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Am Freitag vor der Staatsmeisterschaft traf sich das Schwimmteam nach der letzten Stunde auf dem Parkplatz der Schule. Das Nachmittagstraining fiel aus, da wir mit dem Bus nach New York City zur Staatsmeisterschaft fuhren. Hibbelig warteten wir mit unseren großen Taschen, als der Kleinbus vorfuhr.

Dale und Carter fuhren aus mir unbekannten Gründen mit Dales Auto, sodass im Bus nur noch wir restlichen acht und der Coach mitfuhren. Der Bus war zum Glück groß genug, dass sich jeder auf einer eigenen Bank breit machen konnte, um die nächsten sechs bis sieben Stunden gut zu überstehen. Ich spielte zu Anfang noch mit Brianna und Claire ein Kartenspiel, wurde dann aber auch müde, zog mich mit meinen Kopfhörern in den Ohren auf meine Bank zurück und genoss den Ausblick auf die Wälder und Berge, die wir passierten, bis ich einschlief.

Es war bereits dunkel, als wir vor dem Hotel in der Nähe der Schwimmhalle ankamen. Für uns Mädchen gab es ein Zweier- und ein Einzelzimmer und ich war dankbar, dass Claire und Brianna mir letzteres überließen. Während einige noch für ein schnelles Abendessen ausflogen, ließ ich mich nach der Fahrt ziemlich erschöpft ins Bett fallen, da mir mein Snack von der Pause an der Reststätte gereicht hatte und durch die Busfahrt gut geschafft, schlief ich immerhin schnell ein.

***

Beim Frühstück am nächsten Morgen war die Stimmung recht angespannt. Mit Mühe schaufelte ich mir das Buffetessen rein, damit ich fit war für einen anstrengenden Tag. In dem Hotel nächtigten auch ein paar andere High School Schwimmteams, unter anderem das Team aus Rochester mit den beiden starken Konkurrentinnen aus der Regionalmeisterschaft, und es verpasste mir einen Stich, als ich sah, wie Dale sich mit einem der beiden Mädchen neben dem Toaster unterhielt. Als ich ihr für meine Ohren nervtötendes Lachen hörte, beendete ich mein Frühstück und verzog mich in mein Zimmer, bis wir uns zur Halle aufmachten.

Mom hatte mir geschrieben, dass sie auch auf dem Weg sei. Sie wollte bis Montag mit mir in New York bleiben, um mir heute beim Schwimmen zuzusehen und um mich zur Uni zu begleiten. Ich wusste noch nicht genau, was ich davon halten sollte, aber sie würde die Nächte bei Dad verbringen, der nicht besonders weit weg von der Schwimmhalle wohnte. Dad wollte nachher auch zusehen, was mich fast so nervös machte, wie das Treffen mit dem Coach vom St. Francis College.


Gegen zehn trudelten alle in die riesige Halle ein und begaben sich zum Aufwärmen in die Becken. Meine Hoffnungen auf eine Medaille schwanden schnell, als ich die Mädchen der anderen Teams beim Schwimmen sah, die in Höchstgeschwindigkeit durchs Wasser peitschten.

Zu den nicht-qualifizierten Teammitgliedern reihten sich auch bald die ersten richtigen Zuschauer und als mein Dad mit einem Mann die Halle betrat, den ich direkt als den Coach von St. Francis erkannte, beeilte ich mich mit Coach Nick die Gäste zu begrüßen. Da die drei Männer sich mehr oder weniger gut kannten, legte sich meine Nervosität schnell, da alle sehr zuversichtlich waren, was meine heutige Leistung anging.

„Ich bin schon sehr gespannt", sagte der College-Coach und schüttelte meine Hand. „Ihre Bewerbung und Ihre Leistung bei der Regionalmeisterschaft waren ziemlich beeindruckend."

„Danke schön! Und vielen Dank, dass Sie gekommen sind", sagte ich. „Das St. Francis College ist definitiv eins meiner absoluten Favoriten und es würde mir eine große Ehre sein, für das College schwimmen zu dürfen!"

Der Coach lächelte zufrieden. „Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie eine Bereicherung für das Team wären."

Vor Freude und Dankbarkeit grinste ich unkontrolliert und wurde wahrscheinlich ziemlich rot. Dad nickte mir zuversichtlich zu und wandte sich dann an den Coach.

„Dann lassen wir Matilda am besten jetzt in Ruhe, damit sie gut vorbereitet ist", sagte er und der Coach nickte und schüttelte mir und Coach Nick noch die Hand, bevor er mit Dad auf die Tribüne stieg.

Auch Coach Nick ließ mich stehen, da er sich nun mit einem anderen Trainer unterhalten wollte. Auf dem Weg zurück zu unserer Bank sah ich Dale, der gerade einen Mann begrüßte, der wahrscheinlich auch ein Schwimmtrainer war. Er wirkte bei dem Gespräch erstaunlich gelassen, bis Coach Nick ihn zu sich herüberrief, um ihm den anderen Herren vorzustellen. Ich ließ mich ins Wasser gleiten und setzte meinen Fokus nun darauf, mein Bestes zu geben und den Wettkampf hinter mich zu kriegen.


Die Qualifikationsrunden waren alles andere als einfach. An den ersten drei Disziplinen nahmen wir nicht teil, aber die enttäuschten Gesichter verpassten nicht nur mir Panik. Coach Nick tauchte vor mir auf.

„Alles klar, Graham. Gib dein Bestes", ermahnte er mich und gab mir mit einer Kopfbewegung zu verstehen, mich zu den Startblöcken zu bewegen.

Mein Herz raste, als ich mich in Bewegung setzte. Ich warf einen Blick hoch zur Tribüne und sah Dad und den Coach des St. Francis Colleges. Mom hatte es noch nicht nach New York geschafft. Vor dem Startblock atmete ich noch einmal tief durch und stieg dann hoch. Ich sah die Mädchen aus Rochester einige Bahnen neben mir, ansonsten waren neben mir nur gesichtslose Konkurrentinnen, die mich gleich zur Schnecke machen würden.

Durchatmen. Durchatmen. Du kannst es schaffen. Ich beugte mich in die Startposition und sprang ab. Meine Lunge schmerzte, meine Arme brannten, in meinem Kopf herrschte wieder nur ein Rauschen. Dann berührte meine Hand wieder die Wand des Beckens und nach Luft schnappend hob ich den Kopf und sah zur Anzeigetafel. Fünfter Platz. Ich kletterte aus dem Becken und ging zu meinem Team zurück, das mich leicht jubelnd empfang. Die zweite Gruppe sprintete los und dann stand es fest: ich hatte mich für die finale Runde qualifiziert.

Brianna umarmte mich glücklich und auch die anderen auf der Bank freuten sich für mich. Nur Dale, der sich nun zum Becken bewegte, war mit den Gedanken ganz woanders. Sein Blick ging über die Tribüne, bis er ziemlich apathisch am Startblock ankam. Carter, der sich für den 50-Meter Sprint nach der Regionalmeisterschaft in der Gesamtplatzierung nicht qualifizieren konnte, rief ihm neben mir motivierende Sprüche zu. Dales Blick wanderte zu ihm und dann sah er für einen Moment mich an, bevor er auf den Startblock stieg und sich in Position begab.

Dale qualifizierte sich mit dem vierten Platz. Wir freuten uns lautstark für ihn, aber er hätte nicht enttäuschter sein können. Seinen hohen Anspruch an sich selbst konnte er einfach nicht zufrieden stellen, aber da ich wusste, dass er es sehr viel besser konnte, da die Zeit, die er geschwommen war, nicht annähernd seiner Bestzeit entsprach, konnte ich seine Enttäuschung dennoch nachempfinden. Insbesondere mit den Coaches im Publikum war der Druck einfach unfassbar hoch.

Kevin schaffte es in seiner Disziplin nicht, dafür kam Carter mit einem knappen achten Platz beim 100-Meter Freistil weiter. Dale schaffte es beim 500-Meter Freistil auch in die finale Runde, doch auch nur mit einem knappen sechsten Platz, der ihn noch frustrierter machte. Brianna verpasste beim Rückenschwimmen unglaublich knapp die Qualifikation und ich machte geradeso den letzten Qualifikationsplatz beim 100-Meter Brustschwimmen. 

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