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Die Woche verging erstaunlich schnell. Am Samstag brachten Mom und John schon einige Kisten zu John, während ich noch die letzten Bücher aus dem Wohnzimmer in den verbliebenen Kisten verteilte. Den letzten Abend im alten Haus verbrachten Mom und ich zu zweit mit Pizza, die wir auf der Terrasse aßen. Zur Feier des Tages öffnete Mom eine Flasche Wein und füllte mir ein halbes Glas ein. Da sie selbst nach einem Glas schon etwas betüdelt war, merkte sie auch nicht, dass sich mein Glas immer wieder füllte.

Eine letzte Nacht verbrachte ich in meinem alten Bett in meinem alten Zimmer in meinem alten Haus. Ein wenig traurig war ich schon, war das Haus doch voller schöner Erinnerungen und der Ort, an dem ich aufgewachsen war. Doch es war auch der Ort, der von den Geistern meiner Erinnerungen geplagt war. Eine Vergangenheit, in der Mom, Dad und ich glücklich waren. Eine kleine glückliche Familie in einem kleinen glücklichen Haus. 

Aber auch Erinnerungen an all die Streitereien zwischen meinen Eltern steckten hier fest. Als Dad uns vor vier Jahren verließ, dachte ich, das sei das Ende. Mittlerweile verstand ich, dass es das Beste war, was passieren konnte. Uns ging es eine ganze Weile schlecht, aber als Mom und ich die Kurve gekriegt hatten, wurde unser Leben um einiges besser. 

Sowohl meine Mom als auch mein Dad waren heute sehr viel glücklicher als in meiner Erinnerung und meine Beziehung zu beiden, seit diesem Jahr jedenfalls, auch. Die Erinnerungen an die schlimmsten Zeiten hoffte ich mit dem Abschied von diesem Haus hinter mir zu lassen.

Am Sonntagmorgen fuhr John mit einem gemieteten Transporter vor. Auch ein verdrießlich guckender Dale war dabei, der von meiner Mutter stürmisch umarmt wurde, als er aus dem Wagen stieg. Mir ging es auch nicht besonders prächtig. Ich hatte nicht gut schlafen können und der Wein verursachte ein leichtes Piksen in meinem Kopf. Dale kam auf mich zu und begutachtete mich von oben bis unten.

„Schickes Outfit", sagte er mit wenig Elan. Gestern schien wohl jemand etwas länger gemacht zu haben. 

Ich trug eine verwaschene Shorts und ein altes T-Shirt von meinem Dad. Besonders toll sah ich nicht aus, aber an einem solchen Tag war das wohl auch kaum nötig.

„Danke", erwiderte ich sarkastisch und nickte ihm zu.

„Jungs, würdet ihr bitte die großen Möbel in den Transporter bringen?", rief Mom, während sie wieder ins Haus rannte.

John und Dale setzten sich in Bewegung. Mit vier Mann war der Transporter schnell vollgepackt. In Moms Auto platzierten wir die letzten Kisten und Taschen, bevor ich noch einmal nach oben in mein Zimmer lief. Das Bett war abgezogen und der alte Schrank stand auch noch im Zimmer, ansonsten war es leer. Um die restlichen Möbel wollten wir uns erst kümmern, wenn das Haus verkauft wurde. 

Ich ließ mich auf meine alte Matratze sinken, die wirklich schon bessere Tage erlebt hatte und ließ alles einmal sacken. Gedankenverloren strich ich über das Bett und starrte aus dem Fenster. Nie wieder würde ich den Baum vor meinem Fenster im Herbst dabei beobachten, wie er allmählig seine Blätter verlor. Nie wieder würde ich frierend aufwachen, weil die Heizung mal wieder ihren Geist aufgegeben hatte. Seufzend ließ ich meinen Blick über die Wand wandern, die voller Fotos von Cathy und mir gewesen war.

„Das ist also dein Zimmer", sagte eine Stimme plötzlich vom Türrahmen. Dale trat in den Raum und störte mit seiner Anwesenheit meinen Abschiedskummer.

„Wow, hast du schon mal was von Privatsphäre gehört?", fragte ich eingeschnappt und griff nach meinem Rucksack mit meinen letzten Habseligkeiten.

Irritiert sah er mich an. „Sorry", sagte er und beäugte mich. „Weinst du etwa?"

„Quatsch", rief ich und vermied Blickkontakt, während ich an ihm vorbeihuschte.

Die Fahrt zu Johns und Dales Haus war mit dem Auto nur etwas mehr als zehn Minuten lang. Ich wusste nicht, wie häufig ich schon mit dem Fahrrad an dem Haus vorbeigefahren war. Als wir Kinder waren, war ich einmal auf einer Geburtstagsfeier von Dale gewesen und das letzte Thanksgiving hatten wir auch bei den Collins verbracht. Nun war es mein Zuhause. 

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