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Carter hatte sich in Schale geworfen. Im Hemd und gebügelten Hosen hielt er mir die Autotür auf, als wir beim Restaurant ankamen. Für einen Samstagabend war es noch recht leer, aber es war auch noch früh. Ich bestellte mir eine Gemüselasagne und Carter ein Nudelgericht mit Scampi. Die Bruschetta, die uns als Vorspeise serviert wurde, schmeckte köstlich.

„Ich liebe diese Tomaten", seufzte ich, als ich nach dem zweiten Stück griff.

Carter nickte begeistert. „Die Vorspeisen hier sind immer ein Highlight. Warst du schon mal hier essen?"

Ich nickte. „Ja, einmal. Letztes Jahr", sagte ich. Ich erinnerte mich noch gut daran, weil es der Tag war, an dem ich John als den Freund meiner Mutter vorgestellt bekommen hatte. Und der Tag, an dem ich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder mit Dale gesprochen hatte.

„Hey Tillie!", begrüßte mich Dale, als Mom und ich uns an den Tisch setzten, an dem er und sein Vater saßen.

„Wirklich? Tillie?", waren meine ersten Worte an ihn.

Dale gluckste. „Klar, ich nenne dich doch immer Tillie", sagte er grinsend, als ob wir in den letzten drei Jahren überhaupt miteinander geredet hätten.

„... definitiv einer der besten in der Stadt, findest du nicht auch?"

„Hm?" Irritiert sah ich Carter an.

„Findest du nicht auch, dass der Laden einer der besten ist in Franktown?", wiederholte Carter seine Frage und sah mich verwundert an.

„Ja, auf jeden Fall!", sagte ich hastig. „Und italienisch esse ich auch am liebsten."

Carters Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Na dann habe ich ja die richtige Wahl getroffen für unser erstes Date", sagte er zufrieden und hob sein Glas an. Ich nickte und stieß mit ihm an.

Am Anfang schienen wir beide recht nervös zu sein, aber nach einer Weile entwickelten sich unsere Gespräche wie von selbst. Wenn Carter seine coole Miene, die er, Dale und ihre Freunde gerne zur Schau stellten, ablegte, war er ein wirklich zuvorkommender und lieber Typ, mit dem man auch Pferde stehlen konnte. Wir unterhielten uns über die Schule, Schwimmen, wie unsere Zukunftspläne aussahen, ob wir in Franktown bleiben wollten und Gott und die Welt.

„Wenn ich die Chance hätte", verkündete ich, „würde ich sofort nach New York City ziehen. Die Nähe, die Menschen, die Kultur. Ich könnte den Rest meines Lebens da verbringen und würde wahrscheinlich trotzdem jeden Tag etwas Neues entdecken."

Carter schüttelte lächelnd den Kopf. Er hatte vor, im nächsten Sommer an der Westküste zu reisen. „Lebt dein Dad nicht in New York? Könntest du nicht bei ihm einziehen, wenn du so gerne dahin möchtest?"

Ich legte den Kopf schräg. Damit hatte er gar nicht so unrecht. „Prinzipiell könnte ich das, stimmt", gab ich zu. „Aber Mom und Cathy und..." Fast hätte ich Dale gesagt und schloss erschrocken den Mund. Mit aller Kraft schlich er sich immer wieder in meine Gedanken, aus denen ich ihn mit derselben Kraft herauszudrängen versuchte. Aber dieses Mal verdiente er es, dass ich an ihn dachte. Würde ich jetzt nach New York ziehen, würde ich ihn vermissen. Sehr sogar.

Als ich gerade von der Toilette kam, lief ich in Dale hinein, der gerade auf dem Weg zu den Waschräumen war. Blöd grinste er mich an.

Ist ja fast so, als wären wir auf einem Date", sagte er anzüglich und wackelte mit den Augenbrauen.

Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an. „Darauf kann ich gerne verzichten und außerdem bin ich schon vergeben. Und du solltest so etwas auch echt nicht sagen, das hat Eleanor Brody bestimmt nicht gerne."

Dale winkte ab. „Das ist vorbei, keine Sorge. Ich date gerade Tiffany Harding, die heiße Blonde aus Englisch."

„Wow, herzlichen Glückwunsch." Ich verdrehte die Augen.

„Sei nicht eifersüchtig, Tillie." Er zwinkerte und zog von dannen.

„Ich bin nicht...", rief ich ihm empört hinterher, da war er aber schon lachend im Männerklo verschwunden.

„Matilda?"

Ich wurde wieder in die Realität gerissen. „Sorry. Sorry, ich..."

„Du wirkst ziemlich abgelenkt. Ist alles in Ordnung?", fragte Carter besorgt.

Langsam nickte ich. „Ja, ich... ich muss mal eben...", sagte ich und machte mich auf zu den Toiletten, vor denen sich die Erinnerung von eben abgespielt hatte.

Mein Spiegelbild schüttelte den Kopf. Jetzt reiß dich mal zusammen! Was war nur los mit mir? Carter und ich verstanden uns doch unheimlich gut. Er war intelligent, nett, unterhaltsam, teilte meine Liebe zum Schwimmen, brachte mich mit seinen blöden Witzen zum Lachen, war für mich da, wenn ich ihn brauchte, und er hatte mir ein so unglaublich persönliches Geschenk gemacht mit dem verzierten Regal, und wie er mich vorhin umarmt hatte... Das schockierte Gesicht im Spiegel machte mir klar, dass ich nicht an Carter dachte. Was tat ich hier nur?

Ich kühlte meinen Nacken etwas mit kaltem Wasser, um wieder herunterzukommen und begab mich dann zurück zu unserem Tisch. Carter sah mich fragend an, als ich mich vor meine Lasagnereste setzte. Er hatte bereits aufgegessen.

„Carter", sagte ich und sah ihn an, „ich..."

Carter seufzte. Er wusste bereits, was nun kam. Mein Verhalten hatte es allzu deutlich gezeigt.

„Ich mag dich wirklich gerne. Aber... ich sehe nicht mehr zwischen uns als Freundschaft."

„Verstehe", antwortete Carter leicht zerknirscht. Dann lächelte er zuversichtlich. „Schon okay. Ich mag dich auch sehr gerne und auch wenn es nicht mehr als Freundschaft ist, dann reicht mir das aus. Und wir sind ja sogar mehr als das", fügte er hinzu. „Wir sind Teamkollegen!" Breit grinste er mich an.

„Danke für dein Verständnis. Ich wollte dir auch sicherlich keine falschen Hoffnungen machen oder so. Tut... mir leid."

Carters Grinsen wich etwas milderen Gesichtszügen. „Kein Problem, Matilda."

Kurze Zeit später waren wir auf dem Rückweg. Die Stimmung war natürlich etwas gedämpft, aber ich war froh, dass Carter meine Abfuhr gut aufgenommen hatte. Als wir vor meinem Haus ankamen, umarmte er mich noch zum Abschied.

„Der Abend hat zwar anders geendet, als ich es gehofft hatte, aber trotzdem hatte ich viel Spaß", sagte Carter, als er sich von mir löste.

„Ich auch", gab ich lächelnd zurück. „Wir sehen uns dann am Montag!"

Ich winkte noch, bis Carter außer Sicht war und drehte mich dann zum Haus um. Schlagartig wurde ich nervös. 

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