14 - Mittwoch Abend

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"Kannst du mir bitte sagen was das war?", frage ich nun endlich, als wir auf dem Boden sitzen und uns mit den Rücken gegen die Wand lehnen. Stehen war einfach nicht mehr möglich, da meine Beine so sehr gezittert haben, dass man hätte meinen können, ich sei einen Marathon gelaufen.

Angestrengt seufzt Nate aus. Er weiß er muss mir sagen was los ist, aber man merkt wie schwierig ihm die Wahrheit fällt.

"Es hat hier mit der Halle angefangen. Als wir alles eingerichtet haben, wurde das Geld etwas knapp. Dann kamen Koda und seine Jungs. Er hat mir angeboten, alles zu bezahlen, dafür musste ich nur an ein paar illegalen Kämpfen teilnehmen. Ich hielt das für leicht verdientes Geld, also willigte ich ein. Zehn Kämpfe sollten es sein. Ich gewann neun Kämpfe und die Gang hat durch Wetten Geld verdient. Bei dem letzten Boxkampf hat Koda gesagt, dass ich verlieren muss. Ich wollte tun was er sagt, aber bei illegalen Kämpfen kann es vorkommen, dass die Regeln gebrochen werden. Mein Gegner hat ein Messer gezogen und mir in den Bauch gestochen. Ich habe nur noch rot gesehen und ihm einen Schlag verpasst der ihn K.O. gehauen hat. Ungewollt habe ich gewonnen und Koda um 20.000 Euro gebracht. Seitdem ist er hinter mir her und will mich wieder zum Boxen kriegen, oder das Geld. Der Zwischenfall mit dem Messer hat mich ein für alle Mal aus dem Ring vertrieben, also habe ich einen Weg gefunden ihm das Geld zu beschaffen. Jetzt muss ich noch die letzten 3.000 Euro auftreiben und dann bin ich frei.", erklärt er ehrlich und gespannt höre ich zu. Die Dinge die ich vor einer halben Stunde noch nicht ansatzweise verstanden habe, ergeben nun Sinn. Ich traue mich nicht weiter nach den 20.000 Euro zu fragen, aber ich weiß was mit den 3.000 ist.

"Ich gebe dir das Geld.", entgegne ich schlicht und sein Blick fällt wieder zu mir.

"Das kannst du nicht machen. Ich kriege das hin, zur Not muss ich kämpfen.", erwidert er schnell und legt seine Hand auf mein angewinkeltes Knie als Zeichen, dass er mir dennoch dankbar ist.

"Du wirst nicht wieder in den Ring gehen.", ungläubig gucke ich ihn an und fasse mit meiner linken Hand seine unversehrte Gesichtshälfte an, um seine Augen zu mir zu richten.

"Ich will dir helfen, Nate. Deine Sicherheit ist mir wichtiger, als das Geld.", spreche ich eindringlich aus was ich denke.

Ich weiß, dass für ihn und Avery Geld eine wichtige Rolle spielt, weil sie nicht so viel haben. Dadurch, dass mein Vater mir alles bezahlt hat und wir immer viel Geld hatten, habe ich einen anderen Bezug dazu.

"Ich regle das alleine.", antwortet er sturköpfig und lächelt leicht, weil ich ihm helfen will.

"Nate, sei kein Idiot. Mal abgesehen von deiner Sicherheit hast du ihn doch gehört. Er wird mich nehmen, wenn er nicht das Geld, oder dich als Boxer bekommt.", schon wieder macht sich das unwohle Gefühl von Angst und Ekel in mir breit. Ich will mir nicht mal ausmalen, wozu Koda mich zwingen würde.

"Niemand wird dir jemals wieder etwas antun. Das war das letzte Mal, dass sowas passiert ist. Ich habe nicht aufgepasst und das tut mir leid, aber ich werde dich ab jetzt beschützen. Ich kann mir nur vorstellen wie sich die Situation für dich angefühlt haben muss, aber glaub mir, wenn ich dir sage, dass Koda dir nichts getan hätte. Er hat gesehen wozu ich fähig bin. Er weiß was passiert, wenn dir etwas zugestoßen wäre. Ich besorg das Geld und sonst gewinne ich es in einem letzten Kampf.", seine beruhigende dunkle Stimme bringt mich runter. Noch immer fühle ich mich als könnte ich mich nicht von alleine bewegen. Als würde ich kollabieren, sobald ich versuche aufzustehen.

"Ich vertraue dir. Du schaffst es das Geld zu bekommen, aber falls nicht, kommst du zu mir. Du wirst nicht wieder in den Ring gehen. Ich will dich nicht verlieren.", antworte ich schüchtern, während wir die ganze Zeit Blickkontakt halten. Ein Lächeln breitet sich bei dem letzten Teil auf den vollen, geschwungenen Lippen aus und bringt mich in Verlegenheit.

"Abgemacht.", antwortet er ernst und gibt mir dann einen kleinen Kuss auf die Stirn.

Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich Nate noch nie im Ring gesehen. Ich habe gesehen wie er alleine trainiert, jemandem was beibringt, oder Logan und Parker anleitet, aber jedes Mal, wenn er gegen AJ, oder Rocky gekämpft hat, war ich nicht hier. Sowie ich es mitbekommen habe, sind die beiden die einzigen gegen die er von den Jungs kämpft. Parker ist sowieso recht schmächtig und Logan und er sind im Vergleich zu den anderen dreien Anfänger. Auch wenn ich nicht hier in der Halle war, habe ich schon ein paar Mal AJ und Rocky nach Kämpfen mit Nate gesehen. Die beiden sahen trotz Kopfschutz immer recht demoliert aus, während Nate noch nie sichtbare Wunden hatte.

"Nate?"

"Mhh?", dreht sich angesprochener wieder zu mir und wird ebenfalls aus seinen Gedanken gezogen.

"Wieso war ich noch nie hier, als du gegen die Jungs gekämpft hast?", frage ich ihn jetzt aufrichtig, weil mich die Antwort wirklich interessiert.

"Ganz einfach, weil ich immer abgepasst habe, dass du nicht hier bist.", breit grinsend guckt mich der dunkelhaarige Junge an.

"Aber warum?", ich habe schon damit gerechnet. Alle Jungs waren bereits vor meinen Augen im Ring, außer er.

"Ich will nicht, dass du mich auf diese Weise siehst.", erwidert er schlicht und zuckt mit den Schultern.

Verwirrt hebe ich eine Augenbraue und warte auf eine weitere Erklärung.

"Naja, so gewalttätig. Wenn ich im Ring bin, vergesse ich mich manchmal. Du sollst keine Angst vor mir bekommen.", fügt er hinzu und ich nicke verstehend.

Es ist als würde er mich wie ein Buch lesen, denn auch, wenn ich schon des Öfteren Kämpfe beobachtet habe, will ich Nate nicht bei so einem Blutbad zuschauen. Ich weiß wie stark er ist und dass er vermutlich jeden Typen K.O. schlagen könnte, dem ich bisher in meinem Leben begegnet bin, aber das ist nicht die Art und Weise auf die ich ihn sehe. So kenne ich ihn gar nicht.

"Ich glaube so ist es besser. Ich würde zwar keine Angst bekommen, weil ich weiß, dass du deine Kraft nie gegen mich einsetzen würdest, aber ich denke auch, dass ich dich mit anderen Augen sehen würde.", erkläre ich offen und er nickt.

"Noch eins.", spreche ich weiter und wieder hört er mir gespannt zu.

"Keine Geheimnisse mehr.", füge ich hinzu und gucke ihn mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an.

"Ja.. ich meine.. in Ordnung.", erwidert er und reibt dann ein letztes Mal über mein Knie um aufzustehen. Die Wärme an meiner Seite vergeht und ich greife seine Hände, damit er mir nun beim aufstehen helfen kann.

Mein Körper zittert, ob es durch den kühlen Windstoß kommt, der durch die offene Stahltür fegt, oder meinem immer noch vorhanden Schock, weiß ich nicht, aber Nate bemerkt aufmerksam meine Gänsehaut und legt seine schwarze Kapuzenjacke um mich. Ich halte sie vorne am Reißverschluss zusammen, wo er die Stelle packt und mich nochmal in eine Umarmung zieht. Ich kann meine Arme nicht bewegen, da diese nicht in den Ärmeln sind, sondern nun an meinen Körper gepresst um mich liegen, aber die Wärme umhüllt mich und die Jacke erfüllt ihren Zweck.

"Lass uns fahren. Ich bringe dich nach Hause.", sagt er schließlich und schiebt mich Richtung Parkfläche. Trotz der Situation gerade, fühle ich mich in seiner Gegenwart sicher. Sicherer als ich mich je gefühlt habe.

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Wie lest ihr eigentlich gerade? 😂
Also ich liege auf dem Sofa mit Kuscheldecke, höre super entspannte Musik und habe mir Kerzen angemacht und einen Tee gemacht.
Richtiges Event für mich, habe noch nie eine Lesenacht gemacht. Hehe☺️😂

Outsider - Beneath the SurfaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt