2 | Der Plan

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Violet

„Du musst was essen, Süße.", wies mich Judie besorgt lächelnd zurecht und schob meinen Teller voller Haferschleim etwas näher in meine Richtung.

„Ich bekomme nichts runter.
Nicht, bevor die anderen wieder hier sind.", gestand ich seufzend.

Wir saßen direkt an Hafen, an einem der langen Tische.
Die anderen, zumindest der Großteil der anderen, war bereits früh am Morgen losgefahren.

Wir hatten diesen Überfall jetzt seit über zwei Jahren geplant.
Wir hatten Wicked's Pläne verfolgt, hatten beobachtet, was sie taten und wir wussten dementsprechend, welche Gruppe wann, wie und wohin verlagert wurde.

Der Plan war ganz schön kompliziert: wartet, bis ein Zug an unserer nächsten Strecke vorbeikommen würde, kappt das Abteil mit unseren Freunden und bringt sie sicher hierher.

Wieviel bei diesem Plan schiefgehen konnte, war nicht zählbar.

Seufzend stocherte ich deshalb mit meinem Holzlöffel in dem Brei herum.

„Wie geht es Llu?", fragte Leo, der ebenfalls nicht mitgekommen war.

Leo war eines der Kids, das vor uns vom Rechten Arm gerettet wurde.

Auch er hatte seine Erinnerung, halbwegs, zurück und dementsprechend wusste er und jeder von uns, dass er Teresa's kleiner Bruder war.

Diese Tatsache sorgte dafür, dass er immer noch von einigen schräg angesehen wurde.
Doch Leo war nicht wie Teresa.

„Llu geht's gut, sie schläft gerade, ich werde gleich nochmal nach ihr sehen."
Ich nickte dem Jüngeren zu und schob den Haferbrei anschließend wieder ganz von mir.

„Violet!"
Es dauerte keine Minute, da sprang mir schon mein kleiner Halbbruder, den ich auch erst nach diesem Überfall von Wicked kennengelernt hatte, auf den Schoß.

„Du solltest doch in der Halle bleiben.", seufzte ich und sah den Kleinen anschließend streng an.

„Was soll denn schon schief gehen? Ich meine, wir sind den Plan so oft durchgegangen."

Eliot hatte schon Recht, trotzdem hatte sein Vater ihm gesagt, er sollte in der Halle bleiben, damit er versteckt ist, falls Wicked ihnen folgen würde.

Langsam erhob ich mich und hob den Kleinen dabei von mir.

„Ich gehe jetzt nach Llu sehen, willst du-"

„Ich komm mit!", rief der kleine Blondschopf sofort und rannte fröhlich über den Platz zu der zweiten, großen Halle, in denen die einzelnen "Zimmer" waren.

Seufzend verdrehte ich die Augen und folgte dem Wirbelwind in mein Zimmer und hob Llu, die mittlerweile wach war, aus ihrem Bettchen und ließ sie langsam zu ihm laufen.

Der Achtjährige war ganz stolz Onkel zu sein.
Eliot liebte Lluvia, er liebte es, sie zu umarmen und mit ihr zu spielen.

„Elli!", kicherte Lluvia fröhlich. Sie liebte ihn mindestens genauso.
Lächelnd lief er auf sie zu und strich einmal durch ihr hellbraunes Haar, das vom Schlafen noch ganz zerzaust war.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, beobachtete ich ihn dann, wie er sie sofort hochnahm und vorsichtig herumwirbelte und ihr einen dicken Kuss auf die Wange drückte.
Und ich konnte es nicht verhindern mir vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn Newt sie so umarmen und küssen würde.

Ich bereute es wirklich, ihm nichts von ihr erzählt zu haben, wobei ich glaubte, dass er sich nur noch mehr Vorwürfe und Sorgen gemacht hätte.

„Was ist los, Violet?", fragte mein kleiner Bruder verwundert, nachdem er Lluvia wieder auf dem Boden abgesetzt hatte und diese nun wackelig zu mir hinüber lief und sich an meinem Bein festklammerte.

„Nichts. Alles gut.
Ich denke nur über ihren Vater nach.", antwortete ich ehrlich und warf einen kurzen Blick auf Eli.

„Was ist mit Thomas?", fragte der Blondschopf sofort aufgeregt-besorgt und starrte mich hoffnungsvoll an.

„Thomas ist nicht der Vater, Eli.", murmelte ich seufzend.

„Wie? Wieso? Wer ist denn dann der Vater?", rief er weiter nervend.
Ich hatte keine Lust, über Newt zu reden, ihn zu erwähnen oder auch nur an ihn zu denken, aber Eliot brachte mich dazu.

Ich war kurz davor, meine Wut, meine Verzweiflung und meine Trauer auszuschreien, aber die lauten Gebläse eines Flugschiffes hielt mich, glücklicherweise, davon ab.

„Sie sind da!", rief Eliot begeistert und wollte gerade losrennen, woraufhin ich ihn und Lluvia schnell und unsanft an den Armen packte und sie somit zurückhielt.

„Wir wissen nicht, ob das Wicked ist!", mahnte ich ihn streng.

„Ihr habt alle immer so eine doofe Paran.. Paranaia.", beschwerte sich der kleine motzig, versteckte sich dann aber, wie abgemacht, unterm Bett.

„Paranoia.
Und ja, ja die haben wir alle.
Die hättest du auch, wenn du dasselbe durchgemacht hättest, wie wir.
Und jetzt sei ruhig.", befahl ich schroff und stellte mich schützend vor mein Kind.

Die Nervosität stieg in mir auf und ich begann darum zu beten, dass Thomas, wie abgemacht, zu uns kommen würde und uns sagen würde, dass alles gut war.

Mein Fuß begann aufgeregt auf dem Boden herum zu tippen und ich musste meine Hände zu Fäusten ballen, nur um zu verhindern, dass ich nicht vor Aufregung auf und ab gehen würde.

Es passierte nichts.
Man hörte irgendwann, dass das Flugschiff landete, aber danach blieb es ruhig.

„Wo bleiben sie?", wisperte Eliot, der nach wie vor unter dem Bett lag, woraufhin ich unhöflich in seine Richtung zischte.

„Mama?", flüsterte Llu beunruhigt hinter mir, doch anstatt sie auch noch anzuzischen hielt ich ihr einfach meine Hand hin, die sie dann unsicher nahm.

Bitte, bitte bitte.., bettelte ich innerlich, doch außer meinem zappelnden Bein merkte man mir äußerlich nichts an.

Ich konnte genau sehen, wie die Türklinke zum Raum nach unten ging, ehe die Tür ruckartig aufgestoßen wurde.

„Papa!", rief Lluvia sofort aufgeregt und rannte zu ihm rüber.
„Na, mein Schatz?", rief er sichtlich erschöpft und nahm sie auf den Arm um ihre Wange mit Küssen zu bedecken.
Anschließend ließ er sie wieder runter.

„Thomas..", flüsterte nun ich mehr als nur erleichtert.

„Es ist alles gut gelaufen.
Wicked hat-"

Ich ließ den Braunhaarigen gar nicht ausreden, sondern umarmte ihn fest und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, welchen er sofort erwiderte.

Ich war so glücklich, dass er wohlauf war.
Einen einzigen, weiteren Verlust würde ich einfach nicht mehr verkraften.

„Geht es dir gut?", erkundigte ich mich flüsternd.

„Mach dir keine Sorgen, Süße.
Mir geht's wirklich gut, es ist alles so verlaufen, wie wir gehofft hatten...
Wir haben den Container.. aber..
Es tut mir leid, Sol war nicht drin."

Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now