, die davon hörten. Vor dem Restaurant herrschte ganz klar Chaos, all die schreienden Leute konnte man bis hierher hören.

»Also mein Name ist Aurora und dir ist schon bewusst, dass dies ein Restaurant ist, oder? Natürlich bin ich hier zum Essen da. Also, soll ich jetzt einen Krankenwagen rufen? Deiner Wunde geht es nicht wirklich gut«, versuchte ich es ein zweites Mal, sah dann aber nur wie er die Augen verdrehte und dann aufstand. Meine Stimme blieb zum Glück stark und wirkte nicht weinerlich. Das wäre nämlich genau das, was ich in solch einer Situation am wenigsten gebrauchen konnte. Seine Hand war immer noch auf der blutenden Wunde und es interessierte ihn wahrscheinlich nicht im Geringsten, dass er eine Verletzung hatte. Und zwar eine womöglich lebensgefährliche. Soviel Blut wie der verloren hat...

Stumm saß ich einfach weiterhin auf dem Boden und beobachtete jede seiner kleinsten Bewegung. Eine kleine Stimme in meinem Kopf warnte mich vor einem plötzlichen Angriff seinerseits. Wahrscheinlich bemerkte er mein leichtes Zittern, welches aus einem Mix von Kälte und Angst entstand, weshalb er seine Augenbrauen zusammenzog. Mit einem kleinen Seufzer blickte er mir tief in die Augen, was mich für einen ganz kurzen Moment außer Fassung brachte. Schnell kriegte ich mich aber wieder ein. Dieser Typ hier könnte ein potenzieller Vergewaltiger sein.

»Du siehst nicht so aus als wärst du jemand von hier. Falls du am Leben bleiben möchtest solltest du das alles vergessen und von hier verschwinden.«

Was sollte das jetzt bedeuten?

Noch bevor ich etwas erwidern konnte drehte er sich um und lief davon. Verwirrt sah ich zu wie er in der Dunkelheit verschwand. Nicht von hier... Musste ich das verstehen?

Der kalte Regen auf meiner Haut ließ mich plötzlich erschaudern. Ich saß auf dem Boden des Hintereingangs eines Restaurants, umzingelt von Mülltonnen und war vor einigen Minuten einen Mann so nah wie noch nie zuvor. Mit meinen Händen strich ich mir einige Male über das Gesicht und stand dann auch auf. Dieses Leben hier machte mich von Tag zu Tag wahnsinniger.

Das Restaurant war komplett leer, als ich es betrat. Vieles von dem Essen lag unberührt auf den Tellern. Durch die Glasswände konnte man sehen, wie die Menschen es immer noch nicht hinbekommen hatten sich zu beruhigen. Auf Aufmerksamkeit hatte ich nicht wirklich Lust, doch irgendwie musste ich zu meinen Eltern. Ob sie sich Sorgen machten?

Zügig lief ich zur Eingangstür und verließ das Restaurant. Zu meinem Glück beachteten mich nur die wenigsten Leute, da alle anderen noch damit beschäftigt waren runterzukommen.

»Aurora!«, hörte ich eine besorgte Stimme hinter mir. Sofort drehte ich mich um und sah das verheulte Gesicht meiner Mutter, die ihre dünnen Arme um mich schling. Keinen Moment später breitete sich diese tolle Wärme in meinem Körper aus, die ich erst seit Kurzem spüren konnte. Meine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Schon lange war es her, dass sich jemand wirklich um mich sorgte.

»M-Mom, mir geht es gut, wirklich«, versicherte ich ihr. Noch immer konnte ich mich nicht daran gewöhnen sie so zu nennen. Doch es besserte sich von Tag zu Tag. Irgendwann würde ich mir hoffentlich nicht mal mehr Gedanken darüber machen. Irgendwann würde ich ein richtiger Teil dieser Familie sein.

Sie wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht und sah mich von oben bis unten an. Der untere Teil meines Kleid hatte seine Farbe von Rosa zu Braun geändert, meine Haare standen in alle Richtungen ab und als wäre das alles nicht schon genug war ich auch noch komplett durchnässt.

»So siehst du aber nicht aus...«

Mit hochgezogen Augenbrauen musterte sie mich genau. Dennoch aber hatte ich noch vor ihr von dem Typen hinter dem Restaurant zu erzählen. Ein Mann versteckt zwischen den Mülltonnen und einer Schusswunde an der Schulter machte sich bei überfürsorglichen Müttern definitiv nicht beliebt.

»Da seid ihr ja! Kind, geht es dir gut?«, kam die zweite Besorgnis in Person. Stark nickte ich mit dem Kopf, damit er jetzt nicht auch noch anfing. Väter waren ja dafür bekannt ihre Töchter mit Fragen zu bombardieren wenn es um Sicherheit ging. Auch wenn ein Teil in mir diese Sorge von Eltern ein klitzekleines bisschen genoss, sagte etwas in mir, dass ich diesen Typen vor meinen Eltern einfach nicht erwähnen sollte.

Seine Aura wirkte nicht wirklich sicher. Das mysteriöse Versteck hinter einem Restaurant und eine noch immer unerklärliche Wunde machten das alles auch nicht besser.

»Du bist nicht von hier.«

Seine Worte und er selber hatten einfach nicht die Absicht meine Gedanken in Ruhe zu lassen. Die ganze Zeit versuchte ich irgendeinen Zusammenhang zu finden, doch ohne Erfolg. Es machte einfach keinen Sinn. Warum lag er dort verletzt während die Schüsse weiter weg waren? Hatte er überhaupt was mit diesen Typen zu tun? Natürlich hatte er, sonst würde er sich ja nicht von denen verstecken.

Leicht massierte ich meine Schläfen, um den Kopf etwas frei zu bekommen.

Der Typ war jemand Unwichtiges, den ich eh nie wieder sehen würde. Also warum sich über eine irrelevante Person den Kopf zerbrechen?

• • • • • ✍︎ • • • • •

AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt