45 / Hin und her

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Violet

Ein Blick zu Pfanne verriet mir, dass auch dieser von diesem Anblick überrascht war und ich dementsprechend nicht überreagiert hatte.
Doch.. hatte ich. Es lag schließlich nicht bei mir, sich über diese Sache eine Meinung zu bilden.
Und, wer wusste das schon, vielleicht waren die beiden sich während ihrer Zeit bei WCKD näher gekommen, über welche ich mit meiner Schwester im Übrigen noch sprechen wollte.

„Schlecht geschlafen?", fragte sie gut gelaunt, doch da war noch etwas anderes. Das spürte ich sofort.
Newt mied sowieso meinen Blick, was das Ganze noch unangenehmer machte.
„Ich nicht.", flüsterte ich im Gegenzug tatsächlich doch ein wenig bissiger und schärfer als geplant, denn mit diesem Satz hatte ich Newt's Aufmerksamkeit.
Mit einem mir nicht zu deutenden Blick sah er mich eindringlich in, während ich seinem Blick einfach stand hielt und mit meinem nicht wirklich irgendwas sagen wollte.

Pfanne tat mir in dem Moment tatsächlich ein wenig leid. Er stand einfach im Prinzip dazwischen und musste diese unangenehme Stille mit uns teilen.
Ob ich zu fies zu Newt gewesen war? Vielleicht.
Relevant schien das allerdings für keinen von beiden zu sein, denn sie verzogen sich ziemlich schnell mit ihrem Frühstück zu einem Tisch, während ich bei Pfanne zurück blieb und vor lauter Langeweile begann, das Geschirr abzutrocknen.

„Vi, Klartext. Was ist los?", fragte mein Freund seufzend, unterbrach dabei seine Tätigkeit und drehte sich abwartend zu mir um, während ich das Besteck polierte, um seinem Blick auszuweichen.
„Was meinst du?", fragte ich ziemlich stumpf. Mir war nicht danach, mich jetzt mit ihm über die Situation oder was auch immer zu unterhalten, geschweige denn mich selbst damit auseinanderzusetzen.
„Seit die beiden hergekommen sind bist du so... komisch. Glaub nicht, dass mir das nicht aufgefallen ist."

Unrecht hatte er ja nicht. Trotzdem wollte ich nicht darüber reden. Was brachte es denn? Das Thema war durch und ich wollte ehrlich gesagt nicht detailliert wissen, was passiert war, nachdem ich Newt's Hütte verlassen hatte.
Es war mir sowas von egal.
Aber wisst ihr, was ich komisch finde? Dass er mich erst küsste, nur um dann zu meiner Schwester zu gehen!

Der Kuss.

Es war mir, als würde mein Kopf sich zu drehen beginnen und alles da drin wurde zu Matsch. Es war ja nicht so, als wäre die ganze Situation nicht schon kompliziert oder angespannt genug gewesen, der Kuss hatte alles nur noch schlimmer gemacht.
Und auch, wenn es zwischen mir und Thomas zur Zeit nicht gerade bestens lief, war ich nach wie vor seine Freundin und andere Jungs zu küssen - Halt Stop! ER hatte MICH geküsst. Ich hatte gar nichts falsches getan, ich war raus.

„Violet?" Pfanne's Stimme war etwas weicher geworden, etwas besorgter.
Ich hatte ihn wohl eine ganze Weile warten lassen.
„Es tut mir leid. Ich gehe zurück in die Hütte, ich hab echt Kopfschmerzen."
Mit diesen Worten drehte ich mich um, lief langsam los und ignorierte dabei gekonnt, dass er mir noch ein „Iss' vorher wenigstens etwas!", hinterher rief.

Mir war nicht nach essen. Mir war nicht nach reden.
Ich wollte einfach nur schlafen und nicht an alles denken müssen, was gerade hier abging. Und es ärgerte mich unglaublich, dass es mir so ging.
Ich sollte feiern. Tag und Nacht sollte ich mit meinen Freunden feiern, dass wir es endlich geschafft hatten.
Warum dann nur, warum verdammt konnte ich nicht einfach zufrieden sein?
Die Spannung erdrückte mich und bereitete mir tatsächlich Kopfschmerzen, das war keine Lüge gewesen.
Und auch, wenn es zwischen uns komisch war, war Thomas erneut der Fels in der Brandung, der mich da raus holte.
So wie er es die letzten Jahre gewesen war.
Thomas bedeutete Sicherheit und Stärke.. und Zuverlässigkeit und Newt tat das nicht.

„Vio? Alles ok?" Mit besorgter Miene kam der Dunkelhaarige zu mir rüber gelaufen und legte anschließend sanft seine Hände auf meine Schultern.
Irgendwas hatte Thomas an sich, was mein Puls sofort beruhigen konnte, was mich in dem Moment plötzlich so emotional machte, dass ich mich wortlos an ihn drückte und die Augen schloss, während ich merkte, dass er ebenfalls langsam und ganz vorsichtig seine Arme um mich legte und mich festhielt.
„Nur ein bisschen schwindelig, alles gut. Wo ist Llu?"
„Die spielt unter Judie's Aufsicht mit Leo. Es ist schon praktisch, dass alle unsere Freunde so gerne auf sie aufpassen, das gibt uns ein wenig Zeit für uns.", antwortete Thomas mit sanfter Stimme, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten.
Es war irre, wie er einfach so tun konnte, als wäre nichts passiert, wobei das in manchen Fällen sogar recht hilfreich war.

„Für uns, oder um lebensbedrohliche Wunden auszukurieren.", flüsterte ich seufzend und betrachtete den weißen, frischen Verband, der unter Thomas's grauem Shirt hervorschaute.
Schnell steckte er diesen wieder darunter, als hätte er meinen Blick genau gesehen.
„Mir geht's gut!"
Es fiel mir schwer ihm das breite Grinsen auf dem Gesicht abzukaufen, doch ich hatte keine Lust mit ihm zu diskutieren. Nicht, nachdem wir die letzten Male immer im Streit auseinander gegangen war.
Es war auch komisch gewesen, nicht neben ihm zu schlafen, was ihm anscheinend nicht anders gegangen war.
„Ich hab dich vermisst, Vio."
Sanft legte er seine Hand an meine Wange, was fast automatisch dafür sorgte, dass ich die Augen schloss und einmal tief durchatmete.
Das fühlte sich gut an. Die Ruhe, der Frieden.

Aber wir wussten ja alle, dass so etwas Frieden nicht gestattet war für mich.
Mit einem halb geöffneten Auge konnte ich zu Thomas hoch spähen und dabei genauestens beobachten, wie sich seine Miene verfinsterte.
Ein Räuspern später und ich hatte mich umgedreht und auch sofort verstanden, was der Grund für seinen Gemütszustand war.

Newt sah beinahe beschämt zu Boden und wich jeglichen Blicken aus. Wieso kam er auch auf die Idee, dass es gut wäre hierher zu uns zu kommen?
Ich hoffte inständig, dass er Thomas die gestrige Situation nicht einfach so an den Kopf werfen wollte.
„Kann ich kurz mit dir reden, Violet? Es wäre wichtig. Nur fünf Minuten."
Ich wusste nicht warum, aber meine erste Reaktion darauf war es, Thomas anzusehen, der meinen Blick genauso fragend erwiderte, als würde er sagen: was meinst du? Willst du das?
Das gefiel mir so an ihm.

Von wollen konnte wohl schwer die Rede sein, doch ich wollte auch nicht unhöflich sein, weshalb ich bereitwillig nickte.
Vielleicht ging es auch um Llu und was sie anging hatte ich mir selbst immer vorgenommen, fair und unvoreingenommen zu sein.
Sie sollte keine Eltern haben, die sich nicht mal ansehen oder miteinander kommunizieren konnten.
„Ich lasse euch.", meinte Thomas nach wie vor Newt ignorierend und ging dann in die Richtung des Essplatzes.

„Was gibt's?", murmelte ich und versuchte dabei so monoton und unbeeindruckt wie möglich zu klingen. Er sollte nicht denken, dass der Kuss irgendwas in mir ausgelöst hatte.
„Ich.. wie geht's dir?", nuschelte Newt vor sich hin, ohne mich dabei anzusehen.
Hm, komisch. Gestern Nacht warst du so mutig gewesen.
„Deswegen wolltest du mit mir reden?!", fragte ich aufgebracht. So eine Szene gemacht wegen nichts.
„Ich meine wegen Sol.", ergänzte er dann seufzend und sah mich wieder so an.
So wie vorhin, als wir uns beim Frühstück angesehen hatten.
Der Blick war so subtil und doch fühlte es sich so an, als bohrten sich seine Augen durch mich hindurch.

Auch, wenn er so winzige Sätze ausspuckte, begann ich langsam zu verstehen, woraufhin er hinaus wollte. Und ich fühlte mich extrem angegriffen, weshalb ich zunächst richtig ausholte.
„Ach, Newt. Deshalb fragst du so völlig überdramatisch nach einem Gespräch zu mir?!
Weil du dich vergewissern willst, ob es mir damit gut geht, was ihr da gemacht habt?
Ich hab zwar keine Ahnung, ob du versuchst dich über mich lustig zu machen, oder ob du versuchst mich zu verletzen, aber da du es ja so unbedingt wissen willst:
Es ist mir vollkommen egal! Ich will nichts von den Spielchen wissen, die du hier ausprobierst. Mit meinen Gefühlen oder denen meiner Schwester.
Was auch immer zwischen dir und Sol läuft, es-"

„Mit deinen Gefühlen?"

Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now