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Dale und ich gingen uns aus dem Weg. Als wir uns am Abend am Esstisch gegenübersaßen und am nächsten Morgen in der Küche über den Weg liefen, sprachen wir nicht miteinander. Ich verließ das Haus extra früh, um den Bus zu nehmen. Während ich an der Haltestelle wartete, sah ich Dales Auto an mir vorbeibrausen. Ich sah ihn erst im Englischkurs wieder, wo er mich nicht beachtete. Dafür warf mir Tiffany einige böse Blicke zu.

In der Mittagspause hakte ich bei Cathy nach, wo sie gehört hatte, dass Dale Tiffany fremdgegangen sei. Sie zuckte mit den Achseln.

„Sie und ihre Freundinnen waren im Sommer oft in der Eisdiele. Da hört man die ein oder andere Sache. Einmal habe ich mitbekommen, wie Tiffany über Dale abgelästert hat, da waren sie wohl frisch getrennt. Und während sie auf der Toilette war, haben ihre Freundinnen darüber gerätselt, ob er sie wohl betrogen hat", erzählte Cathy. „Warum fragst du?"

„Ach, nur so", murmelte ich und ließ meinen Blick durch die Cafeteria schweifen. Dale saß mit seinen Freunden einige Tische von uns entfernt und stocherte grimmig guckend in seinem Essen herum.

Vor dem Schwimmtraining dehnte ich mich ausgiebig, da ich nach dem Wettkampf am Samstag noch ordentlich Muskelkater hatte. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir eine intensive Massage von Dale wünschte, doch vertrieb diesen Gedanken ganz schnell. In der Halle traf mich Coach Nicks Blick und er winkte mich zu sich. Er stand mit Dale am Beckenrand, dessen Kiefer wieder aufgebracht zuckte.

„Graham, am Samstag war ein Mitarbeiter einer Agentur da, die Sportstipendien vermittelt. Der Herr war ziemlich begeistert von deiner Leistung und empfiehlt dir, dich für ein Stipendium zu bewerben. Du willst doch studieren gehen, oder?"

„Ja klar, aber... ist es nicht schon viel zu spät für eine Bewerbung?"

Coach Nick nickte. „Eigentlich schon, ja. Aber wenn du gute Noten hast und vielleicht auch außerschulische Leistungen wie einen Nebenjob, sollte es passen. Und am Ende zählt natürlich die Leistung beim Schwimmen. Bei der Regionalmeisterschaft wird der Herr wieder zusehen, und wenn du da wieder so gut bist, denke ich, hast du gute Chancen. Collins kann dir seine Bewerbung zeigen und dir sagen, worauf du achten musst. Alles klar, Collins?", sagte der Coach und wandte den Kopf in Dales Richtung, dessen Miene immer grimmiger wurde.

„Klar", murmelte er.

„Sehr gut", sagte Coach Nick und ließ uns dann stehen.

Dale sah mich an, als wolle er mich umbringen, machte dann aber auch kehrt und ließ mich am Beckenrand zurück. Ich schluckte. Er fügte seiner Liste wahrscheinlich gerade sie nimmt mir mein Stipendium weg hinzu. Mit schlechten Gewissen folgte ich ihm zur Bank, wo die Mannschaft sich zusammenfand.

Nach dem Training ließ ich mir extra lange Zeit, da der Bus sowieso nur alle halbe Stunde kam. Als ich die Halle verließ, war es schon fast dunkel und mittlerweile war es auch ziemlich kalt. Mit schnellen Schritten ging ich in Richtung der Bushaltestelle, wurde aber langsamer, als ich Dales Auto auf dem sonst verlassenen Parkplatz sah. Mit einer Kopfbewegung gab er mir zu verstehen, dass ich einsteigen konnte. Auch wenn ich eigentlich keine Lust auf eine weitere Konfrontation mit Dale hatte, war mir wirklich kalt, also lief ich schnell zum Auto und warf mich auf den Beifahrersitz.

„Hör mal, das mit gestern tut mir wirklich leid", sagte ich, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Dale atmete geräuschvoll durch die Nase und starrte abwesend auf sein Handy. „Ich meine es ernst! Natürlich glaube ich nicht, dass du der Typ bist, der seine Freundin betrügt. Ich hoffe, ich hab es dir jetzt nicht mit Tiffany versaut."

Dales Mundwinkel zuckte. „Keine Sorge. Ich hab ihr am Samstag gesagt, dass es zwischen uns endgültig vorbei ist. Keine Ahnung, was sie gestern eigentlich wollte."

Ich musste lächeln. „Okay. Trotzdem tut es mir leid. Und was die anderen Sachen betrifft: es war nie meine Absicht, dich irgendwie auszuschließen oder deinen Platz einzunehmen oder dir dein Leben zur Hölle zu machen. Aber ich entschuldige mich natürlich dafür, dass mein Verhalten dazu geführt hat." Schuldbewusst sah ich ihn an.

„Hmm", machte Dale und hob den Blick. Er starrte auf das Schulgebäude und drehte sich dann endlich zu mir um. „Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen. Du hast ja nichts falsch gemacht. Aber das macht es irgendwie noch schwerer für mich. Dass du dich auf Anhieb gut mit Dad verstehst, beim Schwimmen so durchstartest und... Keine Ahnung, Tillie." Sein Blick wurde traurig. „Ich denke, ich bin etwas eifersüchtig geworden. Tut mir leid."

Erstaunt hörte ich ihm zu. Der große, coole und beliebte Dale – eifersüchtig?

„Dad ist seit Jahren nicht mehr bei meinen Schwimmwettkämpfen gewesen", erzählte Dale. „Und ich weiß, wenn er jetzt mitkommt, macht er das vor allem für deine Mutter. Und vielleicht auch um uns beide zu unterstützen. Aber es verpasst einen schon einen Stich, verstehst du?" 

Ich nickte. 

„Und er hat Recht, es war immer mein Traum, ein professioneller Schwimmer zu werden. Aber ehrlich gesagt, ist das immer noch mein Traum. Klar, ich weiß, dass das nie was wird, aber", er lächelte mir leicht zu, „auch wenn etwas komplett unrealistisch ist und die Chancen bei circa null stehen – ich werde immer Hoffnung haben, dass es passiert."

Ich griff nach seiner Hand, die zwischen uns auf der Handbremse lag. „Dale, du bist der ehrgeizigste Typ, den ich je getroffen habe. Und der beste Schwimmer, den ich persönlich kenne. Wenn es jemand schaffen kann, dann du."

Dale lächelte, während er unsere Hände betrachtete. Ich merkte, wie mein Gesicht warm wurde. Langsam zog ich meine Hand von seiner und Dale hob den Kopf.

„Danke Tillie", sagte er mit einem warmen Lächeln.

***

Die nächsten Tage ließ mir Dale keine Ruhe. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, meine Bewerbung so perfekt wie möglich zu machen. Seinen plötzlichen Sinneswandel erklärte er damit, dass ich als Mädchen ja nicht zu seiner aktiven Konkurrenz gehörte. 

Außerdem hatte er ziemlichen Spaß daran, mich beim Schwimmen zu filmen und mir im Nachhinein zu präsentieren, wie viele Mitschnitte er unbrauchbar gemacht hatte, indem er auf meinen Hintern fokussiert hatte. Daraufhin bat ich Brianna nach dem Training am Mittwoch etwas länger zu bleiben, um mich zu filmen, während der Coach meine Zeiten stoppte und mir Anweisungen gab.

Ich besorgte mir alle nötigen Dokumente aus der Schule und kramte alte Kisten aus dem Keller hervor, die Nachweise meiner Schwimmerfolge bis zur siebten Klasse enthielten. Durch den Umzug in Johns und Dales Haus hatte ich einen groben Überblick, in welchen Kisten ich suchen musste. 

Dale half mir beim Durchstöbern der Sachen und fand ein Bild unseres Schwimmteams aus der vierten Klasse. Mit Zahnlücken grinsten wir alle frech in die Kamera.

„Aww", seufzte ich, als er mir grinsend das Bild vor die Nase hielt, „Da warst du ja noch richtig süß!"

Dale lachte. „Ich bin mir sicher, dass sich diese Eigenschaft über die Jahre gesteigert hat", sagte er schmunzelnd und wackelte mit den Augenbrauen.

Kopfschüttelnd drückte ich ihm das Foto wieder in die Hand und widmete mich einem Ordner mit Urkunden. Im Augenwinkel sah ich, wie Dale noch einige Sekunden lang abwesend das Bild betrachtete und musste mir ein Grinsen verkneifen.

Nach einer anstrengenden Woche präsentierte ich am Montag vor dem Training dem Coach meine Unterlagen und das Bewerbungsvideo. Zufrieden versprach er mir noch heute mit der Agentur zu telefonieren und auf dem Nachhauseweg machte Dale bei der Post Halt, wo ich meine Bewerbung abgab. 

BestzeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt