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Am nächsten Morgen erklärte mir Mom bereits den Ablauf der kommenden Woche: Sie wollte nur bis Mittwoch arbeiten und den Rest der Woche packen, sodass wir am Sonntag umziehen konnten. Viele Sachen hatte sie in den letzten Wochen auch schon in Kisten verpackt und im Keller zwischengelagert und an Möbeln nahmen wir, bis auf die meisten aus meinem Zimmer, kaum welche mit. Ich schluckte schwer. Mein ganzes Leben hatte ich in diesem Haus gelebt und nun ging alles so schnell?

Mittags kam John zu uns, um mit Mom dreißig Mal durchs Haus zu laufen. Sie prüften noch einmal jedes Möbelstück und überlegten, ob es mit zu John sollte, oder nicht. Nachdem mir die beiden versprochen hatten, dass ich mein Zimmer einrichten durfte, wie es mir beliebte, verabschiedete ich mich bald von ihnen, um mich mit Cathy zu treffen. Mit dem Fahrrad war ich innerhalb von zehn Minuten bei ihr. Ich seufzte geknickt, als ich daran dachte, dass es von Johns Haus aus bestimmt an die dreißig Minuten mit dem Rad waren.

Cathy und ich fuhren zum großen See, wo sich bereits eine Menge Leute tummelten, da Sonntag war und die Sonne heiß vom Himmel schien. Vor allem die große Meute an Jugendlichen ließ darauf schließen, dass die Sommerferien in einer Woche zu Ende gingen und daher noch einmal richtig ausgekostet werden mussten.

„Ach, habe ich keine Lust auf Schule!", rief Cathy und ließ sich auf die Picknickdecke fallen, die sie auf der Wiese nahe am Wasser ausgebreitet hatte. Ich ließ mich neben sie plumpsen.

„Ich auch nicht", sagte ich und lehnte mich auf meine Arme. „Und dann muss ich den Rest der Ferien auch noch mit Packen vergeuden."

Cathy schüttelte den Kopf, während sie zum See hinaussah. „Ich kann's nicht glauben, dass du mit Dale zusammenziehst."

„Hör mir bloß auf. Da habe ich auch überhaupt keine Lust drauf. Was ist, wenn Tiffany Harding dann immer bei uns abhängt und ich ihr dummes Lachen den ganzen Tag hören muss?" Ich tat so, als müsste ich mich übergeben und Cathy lachte in sich hinein.

„Keine Sorge, die haben anscheinend Schluss gemacht", gab Cathy mir den neuesten Klatsch Preis. „Er soll sie wohl betrogen haben."

„Wow, nicht dein Ernst!", rief ich mit vorgehaltener Hand. Dale wirkte schon immer wie ein ziemliches Arschloch, aber das hätte ich ihm nun wirklich nicht zugetraut.

„Sieht so aus", sagte Cathy und sah wieder zum See.

Ich folgte ihrem Blick. Wenn man vom Teufel spricht. Dale und seine Freunde, die coolen Leute aus der Stufe, machten gerade eine Party im Wasser. Aus irgendwelchen Boxen ballerte die Musik und im Wasser wurde getanzt, Bier getrunken und mit einem großen Wasserball gespielt. Dale tanzte gerade mit einem Mädchen namens Claire, während seine Exfreundin Tiffany mit ihren Freundinnen am Rand des Geschehens flüsterte. Ein witziger Anblick. 

Als Dale sich von Claire löste und auf den Rand des Sees zuging, ging er an der Mädchengruppe vorbei, die ihm ziemlich offensichtlich die kalte Schulter zeigte. Er ging zu einer Kühlbox und holte sich ein neues Bier, als sein Blick meinen traf. Demonstrativ sah ich zum See hinaus. Was starrte ich ihn auch so an? 

Cathy räusperte sich plötzlich und der Grund dafür tauchte ziemlich nass und abgesehen von der Badeshorts ziemlich nackt vor uns auf.

„Hey", sagte Dale und grinste mich blöd an. Seinem Blick nach zu urteilen, war er angetrunken.

„Na, mal wieder gut dabei?", sagte ich und lächelte ihn zuckersüß an.

Sein Grinsen wurde breiter. Er zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Wir wollten ein bisschen unsere Freiheit auskosten. Wollt ihr nicht rüberkommen?"

„Mh, nein danke", sagte ich, bevor Cathy etwas sagen konnte.

Dale schien tatsächlich überrascht über meine Aussage zu sein.

„Okay." Irritiert sah er kurz Cathy und dann mich an. Bald schon grinste er aber wieder. „Alles klar, Mädels. Wir sehen uns."

Er drehte sich um und zog von dannen. Auf dem Weg trank er aus der Dose und ich könnte schwören, dass er schon wieder seinen Bizeps spielen ließ. Augenverdrehend wandte ich mich Cathy zu. Die nickte anerkennend.

„Wow, er ist schon ziemlich heiß geworden", sagte sie ziemlich sachlich.

„Ähm, na klar", sagte ich schnaubend und legte mich hin. Cathy tat es mir gleich.

„Soll ich dir nächste Woche beim Packen helfen? Morgen bin ich mit Dad unterwegs, aber am Dienstag und Mittwoch kann ich definitiv! Den Rest der Woche muss ich leider arbeiten." Cathy jobbte in den Ferien in einer Eisdiele. Hätte ich meine Ferien nicht bei Dad verbracht, hätte ich wie im letzten Sommer mit ihr dort gearbeitet.

„Gerne", sagte ich, ein wenig träge. Die Sonne machte mich müde und ich schloss die Augen. „Ich denke, der Anlass ist auch ein guter Zeitpunkt etwas auszusortieren."

***

Das Packen gestaltete sich einfacher als zunächst angenommen. In meinem neuen Zimmer wartete scheinbar ein relativ neues, großes Bett auf mich, sodass ich mich endlich von meinem schmalen und ziemlich wackeligen alten Bett verabschieden konnte, und auch mein Kleiderschrank sollte einem neuen weichen. Aus meinem alten Zimmer nahm ich daher nur die Kommode, die schon meiner Großmutter gehört hatte, mein Bücherregal und meinen Schreibtisch mit. 

Cathy und ich standen über meinen drei Klamottenbergen, die ich nach ‚mitnehmen', ‚vielleicht' und ‚weg damit' sortiert hatte und grübelten über dem ‚vielleicht'-Haufen.

„Deine neuen Sachen aus New York sind echt toll", sagte Cathy und hielt einen engen schwarzen Rock in die Höhe.

Ich nickte. „In New York sind alle so schick unterwegs", sagte ich, während ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen ließ. „Wenn ich da einen Studienplatz kriege, muss ich mich ja anpassen."

Cathy hockte sich über den ‚weg damit'-Haufen und zog grinsend eine ziemlich löchrige Jogginghose daraus hervor. „So was zieht man sicherlich nicht auf der Upper East Side an", sagte sie in einem schnöseligen Ton und winkte mit der Hose vor meinem Gesicht herum.

„Dann ist die Hose ja auf dem richtigen Haufen!" Ich schnappte mir lachend das löchrige Ding.

Cathy machte es sich auf dem Boden gemütlich. „Ich bin froh, dass du nicht in eine ganz andere Stadt oder so ziehst. Das könnte ich kaum ertragen. Aber so macht das Umziehen Spaß!", seufzte sie und sah zu mir hoch. „Stell dir vor, deine Mom wäre mit einem Mann zusammen, der nicht in der Gegend wohnt!"

Ich schüttelte den Kopf. „Es ist aber auch total merkwürdig, dass sie mit einem Typen zusammen ist, der der Vater von einem Jungen ist, mit dem ich schon in der Grundschule war!", sagte ich resigniert.

Cathy schaute nachdenklich. „Ja, schon merkwürdig. Ich meine deine Mom kannte ihn ja eigentlich schon, als Dales Mutter noch lebte und er kannte deine Mom auch, als sie und dein Dad noch zusammen waren."

Ich nickte naserümpfend. Naja, wo die Liebe hinfällt?

„Wenn du dich mit Dale anfreundest, musst du mich aber bitte auf die ganzen Partys der Coolen mitnehmen", sagte Cathy und sah mich durchdringend an. „Bitte vergiss mich nicht, wenn du cool wirst!"

Ich lachte auf. „Na sicherlich, Cathy. Aber keine Sorge, ich habe nicht vor, mich mit Dale anzufreunden oder mit seinen Freunden."

„Ich weiß ja nicht", sagte Cathy und zuckte mit den Schultern. „Als Teil des Schwimmteams kommst du denen ja ziemlich nahe. Und als Dales Stiefschwester..."

„Oh mein Gott, Cathy!", rief ich und bewarf sie mit der löchrigen Hose. „Ich bin nicht seine Stiefschwester! Argh!" Ich schüttelte mich. „Ich glaube nicht, dass meine Mom und John heiraten werden. Und wenn dann nur, wenn wir selbst schon längst ausgezogen sind. Bah, wie kannst du sowas sagen!" Verdrießlich schlug ich mir die Hände vors Gesicht, musste aber auch anfangen zu lachen, als Cathy losprustete. „Und ich hoffe, ich komme überhaupt in das Schwimmteam rein."

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