Was machen wir mit ihr?

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Es war mitten in der Nacht, als Daryl wieder zu Lydia ging. Ich saß mit Hund auf der Wiese vor dem Gebäude und schärfte meine Messer.

Der Mond war in dieser Nacht hell. Ich dachte an Haley. Sie musste mich und Daryl bestimmt vermissen, aber ich wusste, dass sie eines Tages alt genug sein würde, um mit uns zu kommen.

Seufzend schaute ich in den Himmel.

Ich wusste nicht, woher dieses Gefühl kam, aber es fühlte sich an, als würde bald etwas Großes passieren, was nicht gerade beruhigend war. Ich hatte das Gefühl, dass schlimme Dinge passieren würden.

Jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass es wieder passieren wird. Es machte mir so viel Angst, ich wusste nicht, warum ich immer wieder gehofft habe, dass es nicht wieder passieren wird. Niemand von uns würde ewig leben.

Aber selbst wenn wir es schafften, das Ende der Welt zu überleben... was dann? Würden wir glücklich bis ans Ende unserer Tage leben? 

Wie viele Menschen werden überleben? Wir sind nicht dazu bestimmt, ein Leben lang zusammenzubleiben. Es gibt keinen Gott oder Himmel, nur die Hölle... Oder noch schlimmer.

Ich hörte Schritte und sah jemanden neben mir stehen. Ich drehte mich um, um zu sehen, wer es war. Es war Daryl.
,,Geht es dir gut?", fragte er.

Ich nickte und legte meine Messer ab. Er setzte sich neben mich.

,,Hey", begann er nach ein paar Augenblicken. ,,Wirst du mir sagen, was los ist? Du verhältst dich anders als sonst."

,,Ich hab nur nachgedacht", sagte ich leise. ,,Das ist alles. Was ist mit Lydia?"

,,Es war ihre Mutter", sagte er, ohne nachzufragen. Er wusste, ich würde reden, wenn ich reden wollte. ,,Sie nimmt sie noch in Schutz. Sie denkt ihre Mutter misshandelt sie weil ihre Mutter sie liebt. Sie glaubt mir auch nicht, dass sie hier sicherer wäre und ihre Mutter genauso ein schlechter Mensch ist, wie mein Dad es war. Dass ihre Mutter sie nur stark machen will. Sie hat mir von ein paar Situationen aus ihrer Kindheit erzählt. Der Typ, den ihre Mutter umgebracht hatte, ist zurückgekommen. Sie wussten nicht, dass man das Hirn zerstören muss. Er hat ihren Vater erwischt. Sie war noch ein kleines Kind. Sie denkt, er starb weil er zu schwach war und hat im selben Atemzug gesagt, dass sie den Tod verdient hätte. Sie sagte ich und du würden nicht her gehören weil wir stark sind und die Bewohner hier nicht. Und dann bin ich gegangen. Sie weiß einen scheiß."

Noch bevor ich antworten konnte, oder die Worte, die Daryl verließen verarbeiten konnte, erklang Henrys Stimme hinter uns.

,,Du hättest mich einfach um Hilfe bitten können."

Daryl schaute ihn mit einer Mischung aus fragend und genervt  an.

,,Ich habe gelauscht", erkläre Henry.

,,Sie ist komplett durch, ist Zeitverschwendung", sagte Daryl. ,,Ist Taras Problem."

,,Was geschieht jetzt mit ihr?", wollte Henry wissen.

Daryl schwieg und stand auf.

,,Daryl", harkte Henry nach. ,,Bist du früher auch verprügelt worden? Früher einmal hat mein Dad meine Mum gefragt, wieso sie ihre Haare so kurz trug. Sie sagte, als sie noch lang waren, hat sie ihr erster Mann daran festgehalten, wenn sie weg wollte.. Er hat sie an den Haaren gezogen und an die Wand geschleudert, also hat sie sie kurz geschnitten. Seinetwegen. Und es hat lange gedauert, bis sie sich sicher fühlte."

Ed. Oh ja, Ed war ein Arschloch und hatte den Tod damals im Camp in Atlanta verdient. Und dass Shane ihn grün und blau schlug hatte er auch verdient.

,,Manchmal benimmst du dich wie ein Typ, der andere gegen Wände schlägt, aber ich glaub so bist du nicht", sagte Henry nun direkt an Daryl gerichtet.

Daryl lief auf Henry zu und starrte ihm direkt in die Augen.

,,Du solltest andere nicht belauschen."

,,Nur weil sie unter schlechten Menschen lebt, muss sie nicht unbedingt schlecht sein", sagte Henry.

,,Nein", gab ich ihm Recht. ,,Aber sie sieht nur das schlechte und denkt, das was ihre Leute tun, wäre gerechtfertigt."

,,Sie hat nur Angst. Und ihr beide könntet ihr diese Angst nehmen. Das könntet ihr. Und nur ihr."
Henrys Augen waren leicht glasig und ich konnte sehen, dass er sich wirklich für sie einsetzen wollte. Ihm lag irgendwas an ihr.

,,Nein", sagte Daryl. ,,Wir sind nicht die einzigen."

Er nahm mich bei der Hand, und zog mich mit in das Haus. Hund folgte.

,,Schlafen wir nicht oben?", fragte ich.

,,Tara hat uns einen Platz in ihrem Büro organisiert", erklärte Daryl. ,,Wir sind Nachts allein dort. Sie wollte nicht weiter mit ansehen dass wir draußen schlafen."

Ich nickte.

Als wir auf der Couch in Taras Büro lagen, schaute ich Daryl ins Gesicht.

,,Meinst du, es ist das einzig Richtige, Lydia in ihrem Glauben zu lassen? Und sie Tara zu überlassen?"

Sein Mund öffnete und schloss sich ein paar Mal.

Er dachte darüber nach.

,,Ich weiß es nicht. Wir könnten sie wieder aussetzen. Oder sie bleibt hier. Aber die Alternative dazu, hier zu bleiben, ihr eine Chance zu geben und sich um sie zu kümmern, wäre, die Leute mit ihr machen zu lassen, was sie wollen. Sie könnten sie umbringen."

Ich drehte mich um, so dass ich mit dem Rücken zu seiner Brust lag.

,,Sie wieder auszusetzen oder sterben zu lassen und zu wissen dass sie so jung ist und so viel verloren hat.. So viel durchgemacht hat.. ich schaff das nicht", flüsterte ich.

,,Ich weiß, dass du das doch kannst", antwortete Daryl und legte seine Arme um mich. ,,Du bist die stärkste Frau, die ich jemals kennengelernt habe. Selbst Carol kommt nach dir."

Es war nicht leicht, jetzt wo ich wusste, wer sie war, was sie alles durchgemacht hat und was ihr angetan wurde.

Aber sie war immernoch eine von den Feinden, oder?

Das war sie, und wir konnten nicht zumuten, dass etwas passierte, solange sie nicht wirklich kooperierte. Solange wir ihr nicht vertrauen konnten.

Straight into my Heart || Daryl Dixon || PausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt