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Die nächsten Tage verbrachte ich entweder beim Schwimmtraining, in der Schule oder in der Bibliothek und in jeder freien Minute, die ich bekommen konnte, stahl ich mir einen Kuss von Dale. Bis auf einige kurze Momente im Flur hielten wir uns zuhause lieber voneinander fern – dafür machten wir am Freitagmorgen so lange auf dem Parkplatz der Schule rum, dass wir zu spät zum Training kamen.

Der Rausch, in dem wir uns beide befanden, sorgte bei Dale für Hochleistungen beim Schwimmen. Er übertraf an dem Tag seine persönliche Bestzeit im 50-Meter Freistil, was wiederum dazu führte, dass er nach dem Training vor der Halle auf mich wartete, mich an die Hand nahm und hinter die Halle führte, wo er mich gegen die Wand presste und mich so innig küsste, dass mir fast nicht mehr kalt war.

Erst als der Schnee langsam meine Schuhe aufweichte, lösten wir uns grinsend voneinander und beeilten uns, in den Unterricht zu kommen, da wir beinahe wieder zu spät dran waren.

Als ich am späten Nachmittag nach dem Training auf dem Parkplatz ankam, auf dem nur noch Dales Auto stand, wartete er bereits im Wagen. Bevor ich einsteigen konnte, hüpfte er aus dem Auto und öffnete die Tür zur Rückbank.

„Ich hab schon mal die Heizung aufgedreht", raunte er mir ins Ohr, bevor er seinen Mund wieder mit meinem vereinte, mich auf die Rückbank bugsierte und selbst hinterher kam.

Es war tatsächlich angenehm warm im Wagen. Lachend zog ich ihn zu mir herunter, während er meine Jacke öffnete und seine Arme um meine Mitte schlang. Seine Lippen wanderten hungrig meinen Hals hinab und eine Hand fand ihren Weg unter meinen Pulli und legte sich an meinen Rücken.

„Dale."

„Mhm", machte er nur, während seine andere Hand an meiner Seite entlangstrich.

„Glaub ja nicht, dass ich mitten im Winter auf dem Schulparkplatz, auf deiner Rückbank, mit dir schlafen werde."

Dale hielt in der Bewegung inne und sein Gesicht inklusive blödes Grinsen tauchte vor meinem auf. „Ach nein?"

„Dale!", rief ich und wollte von ihm abrücken, doch er hielt mich so, dass ich mich kaum bewegen konnte. Sein Grinsen wurde noch breiter, bevor er mich küsste.

„Natürlich nicht, Tillie", sagte er beschwichtigend und küsste mich nun eine Spur sanfter als eben noch. „So etwas Besonderes möchte ich auch ungern in meinem dreckigen Auto erleben." Nachdenklich sah er wieder auf. „Also jedenfalls nicht das erste Mal."

Ich schnaubte, erwiderte seinen folgenden Kuss aber mit dem gleichen Lächeln, das auch auf seinen Lippen erschienen war.

Als wir kurze Zeit später zuhause ankamen, hörten wir laute, streitende Stimmen, die verstummten, als wir ins Haus traten. Moms Kopf erschien um die Ecke. Sie versuchte sich an einem Lächeln, was ihr aber nicht so recht gelang.

„Hallo Kinder, das Essen ist gleich fertig", flötete sie und verschwand dann wieder.

Fragend sah Dale mich an, aber ich zuckte ebenso verwirrt mit den Schultern und beeilte mich, meine nassen Sachen zum Trocknen aufzuhängen.

***

Am nächsten Tag stand die Regionalmeisterschaft an, zu der wir ziemlich früh losmussten. John konnte nicht mitkommen, da er, obwohl Samstag war, arbeiten musste, also fuhren wir zusammen mit Mom in einem Auto. Sie bestand mit harter Miene darauf, zu fahren, und Dale versuchte gar nicht erst zu protestieren. Wir sammelten auch Cathy ein und machten uns dann auf den Weg nach Buffalo.

Dale saß vorne und navigierte Mom, während er mir immer wieder kurze Blicke zuwarf, die mich nervös machten. Cathy unterhielt derweil das Auto, indem sie meiner Mom berichtete, dass sie jetzt mit einem Teamkollegen von uns zusammen war und was sie so unternahmen, während ich mich stark zurückhalten musste, nicht in Lachen auszubrechen.

Cathy und Kevin trafen sich zwar sehr häufig, aber eine Beziehung war das ihres Erachtens nicht. Und die Dates, die sie vor meiner Mutter beschrieb, waren offensichtliche Umschreibungen dafür, wann, wo und wie sie ihre Zweisamkeit genossen hatten. Auch Dale presste die Lippen aufeinander und versuchte nur unschuldig klingende Fragen zu stellen.

Mom schien tatsächlich nicht zu verstehen, worum es hier gerade ging, oder tat zumindest so. Generell schien sie mit den Gedanken auch woanders zu sein.

Die Halle in Buffalo war ein ganzes Stück größer als die in Franktown und bereits am Vormittag war die Tribüne am Hauptbecken voller Zuschauer. Aus unserem Team hatten sich sechs für die Regionalmeisterschaft qualifizieren können. Beim Aufwärmen sah ich mir meine Konkurrenz an.

Einige erkannte ich vom Bezirkswettkampf wieder, die meisten waren mir aber fremd und schüchterten mich mächtig ein. Viele waren sportlich gesehen in einer Form, die ich wahrscheinlich nicht mal in einem Jahr erreichen würde, wenn ich bis dahin täglich Krafttraining praktizierte. Einige kannten sich schon von anderen Wettbewerben und auch Dale und Carter unterhielten sich mit mehreren Leuten.

Der Coach führte den Mitarbeiter der Stipendienorganisation zu unserer Bank, der uns erzählte, worauf er besonders achten würde. Auch wies er uns darauf hin, dass bei der Staatsmeisterschaft einige Coaches der umliegenden Universitäten zusehen würden und sich eine Qualifikation dafür daher definitiv ausbezahlt machen würde.

Das setzte uns natürlich gar nicht unter Druck. Dale hatte die Hände zu Fäusten geballt und sein Kiefer zuckte nervös, während Coach Nick ihm nochmal Feuer unter dem Hintern machte. Auch Claire war ein Nervenbündel, denn sie hoffte auch auf eine Förderung fürs College.

Als der Coach sich ihr zuwandte, setzte ich mich neben Dale auf die Bank. Er trug die Trainingsjacke mit unserem Schullogo und wippte nervös mit dem Bein herum. Mit zusammengekniffenen Augen sah er durch die Halle.

„Hier sind zu viele von den Ärschen, die mir letztes Jahr die Quali zur Staatsmeisterschaft versaut haben", zischte er.

Ich sah mich um. Die besten High School Schwimmer im Westen New Yorks waren hier versammelt. Bei dem Gedanken musste auch ich schlucken.

„Die letzten Wochen bist du unfassbar gut geschwommen", sagte ich und sah zu ihm auf. „Unglaublich gut. Du könntest gar nicht besser vorbereitet sein."

Dale sah mich an und grinste. „Du musst nicht einen auf Groupie machen, ich würde dich auch so in mein Bett lassen."

Ich verdrehte die Augen, musste aber beschämt grinsen. Schnell sah ich mich um, um mich zu vergewissern, dass niemand etwas von unserer Unterhaltung mitbekommen hatte. Dale stupste mir in die Seite.

„Du solltest deine Konkurrenz aber auch ernst nehmen. Die zwei Mädels aus Rochester haben letztes Jahr ziemlich abgesahnt." Er deutete mit dem Kinn auf ein Paar Mädchen, die mit ihrem Coach am Beckenrand standen. Selbstsicher sahen sie aus. „Und wenn dich das nicht genug anstachelt, denk daran, dass sich die eine letztes Jahr an mich rangemacht hat."

Ich wandte mich wieder Dale zu, der zur Bestätigung nickte. „Danke", sagte ich sarkastisch, „Das war die Motivation, die ich brauchte."

Der Coach trieb uns nun zum Aufwärmen ins Wasser und bald gingen die ersten Vorrunden los. Claire war die erste aus unserer Mannschaft. In ihrer Gruppe schaffte sie es auf den vierten Platz und unter allen Schwimmern im 200-Meter Freistil qualifizierte sie sich knapp mit dem achten Platz. Die Konkurrenz war stark.

Als ich mich auf den Startblock stellte für den 50-Meter Sprint, wurde ich nervös. Die zwei Mädchen aus Rochester waren in meiner Gruppe und gefühlt alle anderen warfen ihnen ehrfürchtige Blicke zu. Ich atmete tief durch und begab mich in die Startposition. Und ließ mich viel zu spät ins Wasser gleiten, nachdem der Schiedsrichter mit der Pfeife gepfiffen hatte.

Wie von Sinnen versuchte ich, meinen Nachteil wieder auszugleichen und kraulte so schnell ich irgendwie konnte. Der Beckenrand tauchte vor mir auf und in einer geschmeidigen Bewegung drehte ich um und sprintete in die andere Richtung. Prustend kam ich unter dem Startblock an.

Ich hatte es in meiner Gruppe auf den vierten, im Gesamtergebnis auf den fünften Platz geschafft. Erschöpft nuckelte ich im Anschluss an meiner Wasserflasche, während sich die Jungs für den Sprint bereitmachten.

Dale und Carter machten qualifizierten sich auf den dritten und siebten Platz für den finalen Wettkampf am Nachmittag. Auch in ihren anderen Disziplinen kamen sie weiter und Kevin schaffte die Qualifikation im 100-Meter Schmetterlingsschwimmen. Brianna zeigte beim Rückenschwimmen wieder, was sie draufhatte und beim Brustschwimmen zog auch ich knapp in die finale Runde.

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