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Nach knapp zwei Monaten im Schwimmteam erkannte Coach Nick, dass er mit mir einen Treffer gelandet hatte. Ich war schnell und mit dem Fokus auf der Technik sah er auch hier meine Stärken. Immer häufiger sah ich, wie er nickend auf seinem Klemmbrett herumschrieb. Dale dagegen kassierte immer häufiger Kritik vom Trainer. Er war zwar definitiv der stärkste Schwimmer, doch Bestleistung zeigte er nicht, obwohl er stark darum kämpfte.

Angespannt wartete Dale am Freitagnachmittag vor dem Wettkampf in seinem Auto, als ich einstieg. Beim Training war Carter heute einige Male schneller gewesen als er. Ungeduldig startete er den Motor, als ich gerade die Tür zugezogen hatte.

„Es wird morgen schon alles gut laufen, Dale", sagte ich nach einer Weile des Schweigens.

Er schüttelte leicht mit dem Kopf, sagte aber nichts. Abwesend starrte er auf die Straße vor ihm. Ich hoffte inständig, dass seine Gedanken ihn nicht vom sicheren Fahren abhielten. Als wir zuhause ankamen, hatten wir kein weiteres Wort mehr miteinander gewechselt. Dale wartete noch, bis ich aus dem Auto gestiegen war, um es abzuschließen, und lief dann vorweg ins Haus. Seufzend folgte ich ihm.

„Wie genau ist der Ablauf morgen?", fragte Mom beim Abendessen.

Ich erklärte ihr, dass wir uns am Vormittag in den verschiedenen Disziplinen qualifizieren konnten und die jeweils besten acht am Nachmittag gegeneinander antreten würden. Für die Regionalmeisterschaft qualifizierten sich dann die besten sechzehn in jeder Disziplin aus allen Bezirken in der Region. 

Dale trug nichts zur Unterhaltung bei und nach dem Essen verschwand er schnell in seinem Zimmer. Ich sah mit Mom und John noch eine Weile Fernsehen, bevor ich mich gegen neun auch zum Schlafen verabschiedete.

Oben angekommen sah ich, dass Dales Zimmertür einen Spalt breit offen war. Leise klopfte ich an die Tür und steckte meinen Kopf ins Zimmer, nachdem Dale ein „Mhm" von sich gegeben hatte. Er lag rücklings auf seinem Bett und starrte an die Decke, als ich hereinkam. 

Aus seinem Laptop kam leise Musik, doch nicht der übliche Punkrock oder Rap, der immer im Auto lief. Diese Musik bestand aus beruhigenden Klängen, die eine angenehme Melodie ergaben. Ich bewegte mich einige Schritte in seine Richtung, bis er seinen ausdruckslosen Blick auf mich richtete.

„Was ist los?", fragte ich leise.

Dale atmete tief ein und aus. „Morgen kommt ein Mitarbeiter von einer Organisation, die Sportstipendien vermittelt", presste er hervor.

Meine Augen wurden groß. „Wow", sagte ich und war etwas sprachlos.

Dale nickte. „Ich habe mich da beworben, weil Coach Nick der Meinung ist, ich hätte gute Chancen", murmelte er und sah wieder zur Decke.

„Die hast du auf jeden Fall", sagte ich. „Du bist um Längen besser als alle anderen in unserem Team und sicherlich auch besser als die anderen Teams!"

Dale sah wieder zu mir und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Das ist mit Abstand das Netteste, was du je zu mir gesagt hast."

Ich verdrehte die Augen. „Es ist nur die Wahrheit. Eigentlich weißt du doch auch, dass du der Beste bist und bildest dir darauf ganz schön was ein. Dazu kann ich dir gerne etwas nicht so Nettes an den Kopf werfen!"

Dale schmunzelte einen Moment, bevor er mich argwöhnisch betrachtete. „Hast du schon wieder Muskelkater?", fragte er und hob das Kinn. Irritiert bemerkte ich, dass ich eine Hand in den schmerzenden Nacken gelegt hatte. Dale setzte sich an den Bettrand und sah zu mir hoch. „Soll ich dich wieder massieren?", fragte er. Sein Mund verzog sich erneut zu einem Grinsen.

„Oh, mein Nacken ist nur ein wenig verspannt. So schlimm ist es nicht", stammelte ich und drehte mich zur Tür um, um zu gehen.

„Hat die letzte Massage denn nicht geholfen?", fragte Dale leise.

Ich zögerte und drehte mich wieder zu ihm um. Fragend sah er mich an.

„Doch", gab ich zu.

Dale hob eine Augenbraue und bot mir mit einer Armbewegung einen Platz neben sich an. Langsam bewegte ich mich zum Bett. Ich setzte mich mit etwas Abstand neben ihn und drehte demonstrativ meinen Rücken in seine Richtung. 

Er schob meinen geflochtenen Zopf nach vorne und legte seine Hände auf meinen Schultern ab. Langsam strich er über meinen Nacken und begann diesen leicht zu kneten und ich ließ entspannt die Schultern hängen. Seine Hände bearbeiteten meine Muskeln mit dem genau richtigen Druck und konzentrierten sich, ohne dass ich etwas sagen musste, auf die verspannten Stellen. 

Mit Anstrengung unterdrückte ich mein Bedürfnis, mich der Massage wieder völlig hinzugeben und vor Entspannung zu stöhnen, doch ein geräuschvolles Atmen konnte ich nicht vermeiden. Ich spürte, wie Dale etwas näher rückte, während er mit seinen Daumen über meine Schulterblätter strich. Er war nun so nah, dass ich seinen Atem im Nacken fühlen konnte. Heiße Schauer durchliefen mich und prompt bekam ich wieder eine Gänsehaut.

Was war nur los mit mir? Ich verspürte ein intensives Pochen, das sich durch meinen Körper zog und meine Schultern spannten sich an, was Dale natürlich bemerkte. Seine Hände kamen zum Halt.

„Alles okay?", fragte er leise und sein Atem kitzelte mich im Nacken.

Ich nickte, dann rückte ich ein Stück von ihm ab. Seine Hände erhoben sich von meinen Schultern, während ich mich zu ihm umdrehte. Er war keinen halben Meter von mir entfernt und ich fragte mich, wie nah er mir eben gewesen war. Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden. Sein Blick tanzte über mein Gesicht und er schluckte.

„Äh", brach ich die Stille zwischen uns. „Danke. Das... das hat gut geholfen. Ich denke, das genügt."

Überrascht hob Dale die Augenbrauen. „Klar. Immer wieder gerne", sagte er nickend.

„Tja, dann", sagte ich mit wackliger Stimme. „Dann äh, gute Nacht." Ich erhob mich und machte mich auf den Weg zur Tür.

„Gute Nacht, Tillie", sagte Dale.

Ich sah mich noch einmal zu ihm um. Schelmisch lächelte er mich an. Ich hob noch die Hand zum Abschied, lief aus dem Zimmer und zog die Tür hinter mir zu.

Als ich kurze Zeit später im Bett lag, war ich hellwach. Langsam schüttelte ich den Kopf. Was war nur los mit mir? Warum löste Dale so einen Tumult in mir aus? Weil er gut massieren konnte?! Ich zog mir die Decke über den Kopf. Es gab genug andere Sachen, um die ich mich sorgen musste, anstatt an Dale zu denken. Zum Beispiel... zum Beispiel der Wettkampf morgen. Der Wettkampf morgen! 

Jetzt wurde auch ich nervös. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, mich für ein Sportstipendium zu bewerben. So spät wie ich wieder eingestiegen war, waren meine Chancen auch nicht besonders hoch. Aber wenn morgen jemand von dieser Organisation käme, konnte es ja nicht schaden, ein wenig Eindruck zu schinden. Wenn die Person nicht zu sehr von Dales Leistung eingenommen wurde. Dales Leistung...

Meine Gedanken gingen wieder auf Wanderschaft und dieses Mal konnte ich sie nicht aufhalten. Seine Hände, die über meine Haut glitten. Wie mein Körper sich nach noch mehr Berührungen gesehnt hatte. Und nach einer Weile, nachdem ich mich lange, lange Zeit gesträubt hatte, gab ich meinem Bedürfnis, meinen Händen diese Berührungen zu erlauben, nach. 

BestzeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt