43 | Déjà vu

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Newt

Die Erinnerungen platzten förmlich aus mir heraus, ohne dass ich irgendeine Kontrolle darüber hatte.
Violet war da, sie hörte mir zu und hatte mich aus diesem schrecklichen Traum geholt.
Ich hatte bis jetzt nicht mehr an diese grauenhaften Dinge gedacht. Doch jetzt, wo ich gewissermaßen die Zeit dazu hatte, waren sie wieder da.
Die Lichtung war fast nichts im Vergleich zu den Dingen, die sie mir mental so wie körperlich in der Stadt angetan hatten.
Als ich mit dem groben Zusammenschnitt meiner Erlebnisse fertig war, sah ich langsam zu Violet auf, die mich fassungslos anstarrte.
Natürlich, denn immer hin war es auch absolut unmenschlich und nicht zu begreifen, dass Menschen in der Lage waren, anderen Menschen so etwas anzutun.

„Ich wollte dich damit nicht belasten oder so. Es ist immerhin Vergangenheit und jetzt bin ich frei, also ist alles gut.", versuchte ich sie zu beruhigen, doch es sollte natürlich nicht klappen, was ich daran sehen konnte, dass Vi fast schon amüsiert mit dem Kopf schüttelte.
„Sag so einen Bullshit nicht, Newt. Verdammt, wann wirst du verstehen, dass es hierbei nicht um mich geht? Oder irgendwen anderes. Ob du mich damit belastest, ist sowas von scheißegal. Du wurdest misshandelt, gefoltert, wie kann da alles gut sein?
Wie... wie hast du das nur ausgehalten?", plapperte sie so schnell, dass es mir um diese Uhrzeit schwer fiel, ihr ganz zu folgen.
Die letzte Frage verstand ich allerdings perfekt, nur wollte ich sie nicht beantworten.

Es gab bloß einen einzigen Grund, der mich motiviert hatte, weiter zu kämpfen und bei verstand zu bleiben. Nur einen Grund, warum ich mein Leiden nicht früher beendet hatte und der saß nun direkt vor mir.
Wie also sollte ich ihre Frage beantworten? Gar nicht? Sollte ich sie anlügen? Sie würde doch sowieso genau wissen, wenn ich los.

Während ich sie weiterhin ansah und dabei überlegte, was ich sagen sollte, konnte ich bereits genau erkennen, dass sie in meinen Augen ablas, was mir eigentlich auf der Seele brannte.
Wegen dir. Der Gedanke, zu dir zurück zu kommen, hat mich dazu gebracht, weiter zu kämpfen.

Wann war unsere non-verbale Kommunikation so stark geworden?
Ihr Blick wurde weicher, fast schon im Übergang zur Verzweiflung.
Ihre Stirn legte sich in Falten und sie sah mich an, als hätte sie schreckliches Mitleid mit mir und ich hasste es wie die Pest.
Sie war einfach nicht mehr in mich verliebt, wann würde ich das endlich endgültig in meinen verdammten Schädel reinbekommen?!
Bis dahin würden wir niemals miteinander reden können, ohne dass es ständig zu unangenehmen Situationen kommen würde.

„Es kann nicht so weitergehen, Violet.
Wieso... es muss doch nicht so zwischen uns sein.
Wir waren noch nie so distanziert, wie jetzt gerade."
Es konnte doch nicht sein, dass nur mich das störte.
Ich sollte nur den Fehler begangen haben, es zu früh anzusprechen, denn ich hatte sie damit wieder nur verärgert.

„Was hast du denn erwartet?
Dass alles wieder so werden würde, wie früher?", flüsterte sie und wirkte dabei völlig fertig mit den Nerven, was sicherlich auch so war, da ging es mir nicht anders.

„Ich weiß es nicht.
Können wir nicht einfach wieder... Freunde sein?"
Wenn ich nicht anders bei ihr sein konnte, dann wäre das wirklich die bestmögliche Lösung.
Es war ja nicht so, dass wir uns nicht aufstehen konnten oder verstanden.
Eher im Gegenteil.
Doch auch dieser Vorschlag schien ihr nicht zu gefallen, denn sie schloss bloß verständnislos schmunzelnd die Augen und schüttelte den Kopf, bevor sie etwas sagte, was mir tief im Innersten einen Stich hinterließ.

„Newt, wir waren doch niemals Freunde.", flüsterte die Dunkelhaarige so still und beschämt, dass ich noch hoffen konnte mich verhört zu haben, doch wir beide wussten, dass dem nicht so war.
Autsch.

Ich verstand wirklich bei bestem Willen nicht, was sie meinte, wie sie so fühlen konnte, aber sie schien es ernst zu meinen.
Anscheinend hatte ich das anders empfunden.
Violet sah mich an und es war so unbegreiflich für mich, wie wir uns so verlieren konnten.
Wir waren nicht mehr zusammen, aber jetzt waren wir auch niemals befreundet gewesen? Und hatten nie wieder die Chance, überhaupt Freunde zu werden.
Ich hatte diesmal aber sicherlich nicht die Absicht, diese Worte einfach auf mich prasseln zu lassen, zumal sie keinen Sinn ergaben.
„Was sagst du da, Violet?
Niemals Freunde, ist das dein ernst?"
Ich war fassungslos darüber, wie sehr sie alles verneinen wollte, was wir je hatten.

„Es war nie... Freundschaft. Nicht für mich, Newt.
Es war nur ein Vorwand um das zu verstecken, was ich eigentlich für dich empfunden habe.
Es war nie Freundschaft, weil ich in dir immer viel mehr als nur einen Freund gesehen habe. Ich weiß also gar nicht wie es ist, mit dir befreundet zu sein.", flüsterte Violet, während sie mir endlich wieder tief in die Augen sah, sodass ich sicher sein konnte, dass sie die Wahrheit sagte und es rührte mich und erwärmte mein Herz.

Und bitte verurteilt mich nicht für das Folgende.
Ich würde es liebend gerne auf die Eifer des Gefechtes schieben, den Fakt, dass ich gerade zuvor aus einer Panikattacke erwacht und dementsprechend einfach zu emotional und zu verletzlich war als einfach auf den Fakt, dass sich meine Liebe zu ihr nie geändert hatte, dass ich meine Hände sanft an ihre Wangen legte und unsere Lippen sich vereinten.

Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now