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Nach einem etwas angespannten Frühstück und der weihnachtlichen Bescherung fuhren Mom und ich zu meinen Großeltern, wo wir das Wochenende über blieben, um mit ihnen Weihnachten zu feiern. Dale und John besuchten auch ihre Verwandten und ich fragte mich, warum Mom gar nicht vorschlug, dass wir alle zusammen etwas unternahmen.

Aber mir was das so auch Recht. Ich bekam regelrechte Panikattacken, wenn ich darüber nachdachte, was die Leute denken würden, wenn sie Dale und mich auf einem Date zusammen sahen. Was unsere Mitschüler sagen würden und unsere Freunde. Wie Cathy reagieren würde oder Carter. Und Mom und John.

Am Mittwoch war es so weit. Dale fuhr uns zu einem kleinen Café mitten in der Stadt. Ich war noch nie darin gewesen, aber schon hunderte Male daran vorbeigegangen. Genauso wie Cathy und circa jeder, den ich kannte. Nervös folgte ich Dale hinein.

Es gab nur eine Handvoll Tische, aber dafür konnte man am Tisch bestellen und musste das nicht unbedingt am Tresen machen. Beide bestellten wir einen Cappuccino und ein Stück Kuchen. Wir saßen direkt am Fenster und jedes Mal, wenn jemand vorbeikam, sah ich mich nach der Person um, in der Hoffnung, dass es keiner war, den wir kannten. Dale beobachte mich argwöhnisch und legte dann seine Hand auf meine.

„Hey, entspann dich mal", sagte er und lächelte mir aufmunternd zu.

Ich starrte auf seine Hand. Vorsichtig zog ich meine unter seiner hervor und griff damit nach meiner Tasse. Dale nahm seine Hand vom Tisch und räusperte sich.

„Also, Matilda", sagte er und sein Mund verzog sich zu einem schelmischen Grinsen. „Erzähl mir was über dich. Was sind deine Träume, was sind deine Ziele?"

Ich konnte nicht anders und musste lächeln. „Ich bin mir noch nicht so sicher", antwortete ich wahrheitsgemäß, „aber mich haben schon immer Museen beeindruckt. Darum... denke ich über ein Studium der Kulturwissenschaften nach, Geschichte oder Kunstgeschichte vielleicht. Und..."

Dale sah mich mit leicht geneigtem Kopf mit großem Interesse an. Ich wurde rot. „Und mein Traum ist es, eines Tages im Metropolitan Museum of Arts zu arbeiten", fügte ich leise hinzu.

Dale schenkte mir ein warmes Lächeln. „Ich wusste gar nicht, dass du dich für so etwas interessierst", sagte er. „Ich dachte eigentlich du wolltest nach New York, um irgendwas mit Mode zu machen."

Ich grinste in meinen Kaffee. „Ich hätte kein Problem damit, meine innere Rachel Green zu finden, wenn ich in der besten Stadt der Welt lebe", erklärte ich, „auch wenn ich professionell eher der nächste Ross werden möchte."

Dale schien die Anspielung nicht ganz zu verstehen.

„Ich glaube, wir sollten mal zusammen Friends gucken", sagte ich lachend.

„Ein bisschen Netflix und Chill möchtest du also?", fragte er und grinste mal wieder sein blödes Dale-Grinsen, was mir in letzter Zeit auch immer ein Lächeln entlockte.

Während wir uns über alles Mögliche unterhielten, rückte Dale mit seinem Stuhl ein wenig näher zu mir herüber, sodass wir uns auch etwas intimer unterhalten konnten. Ich ließ meine Hand unter dem Tisch wieder in seine gleiten und er hielt sie fest auf seinem Oberschenkel, damit sie ihm ja nicht wieder entwischte.

„Weißt du", sagte Dale nach einer Weile. „New Haven ist nicht besonders weit weg von New York. Wenn ich in Yale angenommen werde, komme ich dich so oft es geht besuchen."

„Das wäre schön", flüsterte ich.

Seine Augen wanderten zu meinen Lippen. Leichte Panik stieg in mir hoch und unauffällig ließ ich meine Augen das Café und das Fenster abscannen. Dann lagen seine Lippen auch schon auf meinen. Zaghaft erwiderte ich den Kuss. Es fühlte sich so schön an und ich wünschte, es könnte immer so einfach sein.

Ich hörte, wie die Cafétür aufging und öffnete leicht meine Augen. In einer schnellen Bewegung löste ich mich von Dale, entzog ihm meine Hand und drehte mich in Richtung des Fensters. Kaum merklich rückte ich von ihm ab und fühlte seinen verwirrten Blick auf mir. Dann hörte auch er die Stimme des Mädchens, die gerade einen Kaffee zum Mitnehmen bestellte.

„Oh... Leute, hey!", rief sie einige Augenblicke später.

Dale und ich drehten uns zu ihr um. Gerade bekam sie ihren Becher in die Hand gedrückt, dann kam Claire zu uns rüber geschlendert.

„Was macht ihr denn hier? Ich hab euch hier noch nie gesehen!" Lächelnd sah sie zwischen Dale und mir hin und her, ich hatte aber nicht den Eindruck, dass sie gerade gesehen hatte, wie wir uns geküsst hatten.

„Äh, ach... wir wollten mal ein paar neue Lokale erkunden", stammelte ich. „Also, welche, die wir noch nicht kennen."

Claire nickte grinsend. „Und, hattet ihr schöne Weihnachten? Wie war dein erstes Weihnachten bei den Collins, Matilda?"

Ich schluckte. „Toll. War schön, danach waren Mom und ich auch noch bei meinen Großeltern. Wie war es bei dir?"

Wir hörte Claire zu, die freudenstrahlend von ihrem Weihnachtsfest erzählte und von den Geschenken, die sie bekommen hatte.

„Ich freue mich aber auch total auf Freitag!", rief sie und nickte zur Betonung. „Ist ja total verrückt, dass du am ersten Januar Geburtstag hast. Dann kannst du ja jedes Jahr reinfeiern."

„Ja, nur haben alle immer einen interessanteren Grund zum Feiern", sagte ich schulterzuckend.

„Also ich freue mich auch auf deinen Geburtstag", sagte Claire grinsend.

Dann besprach sie mit Dale, welchen Alkohol sie zur Party mitbringen sollte, bevor sie einige Minuten später aus dem Laden spazierte. Ich trank meinen letzten Schluck Kaffee und legte auch die Gabel auf den nun leeren Teller ab.

„Das war... interessant", kommentierte Dale.

„Mhm... leicht unangenehm", sagte ich grinsend. Er zuckte nur kurz mit dem Mundwinkel.

Kurze Zeit später fuhr uns Dale wieder an den See, wo wir eine Runde spazieren gingen. Die Sonne stand bereits tief, ließ den mit Schnee bedeckten Boden aber noch glitzern. Außer uns waren keine Leute am See unterwegs und ich konnte mich endlich etwas entspannen.

Ich bückte mich und tat so, als würde ich meine Schuhe binden müssen, nahm aber stattdessen eine Handvoll Schnee in die Hand, den ich zu einem lockeren Ball formte und Dale beim Aufstehen gegen den Kopf drückte.

„Wa-", rief er überrascht, dann kniff er die Augen zusammen. „Na warte, Tillie", sagte er gefährlich ruhig und grinste dreckig.

Auweia. Lachend wandte ich mich ab und lief davon, aber Dale brauchte nur etwa drei Schritte, um mich einzuholen und mich mit ihm in den Schnee zu werfen. Er drückte mich mit Leichtigkeit auf den Boden und hielt mich mit seinem Gewicht davon ab, zu flüchten.

„Nein, stopp!", rief ich lachend, als er anfing, mir Schnee an die Wangen zu reiben und ihn mir in den Schal zu stopfen. Um ihn davon abzuhalten, noch mehr Schnee vom Boden zu heben, zog ich ihn an seiner Jacke zu mir herunter. Dale wich meinem nassen Gesicht, das ich versuchte in seines zu drücken, erfolgreich aus, doch als sich unsere Lippen wiederfanden, hörte er auf sich zu winden. 

BestzeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt