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Ich wusste nicht, wie lange ich schon wach war und die Wellen auf dem Regalende zählte. Meine Augen taten weh, da ich kaum geblinzelt hatte, aber sie tränten auch mächtig. Draußen war es nicht besonders hell, die Wolkendecke ließ keinen Sonnenstrahl oder blauen Himmel erkennen und der Baum vor meinem Fenster ächzte im Wind.

Ich schwang mich aus meinem Bett und machte mich hungrig auf in die Küche. Mom war nicht zuhause, auf einem Zettel am Kühlschrank hatte sie mir die Nachricht hinterlassen, dass sie einkaufen war. Nach einem nicht sehr ergiebigen Frühstück rief ich Cathy an und übermittelte ihr die Neuigkeiten.

Kurze Zeit später saßen Cathy und ich mit einer großen Decke über unseren Beinen auf ihrer Terrasse. Sie hatte den Heizpilz angeschmissen und missmutig betrachtete ich den Schnee in ihrem Garten, während ich meinen Kakao schlürfte. Den großen Schluck Kaffee-Likör aus dem Vorratsschrank ihrer Eltern war deutlich herauszuschmecken.

Ihre Eltern waren dieses Wochenende mal wieder bei Cathys Großeltern in Rochester und würden erst heute Abend zurückkommen. Dementsprechend entspannt zündete sich Cathy eine Zigarette an und reichte dann mir das Feuerzeug.

„Ich hätte es einfach nie zulassen sollen", murmelte ich und nahm einen Zug von meiner Zigarette. „Ich hätte mich einfach von ihm fernhalten sollen und ihn weiterhin hassen sollen."

„Du hast ihn vorher doch nicht gehasst", entgegnete Cathy. Ich warf ihr einen ärgerlichen Blick zu und sie zuckte mit den Schultern. „Ich meine ja nur. Und immerhin lebt ihr jetzt nicht mehr zusammen, also musst du ihn nicht so häufig sehen."

Ich nickte. Ja, ein Glück. Jetzt musste ich ihn nur noch im Englischunterricht und beim Schwimmen ertragen. Ab der kommenden Woche wurde das Training aber für die, die sich für die Staatsmeisterschaft qualifiziert hatten, wieder intensiviert, was ein Extra-Training am Morgen bedeutete. Bei dem Gedanken seufzte ich auf.

„Ach Süße", sagte Cathy und griff nach meiner Hand. „Ich wünschte, ich könnte ihn einfach ans andere Ende der Welt verbannen, da kann er ja sehen, ob er es bis zu unserem Abschluss geschafft hat, wieder herzuschwimmen. Ich könnte aber mit dir morgens ins örtliche Schwimmbad gehen und dir beim Trainieren helfen!", bot sie an. „Dann kannst du dich vielleicht etwas ablenken."

Ich lächelte sie dankbar an. „Das wäre cool. Aber ehrlich gesagt", sagte ich und nahm einen ordentlichen Schluck, der mir im Hals brannte, „habe ich gar keine Lust, mich vor ihm zu verstecken. Ich muss mich jetzt einfach auf wichtigere Dinge konzentrieren. Auf die Schule, Uni und aufs Schwimmen, so wie es mein Plan war dieses Jahr." Ich schüttelte den Kopf und hob mein Kinn an. „Es geht hier schließlich um meine Zukunft. Und die werde ich mir sicherlich nicht durch so einen Idioten vermasseln lassen."

Cathy grinste mich stolz an und hob ihren Becher zu meinem an. „Auf eine erfolgreiche Zukunft", verkündete ich und zog an meiner Zigarette. „Und ein frohes, neues Jahr!"

***

Als ich mich am Montag aus dem Bett rollte, war ich mir nicht sicher, ob meine Kopfschmerzen vom Alkohol gestern, dem wenigen Schlaf oder den Tränen, die nicht aufhören wollten, kamen. Mit eiskaltem Wasser wusch ich mir das Gesicht, um es etwas weniger verquollen wirken zu lassen, schlang ein kleines Frühstück hinunter und trabte zur Bushaltestelle. Ich war neben einem älteren Paar die Einzige im Bus. Draußen war es stockdunkel und ich hätte lieber alles andere gemacht, als jetzt zum Training zu fahren und Dale begegnen zu müssen.

Sein Anblick versetzte meinem Herzen einen kleinen Aussetzer, aber ihm schien es nicht anders zu gehen, als sein Blick meinen traf. Entschlossen wandte ich mich von ihm ab und begrüßte die anderen, die sich am Beckenrand tummelten, während Dale begann, durchs Wasser zu peitschen.

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