34 | Bitte Tommy, bitte.

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Thomas

Violet war nach wie vor nicht aufgewacht, während es mir langsam besser ging.
Viel bewegen sollte ich mich nach wie vor nicht, hatte Sonya gesagt, aber für einen kleinen Spaziergang würde es wohl doch ausreichen.

Als ich die kleine Hütte verließ konnte ich endlich das erste mal sehen, wo wir waren.
Ein endloser Strand erstreckte sich zu meiner rechten und zu meiner linken befand sich eine leicht hüglige Graslandschaft.
Es war absolut perfekt, um sich eine Zukunft und ein Zuhause aufzubauen.

Die anderen hatten schon einiges geschafft.
Ich konnte weitere Zelte und Hütten erkennen.
Einige gemeinsame Schlafplätze und einige weitere Hütten.
Eine große Küche, einen Platz mit einer Lagerfeuerstelle in der Mitte.

Es waren viel zu viele Eindrücke auf einmal, doch es war schön.
Zu schön.
Ich wünschte die anderen könnten das jetzt sehen.
Sie alle.
Das war der Ort, von dem wir immer geträumt hatten.

Unfreiwillig stiegen mir die Tränen leicht in die Augen, die ich sofort weg wischte, als verschwommen vor mir eine Gestalt auftauchte.
Ein junger Mann mit dunkeln Haaren.
Und mir kamen erneut ein paar winzige Tränen, als meine Sicht sich schärfte und ich meinen besten Freund erkannte.

Minho sah müde aus und er hatte ordentlich Gewicht verloren. Er war richtig abgemagert.

„Verdammt, Minho.", flüsterte ich erleichtert und konnte gar nicht glauben, dass ich ihn nach so langer Suche endlich vor mir sah und in die Arme schließen konnte.

Wir umarmten uns lange und ich hoffte so sehr, dass ich ihm endlich etwas last und Schmerz abnehmen konnte.
Ich würde ihn auch auf mich nehmen, wenn ich könnte.
Niemand von uns konnte sich ansatzweise ausmalen, was Minho die letzten Jahre durchmachen musste.
Ganz alleine.

„Es tut mir leid wegen Teresa.", hörte ich ihn in mein Ohr flüstern bevor wir uns lösten und ich verständnislos mit dem Kopf schütteln musste.
„Sie hat dich gefoltert, Minho.", erinnerte ich ihn... und mich selbst mit schmerzender Brust.

„Ja und das wird ihr niemals verziehen werden.
Aber sie war einmal eine echte Freundin. Eine Freundin, die eine unglaublich falsche Entscheidung getroffen hat.
Aber sie fehlt mir genauso wie sie dir fehlt."
Minho hatte sich verändert, stellte ich fest, während ich ihm ganz genau und aufmerksam zuhörte. Er war auf einmal viel reflektierter. Wir waren nunmal alle erwachsen geworden.

„Ich will sie so in Erinnerung halten.
Nicht als die Frau, die sie wegen dieser Entscheidung werden musste, sondern als das Mädchen, was ich auf der Lichtung kennengelernt habe.
Und das Mädchen, das mir das Leben gerettet hat.", erklärte ich Minho und war dabei das erste Mal ehrlich mit mir selbst.

„Das werden wir.", versicherte mir der schwarzhaarige mit einem Lächeln, bevor er es sich zur Aufgabe machte, mich in diesem halbfertigen "Resort" herum zu führen, doch ich hatte andere Probleme.

„Minho..
Es ist so, dass Violet.. Mutter-"

„Oh ich weiß! Echt niedlich die Kleine, nicht?
Sie sieht auch total aus wie Newt."
Das traf mich.
Das war genau das, was ich von Anfang an gefürchtet hatte.
Newt war wieder da und die drei waren die perfekte Familie und er war der perfekte Vater und Lluvia würde mich vergessen.

„Weißt du, wo sie ist?", fragte ich seufzend und konnte Minho im Gesicht ansehen, dass er bemerkte, dass sich meine Stimmung deutlich geändert hatte.
Eben gerade noch war ich voller Euphorie und bereit, diesem neuen Leben offen entgegen zu gehen und dann waren auf einmal alle Sorgen wieder da.

Minho schien aber auch zu merken, dass ich in diesem Moment nicht darüber reden wollte, also deute er bloß in die Richtung einer Hütte am Rande des langen Sandstrandes und begleitete mich anschließend dorthin.
Vor der Hütte, direkt zur Richtung des Strandes konnte ich ein Mädchen auf einem Stuhl erkennen, die sich runtergebeugt hatte und mit Llu zu spielen schien.
Bei genauerer Beobachtung erkannte ich schließlich Sol und atmete erleichtert auf.
Es war schön sie so zu sehen, sie lachte sogar.

Als Minho und ich einen weiteren Schritt auf die beiden Damen zu machten, war es tatsächlich Lluvia selbst, die uns an Sol vorbei schauend als erstes entdeckte.
Mein so gebrochenes Herz erwärmte sich innerhalb einer Sekunde und ich konnte es gar nicht verhindern sofort breit zu lächeln.
„Daddy!", rief die dreijährige fröhlich, woraufhin sie mit klapprigen Beinen aufstand und wackelig zu mir hinüber stakste, sodass ich sie schnell hochheben und sie fest an mich drücken konnte.

„Ich hab dich so vermisst, Prinzessin.", flüsterte ich ihr sanft ins Ohr und fuhr ihr mit der Hand durch das feine Haar, während sie sich fest an mich drückte.
„Daddy?", flüsterte Minho hinter mir fragen und mittlerweile war auch Sol aufgestanden und musterte mich prüfend.
Seufzend ließ ich Llu wieder runter, die sich sofort an meinem Bein und dem Stoff meiner Hose festhielt.
Ich hatte ja gewusst, dass wir es den anderen früher oder später sagen musste. Egal was jetzt zwischen mir und Violet passieren würde, was sie überhaupt noch für mich empfand.

Fakt für mich war, dass ich sie nach wie vor liebte.
„Ich weiß, dass es unmöglich zu verstehen ist und es für Newt wahrscheinlich auch unverzeihlich ist, aber... es sind drei Jahre vergangen.
Sie... ich..."
Ich hatte keine Ahnung, wie ich sagen konnte, was ich sagen wollte, geschweige denn was ich überhaupt sagen wollte.
Ich hoffte einfach, dass die beiden einfach ohne peinliche Erklärungsversuche verstehen würde, was ich meinte.
Und in Sol's Gesicht stand zumindest ein wenig Erleuchtung und Verständnis geschrieben.

Sie blickte mich mit großen Augen an und sah anschließend zu Lluvia hinunter und dann wieder auf zu mir.
„Du und Violet?", fragte sie völlig fassungslos. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen, immerhin hatten Violet und ich früher nicht gerade romantische Anzeichen zwischen uns gezeigt und dass wir beiden irgendwie unseren Weg zueinander gefunden hatten war wirklich mehr als unerwartet für alle Beteiligten gewesen.

„Ich habe selbst keine Ahnung, wie es passiert ist.. aber wir haben uns einfach ineinander verliebt.", gab ich flüsternd und fast beschämt zu, obwohl ich mich wegen Gefühlen jeglicher Art nicht schämen sollte. Immer hin war es nicht meine Schuld gewesen.
Sol sah zwar nach wie vor geschockt aus und von Minho war bisher noch gar nichts gekommen, aber sie sah jetzt weniger mich an, als an mir vorbei.

„Verliebt? In wen?"
Diese Stimme kam mir nach wie vor wie eine Halluzination vor, doch auch die anderen beiden schienen sie gehört zu haben.
Langsam drehte ich mich um, während Lluvia sich hinter mir versteckte.

Newt sah um Längen wieder gesunder und besser aus als noch vor einigen Tagen im WCKD Gebäude.
Er hatte wieder etwas Farbe im Gesicht und sah wieder lebendig aus, nicht wie ein Zombie. Seine braunen Augen musterten mich gespannt und er lächelte mich vertrau an.
Ich konnte ihn nicht anlügen.

Außerdem war er jahrelang mein engster Freund gewesen und er würde auch noch nach drei Jahren genau merken, wenn ich ihm nicht die Wahrheit erzählte.
Tatsächlich sah er mir bereits an, dass ich ihm womöglich etwas Unangenehmes gestehen musste, denn das Lächeln auf seinen Lippen verschwand sehr schnell.

Ich war mir natürlich nicht sicher, aber etwas in mir sagte mir, dass er es bereits ahnte..
Irgendwie.

Und diese Vorahnung bestätigte sich immer mehr, als er einige Schritte zurück tat und dabei ungläubig den Kopf schüttelte.
Ich wollte auf ihn zu gehen. Irgendwas sagen, irgendwas erklären, doch meine Füße blieben ganz genau da, wo sie waren.

Es tat weh meinen besten Freund so zu sehen. Es tat weh ihm wehzutun!
In Newt's Augen spiegelte sich die pure Enttäuschung wieder: ich hatte ihn hintergangen.
Und jetzt wusste ich zu 100%, dass er es wusste,

„Newt, es tut mir-"

„Spar es dir. Bitte, Tommy.
Bitte Spar es dir.", flüsterte er mit gebrochener Stimme, machte im Schritt kehrt und ging davon..

Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now