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Mom plante bereits den Feiertag am Montag zu nutzen, um auszuziehen. Sie hatte schon die meisten Sachen gepackt, sagte sie, wovon ich in meiner rosaroten Blase natürlich nichts mitbekommen hatte. Ich durfte also das Wochenende mit Packen verbringen.

Als wir am Samstag nach dem Frühstück wieder nach Hause fuhren, wenn man es denn noch so bezeichnen durfte, war die Stimmung ziemlich angespannt, als John uns im Flur begrüßte. Ich machte mich auf in mein Zimmer. Apathisch saß ich eine Weile auf meinem Bett herum, als es klopfte und kurz darauf Dale in mein Zimmer spähte. Ich lächelte ihm leicht zu und er schlüpfte ins Zimmer.

„Alles klar?", fragte er, als er sich zu mir aufs Bett setzte.

„Ja", sagte ich seufzend und sah zu ihm auf. „Ich wusste nicht, wie schlimm es zwischen ihnen war."

Dale schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht."

Er nahm meine Hand in seine, küsste mich kurz und schenkte mir dann ein warmes Lächeln. „Ich werde es vermissen, wenn du nicht mehr nur ein paar Türen von mir entfernt bist."

Ich legte meine freie Hand an seine Wange und nickte, bevor ich meine Lippen wieder mit seinen vereinte.


Dale half mir, meine Möbel abzubauen und meine Kisten zu packen. Ohne, dass ich Klamotten aussortierte und mit seiner Hilfe, hatte ich es in zwei Tagen geschafft, alles vorzubereiten. An diesen Tagen merkte ich auch endlich, wie sich die Stimmung im Haus verändert hatte.

John verbrachte die Nächte auf dem Schlafsofa in seinem Arbeitszimmer und war tagsüber wenig zuhause oder verschanzte sich in seinem Büro. Mom packte die letzten Kisten und brachte bereits mehrere Fuhren davon in unser Haus. Wenn sie mal da war und sich nicht gerade krampfhaft mit Packen beschäftigte, erwischte ich sie dabei, wie sie verloren aus dem Fenster starrte und ganz weit weg zu sein schien.

Als ich am Sonntag zum letzten Mal in diesem Haus ins Bett ging, konnte ich nicht einschlafen. Ich fühlte mich schrecklich leer und konnte meine Gefühle nicht zuordnen. Ich wusste nicht, ob ich traurig darüber sein sollte, dass ihre Beziehung zerbrochen war. Mein Eindruck war, dass es Mom so besser ging. Aber andererseits vermutete ich, dass ich die Trennung nur meinetwegen guthieß. Weil das, was zwischen Dale und mir passierte, jetzt auch offiziell passieren dürfte, ohne dass es merkwürdig war.

Verloren in meinen Gedanken bemerkte ich fast nicht, wie sich meine Zimmertür, ohne ein Geräusch zu machen, öffnete und wieder schloss. Kurz darauf kam Dale unter meine Decke gekrochen, kuschelte sich von hinten an mich heran und küsste meinen Hinterkopf.

Ich schickte ihn diese Nacht nicht fort. Wir sprachen nicht, sondern genossen einfach die Anwesenheit des anderen. Mit seinem warmen Körper an mich gekuschelt, driftete ich langsam in einen unruhigen Schlaf ab. Und als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Dale nicht mehr neben mir.

***

Es war ein seltsames Gefühl, wieder Zuhause zu sein. Doch auch wenn das Haus dasselbe war, hatte sich einiges verändert. Mein neuer Schrank sah merkwürdig aus in dem Zimmer und das verkürzte Regal mit der bemalten Seite wirkte wie aus einem Traum gerissen. Dale hatte uns beim Umzug und auch noch beim Möbelaufbau geholfen, verabschiedete sich aber mittags. Ich stand an der offenen Haustür und sah ihm hinterher, während er davonfuhr.

Mom und ich gönnten uns ein schnelles Mikrowellengericht, bevor ich mich ans Auspacken machte. Cathy kam am Nachmittag vorbei und leistete mir dabei Gesellschaft, sodass es erträglicher war und ich mich gut ablenken konnte. Sie saß vor meinem Bett und sortierte meine Bücher nach ihrem sehr speziellen System, während ich meine Kleidung in den Schrank räumte.

„Das tut mir echt leid für deine Mutter. Dass ihre Beziehung zerbrochen ist", sagte Cathy. Sie schien mit einer Reihenfolge nicht zufrieden zu sein und probierte eine neue aus. Dann sah sie zu mir hoch. „Aber du dürftest das doch gar nicht so schlimm finden, oder?"

„Was? Was meinst du? Klar finde ich das blöd für Mom!", sagte ich verwirrt.

Cathy legte ihren Kopf schräg. „Ach wirklich. Du hättest es also lieber, wenn deine Mom Dales Vater geheiratet hätte?"

Ich öffnete den Mund zu einer Antwort, bekam aber nichts raus. Cathy beäugte mich kritisch.

„Ich weiß nicht, keine Ahnung...", murmelte ich, als ihre Augen sich zu Schlitzen verzogen. Ich sah schnell woanders hin.

„Na klar. Kannst du mir jetzt bitte endlich erzählen, was los ist?

„Was meinst du?"

„Na, was da zwischen dir und Dale geht!", rief sie.

„Ich... was... was?", stammelte ich, aber mein hochroter Kopf sagte wohl genug aus. Cathy schüttelte nur den Kopf. „Woher...?", murmelte ich, bevor sie mich unterbrach.

„Woher ich das weiß? Du bist meine beste Freundin, Tillie, und ich bin nicht blöd. Oder blind. Du denkst vielleicht, deine Blicke oder dein Verhalten, wenn er in der Nähe ist, wären normal, aber das sind sie ganz und gar nicht. Vor allem nicht, wenn man dich so gut kennt wie ich! Wie konntest du mir nichts davon erzählen?"

Ich schluckte und sah ihr wieder in die Augen. Sie sah ziemlich wütend aus. „Tut mir leid..."

Cathy seufzte genervt und verdrehte die Augen, dann zog sie sich hoch auf mein Bett. „Deine Entschuldigungen kannst du dir sparen. Und jetzt komm gefälligst her und erzähl mir ALLES!"

Ich unterdrückte ein Lachen und schmiss mich zu Cathy auf das Bett, wo wir uns in die Arme fielen.

Dann packte sie meine Schultern und sah mir ernst ins Gesicht. „Von ganz vorne bitte. Ich will alles wissen!"

Also fing ich an zu erzählen. Wie wir uns durch das Schwimmen und die Autofahrten nähergekommen waren. Die Massagen. Unsere Streitereien und unsere Versöhnungen. Der Beinahe-Kuss, das Regal, der erste Kuss. Die Mistelzweig-Geschichte, das Date, mein Geburtstag. Es tat so gut, ihr endlich davon zu erzählen und ich konnte selbst kaum glauben, dass ich es so lange vor ihr geheim gehalten hatte.

„Wow", sagte sie, als ich am Ende ankam. Ihr Blick ruhte seit dessen Erwähnung auf dem Regalende. „Und jetzt? Wie geht's mit euch weiter?"

Ich zuckte mit den Schultern. Dale und ich hatten nicht darüber gesprochen.

„Ich hoffe... wir müssen uns jetzt nicht mehr verstecken", murmelte ich.

Vor meinem Fenster beobachtete ich den kahlen Laubbaum, dessen dünne Äste im Wind tanzten und ich meinte, es wäre der vertraute Anblick, der mich nervös werden und mein Herz schneller schlagen ließ. 

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